Der Druck auf die Bohrunternehmen in der Nordsee nimmt zu, da Statoil angesichts des Einbruchs bei den Ölpreisen seine Investitionen stärker zurückschraubt. Analysten fürchten, die Nordsee könne sich in einen Friedhof für Bohrinseln verwandeln.

In weniger als 18 Monaten hat Norwegens grösster Ölkonzern Bohrvorhaben gestrichen, die vier Jahre ausgefüllt hätten, indem Verträge zur Nutzung von Bohrinseln entweder aufgehoben oder ausgesetzt wurden, ergaben Berechnungen von Bloomberg auf Basis von Statoil-Mitteilungen. Enthalten ist auch die vier Monate vorzeitige Beendigung eines Bohrvertrags mit Songa Offshore, die der Konzern am Montag angekündigt hatte.

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Verschrottungen bei Transocean und Co. wahrscheinlich

Die Einschnitte von Statoil, die für fast 70 Prozent der Öl- und Gasproduktion in Norwegen verantwortlich ist, sind schlechte Nachrichten für Betreiber mobiler Ölplattformen wie Transocean, die Sparte North Atlantic Drilling von Seadrill und Fred Olsen Energy. Analysten warnen, dass bei diesen Auftragnehmern von Konzernen wie Statoil im kommenden Jahr mobile Ölplattformen brach liegen oder Offshore-Verträge in dem Land auslaufen werden.

Es stellt sich die Frage, was die Betreiberfirmen mit den nicht mehr gebrauchten Bohrinseln anstellen sollen. Nach Einschätzung von Janne Kvernland von Nordea Markets dürften die Unternehmen gezwungen sein, bis der Markt wieder dreht bis zu 20 Ölplattformen in Norwegen und Grossbritannien zu verschrotten. «Wir werden einen Friedhof in der Nordsee haben», sagte sie telefonisch gegenüber Bloomberg. «Bei einer Menge Bohrinseln laufen die Verträge aus, und wenn Statoil keine davon nutzt, wer dann?»

Noch mindestens zwei Jahre Krise

Die Ölpreise sind innerhalb der vergangenen 16 Monate um fast 60 Prozent auf zuletzt rund 50 Dollar je Barrel eingebrochen. Das fordert von den Offshore-Bohrfirmen einen hohen Tribut, da Produzenten bei ihrem Investmentbudget die Axt ansetzen, um den Cashflow zu schützen und weiterhin Dividenden zu zahlen.

Angesichts der in den letzten 48 Monaten um mehr als die Hälfte abgerutschten Charterraten mussten Bohranlagenbesitzer wie Transocean, Seadrill und Ensco die Ausschüttungen an ihre eigenen Aktionäre schmälern, Kosten senken und Verträge neu aushandeln. Damit versuchen sie die Krise zu überstehen, die den meisten Betreibern zufolge mindestens noch bis 2017 anhält.

Ölplattform-Markt im Ungleichgewicht

Dana Petroleum und Capricorn Ireland kündigten in den vergangenen anderthalb Jahren ebenfalls Verträge mit Bohrfirmen in der Region. Zudem führten Sanktionen dazu, dass ein 4,1 Milliarden Dollar schweres Geschäft zwischen North Atlantic Drilling und Rosneft über fünf Anlagen scheiterte, die zwischen 2015 und 2017 in den Gewässern von Russland Bohrungen vornehmen sollten.

Von den weltweit etwa 300 mobilen Ölplattformen wurden mehr als 40 ausser Betrieb genommen, wie Pareto Securities am 21. Oktober in einer Kundenanalyse erklärte. Damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: Bis zu 100 weitere Anlagen müssen verschrottet werden, um ein Gleichgewicht am Markt herzustellen, schätzen Nordea, der Osloer Berater Rystad Energy und Andrew Cosgrove, Analyst von Bloomberg Intelligence.

Zehn bis zwanzig davon könnten Kvernland zufolge in Norwegen und Grossbritannien dieses Schicksal erleiden, weil sich die Rückkehr älterer und brach liegender Ölplattformen an den Markt als zu teuer herausstellen könnte.

Sprecher von Transocean, Fred Olsen Energy und North Atlantic Drilling konnten nicht umgehend für eine Stellungnahme erreicht werden.

Weniger Explorationsbohrungen

Statoil wolle im Rahmen eines konzernweiten Effizienzprogramms die Zeit je Offshore-Quelle bis 2016 um 25 Prozent verringern und bohre bereits mit weniger Plattformen an etwa derselben Anzahl an Quellen wie in den vergangenen zwei Jahren, sagte Sprecher Morten Eek. Das Unternehmen plant seiner Aussage nach in diesem Jahr, 16 Explorationsbohrungen als Betreiber abzuschliessen. Das sind weniger als die 21 im vergangenen Jahr, wie Zahlen des Norwegischen Öldirektorats zeigen.

«Die Verantwortung von Statoil ist, eine langfristige Wertsteigerung auf dem norwegischen Festlandsockel zu sichern», erklärt Eek in einer E-Mail auf Nachfrage von Bloomberg. «Wir wollen keine Bohrplattformen aussetzen oder kündigen, doch es ein Teil unserer Verantwortung, Massnahmen zur Kostensenkung zu ergreifen, damit wir profitable Projekte umsetzen können.»

Nachfrage weit tiefer als Bestand

In Norwegen dürften die Investitionen von Ölkonzernen nach Angaben des Finanzministeriums im laufenden Jahr um 11 Prozent fallen und im kommenden Jahr um weitere 8 Prozent. Die Nachfrage nach Bohrinseln in den Gewässern Norwegens werde sich kommendes Jahr auf etwa 18 bis 20 Anlagen belaufen, gegenüber 27 verfügbaren Plattformen, erwartet Rystad-Analyst Joachim Bjoerni.

«Da draussen warten nur wenige Aufträge», sagt er. «Entscheidungen über die Verschrottung von noch mehr Anlagen müssen gefällt werden.»

(bloomberg/jfr)