Die Marktfähigkeit der Schweizer Studentinnen und Studenten sinkt beängstigend: Gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern verlieren sie in praktisch allen Belangen an Terrain. Die Deutschen, Italiener und Franzosen beispielsweise sind mobiler, flexibler und leistungswilliger. Die Schweizer Arbeitgeber stellen den inländischen Universitäts- und Fachhochschulabgängern dagegen ein schlechtes Zeugnis aus: Sie schickten schlecht formulierte Bewerbungsunterlagen, meldeten sich für Stellen, für die sie deutlich zu wenig qualifiziert seien, und kämen zu wenig vorbereitet ins Bewerbungsgespräch.

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Die eigenen Fähigkeiten werden überschätzt, und jetzt, da Schweizer Absolventen den Deutschen, Österreichern, Italienern und Franzosen als Folge des EU-Freizügigkeitsabkommens nicht mehr im geschützten Biotop begegnen, bekommen sie den rauen Wind internationalen Wettbewerbs in voller Härte zu spüren.

Sie müssen lernen, dass die Ansprüche an ihre Mobilität gestiegen sind. Wer sich als ungebundener junger Mensch weigert, Auslandaufenthalte oder wechselnde Arbeitsorte zu akzeptieren, ist weniger marktfähig. Hochschulabgänger müssen auch lernen, dass von ihnen heute mehr Arbeitseinsatz verlangt wird. Wer schon im Bewerbungsgespräch auf freie Wochenenden und strikte Überstundenkompensation pocht, hat die Entwicklung verpasst.

Die Schweizer Absolventen müssen auch ihre Sozialkompetenzen erhöhen, wenn sie im internationalen Wettbewerb um die begehrten Kaderstellen erfolgreich sein wollen. Dazu gehören gute Umgangsformen genauso wie Sprachkenntnisse (auch des Hochdeutschen), der sichere Auftritt und nicht zuletzt die Teamfähigkeit.

Die Schweizer Wirtschaft musste sich diesen Herausforderungen schon viel früher stellen als die Schweizer Studentinnen und Studenten. Und da die Arbeitgeber unter Druck stehen, können sie es sich auch nicht mehr leisten, Schweizer bei der Stellenbesetzung zu bevorzugen. Man nimmt einfach die Besten, egal woher. Die Einstiegsgehälter zeigen es deutlich: Bei den unter 26-Jährigen etwa liegen die Jahres-Bruttogehälter für Schweizer rund 1000 bis 3000 Fr. tiefer als für ihre ausländischen Arbeitskollegen. Das ist alarmierend.

Immerhin haben die Absolventen hier zu Lande einen ersten Schritt gemacht, nämlich den der Selbsterkenntnis: Bei der «Absolventenstudie 2003» des Bundesamts für Statistik stufen sich die Schweizer Studierenden in vielen Kategorien deutlich tiefer ein als ihre ausländischen Mitstudenten der gleichen Lernschmiede. Signifikante Unterschiede in der Selbsteinschätzung bei den erworbenen Fähigkeiten gibt es insbesondere in den Disziplinen IT-Wissen, effizientes Arbeiten, Kommunikationsfähigkeit, mündliche Ausdrucksfähigkeit und bei den Sprachkenntnissen. Kommt dazu, dass ihre ausländischen Kommilitonen ihr Studium im Schnitt fast ein ganzes Jahr früher abschliessen.

Nun genügt es aber nicht, den Schweizer Absolventen nur die Leviten zu lesen. Man muss ihnen auch die Möglichkeit geben, an den Lehranstalten die relevanten Fähigkeiten zu erwerben. Die Universitäten und Fachhochschulen müssen sich gut und schnell überlegen, wie sie ihre Fächer an die aktuellen Anforderungen anpassen, auch nach «Bologna». Denn was nützt eine gute Fachausbildung, wenn die Absolventen schliesslich keine hohe «Employability» aufweisen? Wollen sie so lange warten, bis auch die Konkurrenz von Absolventen aus Indien und China erdrückend wird? Es gibt noch viel Arbeit.

Eckhard Baschek ist Redaktor der «HandelsZeitung»