Wenn die Gewerkschaften mit der Staatsbahn über tiefere Löhne und weniger Ferien verhandeln, spricht das SBB-Kader zuweilen von der «Wohlfühloase», die der Bundesbetrieb sein soll. Dabei haben die Angestellten wenig zu lachen. Auf Reorganisation folgt Reorganisation. Das nächste Sparpaket ist bereits geschnürt. Sein Name: «SBBagil2020». 

Die abermalige Sparrunde soll Veränderungen in der Division Infrastruktur und in der Organisationsstruktur mit sich bringen. Die SBB will das Silodenken in den Konzerndivisionen brechen. Gleichzeitig überprüfen die Staatsbahnen, welche Dienstleistungen an Drittfirmen ausgelagert werden können. Gewerkschafter befürchten einen weiteren Abbau beim Personal.

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«Ein Stellenabbau ist nicht das Ziel», entgegnet SBB-Sprecher Reto Schärli. «Mit dem Programm ‹SBBagil2020› will die SBB die interne Zusammenarbeit verbessern und ein neues Führungsmodell entwickeln.» Bei früheren Anpassungen sei die organisatorische Veränderung «bewusst» zurückgestellt worden. «Mit ‹SBBagil2020› sollen nun diese organisatorischen, prozessualen und strukturellen Herausforderungen angegangen werden.» 

Turbulenter Jahresstart

Das erneute Umbauprojekt wird lanciert, bevor das letzte abgeschlossen ist. Dieses heisst «Railfit 20/30» und sieht den Abbau von 1400 Jobs bis Ende 2020 vor. Es wurde im September 2016 präsentiert und soll die Konzernrechnung um gesamthaft 1,2 Milliarden Franken entlasten. 

Das SBB-Kader ist bereits seit einigen Wochen über die geplante Reorganisation im Bild. Die Sozialpartner wurden heute Mittwoch informiert. Viele Details sind noch unklar. Fest steht aber, dass die Reorganisation der Höhepunkt einer turbulenten Zeit ist. Sie folgt auf einen Kahlschlag bei SBB Cargo. 800 Jobs fallen bei der Gütertochter in den nächsten Jahren weg. Den Entscheid dazu hat der SBB-Verwaltungsrat Ende Februar gefällt.

Wenige Tage vorher eskalierte der Streit über die Anstellungsbedingungen. Weil die SBB den Wettbewerb auf der Schiene und der Strasse spürt, hat der Bundesbetrieb im Januar damit begonnen, den GAV bei SBB und SBB Cargo neu auszuhandeln. Bereits im Februar kam es aber zum Eklat und zum öffentlichen Schlagabtausch. «Die SBB fahren mit dem Rasenmäher einmal querbeet über die Gesamtarbeitsverträge», sagt Manuel Avallone, Vizepräsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV und Leiter der Verhandlungsdelegation.

Weniger Lohn

Der Bundesbetrieb stellt fundamentale Elemente in Frage. So möchte die SBB den Ferienanspruch von älteren Arbeitnehmern reduzieren und Abstriche bei den Treueprämien machen. Regionalzulagen sollen gestrichen und eine Krankentaggeldversicherung eingeführt werden. Abgangsentschädigungen sollen angepasst und der Kündigungsschutz aufgeweicht werden. Die Kündigungsfristen sollen vereinfacht und Lohngarantien abgeschafft werden. Ausserdem stört sich die SBB daran, dass sie nicht mehr als 4 Prozent Temporärangestellte beschäftigen darf.

Die Fronten sind verhärtet. Die nächste Verhandlungsrunde ist für Ende März anberaumt. «Es kommt zum Knatsch», prophezeit Avallone. «Wir werden insbesondere beim Kündigungsschutz keine Zugeständnisse machen», sagt auch Bruno Zeller vom Personalverband Transfair.

Sowohl Zeller als auch Avallone können nicht nachvollziehen, dass die SBB ausgerechnet jetzt den GAV-Streit eskalieren lässt. Beim Konzern laufen diverse Reorganisationen. Die Löhne der Konzernleitung geben regelmässig Anlass zur Kritik. IT-Programme funktionieren nur leidig. Über die neuen Bombardier-Züge wird vor Gericht gestritten. Die grösste Division Personenverkehr steht nach dem Abgang von Jeannine Pilloud unter neuer Leitung. SBB Cargo streicht Jobs.

Ärger mit der Politik

Dazu kommt, dass die SBB mit der Schliessung von Bahnhofsschaltern in der Politik für Aufsehen sorgt. 2017 hat der Betrieb vier Schalter geschlossen. 2018 folgen neun weitere. Betroffen sind die Standorte Basel Euroairport, Turgi, Zürich Tiefenbrunnen, Saint-Maurice, Küssnacht am Rigi, Erlenbach, Renens, Münchenbuchsee und Palézieux. Was 2019 folgt, ist noch offen. Zeller spricht von einer «Salamitaktik» der SBB.

Den Schliessentscheid fällt die SBB in Eigenregie. Weder Kantone noch Gemeinden werden einbezogen. Das Personal wird nur wenige Monate im Voraus informiert. Eine generelle Übersicht gibt es nicht, wie auch der Bundesrat in einer Antwort auf ein Postulat von CVP-Nationalrat Thomas Ammann Mitte Februar festhielt. «Was das Vertriebsstellennetz der SBB betrifft, so besteht keine generelle oder mehrjährige Planungsübersicht über dessen Entwicklung», so der Wortlaut.

Das Postulat ist im Nationalrat noch nicht behandelt. Sobald es auf dem Pult der Parlamentarier liegt, wird es aber für Diskussionen sorgen. 22 Politiker aller Couleur wollen Klarheit über die Zukunft des Bahnschalters.