Wenn diese Urteilssprechung durchgezogen würde, bekäme ein Grossteil der Manager wohl Herzflattern», reflektiert Leserbriefschreiber Thomas Bühler aus Ettiswil in der «Neuen Luzerner Zeitung» das Urteil des Basler Strafgerichts gegen Guido A. Zäch. «Wie oft wurden gerade in der jüngsten Vergangenheit nicht 30 Millionen, sondern Milliarden in fragwürdigen Projekten und im galoppierenden Wirtschaftswahnsinn vernichtet? Ist je ein Manager dafür verurteilt worden?»

Mit feinem Gespür für die versteckten Zusammenhänge zieht das Publikum Parallelen zwischen den Vorgängen in der Schweizer Paraplegiker-Stiftung und den Fehlentwicklungen in der Schweizer Wirtschaft. Allerdings weigert sich die Öffentlichkeit im «Fall Zäch» von Wirtschaftskriminalität zu sprechen.

Von seinem Bonus als Heiler, Retter und Macher profitiert der Paraplegiker-Arzt über das Basler Urteil hinaus, selbst wenn der vom Gericht bejahte Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung ein klassisches Wirtschaftsdelikt darstellt. In welche Kategorie Vergehen Zächs Handlungsweise letztlich gehört, zeigt auch die Tatsache, dass die Basler Staatsanwaltschaft den Fall Katharina Villiger anvertraut hatte: Als Einzige in der Abteilung Wirtschaftsdelikte der Basler Staatsanwaltschaft hat sie das eineinhalb Jahre lang dauernde berufsbegleitende Nachdiplomstudium zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in Luzern erfolgreich abgeschlossen.

*Mehr Experten nötig*

Rund 400 solcher Expertinnen und Experten bräuchte es nach Meinung Christof Müllers, um die Wirtschaftskriminalität in der Schweiz erfolgreich zu bekämpfen. Der ausgewiesene St. Galler Fachmann kritisiert, die Schweiz habe viel zu spät auf

diese Entwicklung reagiert, die durch zunehmende Komplexität auf der einen und die verstärkte Internationalisierung auf der anderen Seite gekennzeichnet ist.

Wohl auch weil dem «Fall Zäch» die internationale Dimension fehlt, gilt er in Fachkreisen zwar als juristisch anspruchsvolles, aber nicht als «hochkomplexes Verfahren». Er ist also nicht vergleichbar wie etwa mit dem «Fall Distefora» um Alexander Falk, wo wegen Geldwäscherei, Betrug und Kursmanipulation ermittelt wird. Dennoch dauerte die Basler Untersuchung zwei Jahre. Mit mehr als drei Jahren rechnet man gar für die strafrechtliche Abklärung des «Falles Swissair» durch die Bezirksanwaltschaft Zürich für Wirtschaftsdelikte, was für Unmut nicht nur bei den Aktionären, sondern auch bei den Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments sorgte. Der öffentliche Druck zeigte Wirkung: Für die Swissair-Ermittlungen erhielt die Bezirksanwaltschaft mehr Personal.

Eine Ausnahme - denn auch die Justiz bleibt vom Spardruck nicht verschont. Nicht so schlimm, könnte man meinen, denn gemäss «Bericht Innere Sicherheit der Schweiz», den das Bundesamt für Polizei jedes Jahr veröffentlicht, «ist die Wirtschaftskriminalität derzeit keine grundlegende Gefährdung für die innere Sicherheit». Diese Feststellung wird gestützt durch Statistiken, wonach sich die polizeilich ermittelten Straftaten in den Bereichen Veruntreuung, Betrug sowie Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften ungefähr im gleichen Rahmen halten. Das gilt auch für die Zahl der rechtskräftigen Verurteilungen).

Doch die Statistiken täuschen: Denn die klassischen Delikte wie Betrug, Konkurs- und Betreibungsdelikte verursachen nach Angaben des Bundesamtes für Polizei in der Schweiz jährlich einen Schaden von mindestens 1,18 Mrd Fr.; rechnet man eine Dunkelziffer von 50% mit, beläuft sich der Schaden auf 3,54 Mrd Fr. Kommen noch die Schäden von Delikten in den Bereichen Urheberrecht, Computerkriminalität, Schwarzarbeit und Industriespionage hinzu, verursacht Wirtschaftskriminalität jährlich Schäden von 3 bis 5,4 Mrd Fr., was rund 1,5% des Bruttoinlandprodukts entspricht.

Wirtschaftsdelikte machen nur einen kleinen Prozentsatz der Anzahl registrierter Straftaten in der Schweiz aus. Sie verursachen aber einen überproportionalen Schaden pro Fall und beanspruchen bei Untersuchungen mehr personelle Ressourcen als andere Delikte, heisst es im Bericht zur inneren Sicherheit.

Jedes vierte Schweizer Unternehmen war gemäss einer Umfrage von PricewaterhouseCoopers in den vergangenen zwei Jahren Opfer von Wirtschaftskriminalität, wobei in der Mehrzahl der Fälle (60%) Vermögenswerte veruntreut wurden. Und dennoch hat Christof Müller den Eindruck, dass Öffentlichkeit und Politik die Gefährdung der legalen Wirtschaft durch Kriminalität, die er als «Kehrseite des normalen Wirtschaftens» bezeichnet, zu wenig ernst nehmen.

*Tabuthema Korruption*

Dabei geht es ihm auch um das «letzte Tabuthema der Wirtschaftskriminalität»: Bestechung und Korruption. Mit 18% der Befragten waren laut PWC-Umfrage Schweizer Unternehmen weitaus mehr vom Problemkreis Korruption und Bestechung betroffen als ihre westeuropäischen (11%) Konkurrenten. Die Erklärung von PWC: «Enge Netzwerke zwischen Käufern und Verkäufern könnten eine Erklärung dafür sein, dass die Schweizer Unternehmen in diesem Bereich höheren Risiken ausgesetzt sind.»

Die Schweiz hat das Korruptionsstrafrecht vor drei Jahren massiv verschärft, nicht aber für den privaten Bereich. Das soll jetzt gemäss Auskunft des Bundesamtes für Justiz nachgeholt werden. Ein erster Versuch, eines der «Hauptproblemfelder» der Wirtschaftskriminalität, wie der Bericht Innere Sicherheit die Korruption in der Privatwirtschaft umschreibt, in den Griff zu bekommen, scheiterte 1999. Doch künftig sollte es nicht mehr so sein, wie der Zürcher Staatsanwalt Andreas Ochsenbein kritisiert: «In der Wirtschaft sind viele Verhaltensweisen verbreitet und teilweise sogar normal, die beim Staat als Korruption angesehen werden.»

Christoph Müller betrachtet die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zudem nicht nur als staatliche Sache. «Es ist eine Aufgabe der Wirtschaft, für Prävention zu sorgen und Fälle aufzudecken, da das Potenzial für den Missbrauch nun einmal systemimmanent ist.» Konkret heisst das etwa, dass Revisionsstellen den Auftraggebern alle Schwachstellen melden, die sie entdeckt haben. Denn es ist, so die Experten des Bundesamts für Polizei, eine Tatsache, «dass jede Sicherheitslücke früher oder später ausgenützt wird».

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