Abzockende Manager, verfilzte Politiker, überfleissige Ärzte, Lügengebäude konstruierende Journalisten ? sie alle haben schon reichlich Prügel einstecken müssen. Nicht so die Wirtschaftsanwälte. Sie mischeln bei jedem grösseren Deal im Hintergrund mit, verfassen brisante Rechtsgutachten wie jenes des Finanzvehikels Long Term Strategy ? doch von öffentlicher Kritik bleiben sie weitgehend verschont. «Wir unterstehen dem Anwaltsgeheimnis und sind nicht in der Lage, über Klientenangelegenheiten mit der Presse zu kommunizieren», sagt stellvertretend für viele Robert Furter, Managing Partner von Pestalozzi Lachenal Patry. Diese Kanzlei, die schon die Umwandlung der Rentenanstalt von der Genossenschaft in eine AG juristisch begleitete, hat gemäss Aussagen verschiedener Quellen das strittige Gutachten für die Rentenanstalt-Manager verfasst. Laut VR-Präsident Andres Leuenberger kam das Gutachten zum Schluss, dass LTS rechtlich in Ordnung sei. Andere Branchenkenner reden davon, dass darin sehr wohl auf mögliche Interessenkonflikte hingewiesen worden sei.

Wie auch immer: Der Fall zeigt exemplarisch, wie geschickt es Wirtschaftsanwälte verstehen, sich aus dem Schussfeld der Kritik fernzuhalten. Denn dass in den verrückten Jahren der Börsengänge, Fusionen, Akquisitionen und grossen Transaktionen auch seitens der Anwälte nicht immer alles lupenrein vonstatten ging: Das stellt selbst die eigene Zunft nicht in Abrede. Immerhin verweist sie darauf, dass sich die Arbeit der Anwälte eben an den Vorgaben der Klienten orientiere.

*Fette Mandate in Hülle und Fülle*

Lange Zeit haben die Wirtschaftsanwälte auf der M&A- und IPO-Welle mitgesurft. In den 90er Jahren ist dieses Geschäft, das sich vornehm Unternehmenskontrolle nennt, regelrecht explodiert. Den Grundstein dazu lieferte das neue Aktienrecht, das den alten Zopf der stillen Reserven abschnitt und die Transparenz der Bilanzen erhöhte. Rechtsberater waren gefragt, in komplizierten wie in einfacheren Angelegenheiten.

Auch die Globalisierung, die den Run an die Börsen mit sich brachte, sowie das günstige konjunkturelle Umfeld verlängerten die Arbeitstage der Wirtschaftsanwälte. Denn diese waren bei jedem grösseren Deal mit von der Partie. Vom Börsengang der Clariant (1995) über die Megatransaktion der Swisscom (1998) bis zum IPO von Tamedia (2000) hagelte es für die juristischen Kapitalmarktspezialisten fette Mandate in Hülle und Fülle. Start-ups mussten über Private-Equity-Firmen finanziert werden, schliesslich lag das Geld auf der Strasse. Daneben gab es Fusionen und Übernahmen juristisch zu begleiten.

Die Anwälte verfassten nicht nur Rechtsgutachten und Börsenprospekte, sie brachten dank ihren exzellenten Beziehungen auch fusionswillige Unternehmen vor den Traualtar. Schweizer Firmen vertrauten in aller Regel Schweizer Rechtskonsulenten. Diese profitierten vom Heimvorteil ? zum Leidwesen der wachsenden Konkurrenz aus Grossbritannien und Deutschland.

Sieben Kanzleien beherrschten die Szene: Bär & Karrer, Lenz & Staehelin, BBLP Meier Lustenberger, Homburger, Niederer Kraft & Frey, Baker & McKenzie sowie Pestalozzi Lachenal Patry. Alle sind sie an Topadressen in Zürich zuhause. Seit zwei Jahren ist nicht nur das IPO-Business zusammengebrochen. Auch das Geschäft mit Transaktionen hat stark abgenommen. «Die quick and dirty deals sind vorbei», sagt einer der «rain makers», der Grossverdiener einer Zürcher Kanzlei. Einzig Privatbanken, von denen heute viele zum Verkauf stehen, und andere finanziell angeschlagene Unternehmen sind an Fusionen und Übernahmen noch interessiert. Das Problem ist einzig, dass kaum einer mitmachen will.

*Antreten zum Beauty Contest*

Manch ein Anwalt klagt denn auch über enorm viele abgebrochene Transaktionen. Man berate die Unternehmen bis kurz vor Abschluss, um dann festzustellen, dass das Geschäft dann doch nicht zustande kommt.

Die dramatische Erosion in der Finanzdienstleistungsbranche hat auch die Geschäftstätigkeit der Anwälte verändert. «Eine Verlagerung in die Bereiche Konkurs-/ Nachlassstundungsrecht und Restrukturierungen ist festzustellen», sagt Thomas Lustenberger von Meyer Lustenberger. Doch auch bei Kostensenkungsprogrammen, bei Kapitalerhöhungen oder Kapitalschnitten sind die Anwälte zur Stelle. «Insofern sind wir eine konjunkturresistente Branche», sagt Daniel Daeniker von der Zürcher Anwaltskanzlei Homburger.

Doch ganz ungeschoren kommt der lukrativ verdienende Berufsstand (siehe Text unten) nicht davon. «Früher war es chic, sich als Wirtschaftsanwalt zu bezeichnen und Unternehmen zu beraten», sagt der selbstständige Anwalt Linus Jaeggi. «Heute kümmern sich plötzlich renommierte Büros um Scheidungsfälle und andere Bagatellen.» Vor allem mittelgrosse Kanzleien, die keinen «full service» bieten können, bekunden Mühe. Selbstverständlich will dies keiner von sich zugeben, den eigenen Ruf will man schliesslich nicht ruinieren.

Der zunehmende Druck auf den Kanzleien äussert sich aber auch im verschärften Wettbewerb untereinander. Immer öfters müssen sich Anwälte einem «beauty contest» unterwerfen und gegen Standeskollegen zu einem Wettbewerb antreten. Die Contests sind vor allem kostenmotiviert. Das Klima unter den Anwälten ist schärfer geworden. Doch von Krise oder Flaute spricht keiner. Schliesslich beträgt das Wochenpensum noch immer 60 Stunden.

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