Die Lösung der Haftungsfrage wird greifbar.» So titelte Wirtschaftsprüfer Dieter Widmer, Mitglied der Geschäftsleitung von KPMG Schweiz und Mitglied des Vorstands der Treuhand-Kammer, unlängst einen Artikel im «Schweizer Treuhänder». Darin hatte er sich mit der von Bundesrat Christoph Blocher in die Wege geleiteten Revision des Aktienrechts und der Haftungsbeschränkung für Revisionsgesellschaften befasst.

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So schnell, wie Widmer und mit ihm die gesamte Branche der Wirtschaftsprüfer gehofft haben, zeichnet sich allerdings eine Lösung der Haftungsfrage nicht ab. Mindestens bis Ende Jahr müssen sie sich gedulden: Denn bei der Präsentation der Ergebnisse der Vernehmlassung zur Revision des Aktienrechts erwähnte Justizminister Blocher den umstrittenen Punkt mit keinem Wort. Auf Nachfrage hin war im zuständigen Bundesamt für Justiz zu erfahren, dass noch nichts entschieden sei und man erst mit der definitiven Vorlage an das Parlament wissen werde, was die Regierung in dieser Sache abschliessend denke.

Marschrichtung abgesteckt

Allerdings hat der Bundesrat in der Vernehmlassungsvorlage die künftige Marschrichtung bereits abgesteckt.Der Entwurf sah nämlich vor, die Haftung für Revisionsdienstleistungen summenmässig zu begrenzen, «sofern die Haftung nur auf einem leichten Verschulden beruht». Als konkreter Betrag wurden für die Revision von börsenkotierten Unternehmen «und von anderen wirtschaftlich wichtigen Gesellschaften» 25 Mio Fr. genannt, bei anderen Gesellschaften 10 Mio Fr. Um mögliche Kritik im Voraus abzudämpfen, verwies die Regierung unter anderem darauf, dass man in der Schweiz bedeutend höhere Haftungslimiten vorsehe als in derEU (siehe Kasten).

Mit ihrem Vorschlag geriet die Regierung allerdings in Teufels Küche. Es waren fast ausschliesslich Betroffene, die positiv reagierten. Die Investorenseite hingegen lehnte die Haftungsbeschränkung ab: Mit Blick auf die weitere politische Auseinandersetzung zeichnet sich mit der Treuhand-Kammer auf der einen und der Bankiervereinigung, Swissholdings und Economiesuisse auf der anderen Seite eine höchst spannende Konstellation ab.

Die Treuhand-Kammer unterstützt den Bundesrat, «weil damit ein akutes Problem aufgegriffen und einer Lösung zugeführt wird, das in den letzten Jahren für die Branche existenzbedrohende Formen angenommen hat». Die Wirtschaftsprüfer müssten sich dagegen wehren, dass die Verantwortung für Unternehmensentscheide nicht schleichend vom Verwaltungsrat auf die Revisionsstellen abgeschoben werde, warnt Dieter Widmer. Ein solches Risiko sei kaum mehr versicherbar.

Immer mehr würden Begehren aus Schadensfällen gegenüber den sechs grössten in der Schweiz tätigen Revisionsgesellschaften gestellt. Würde ein Grossteil der im Juni 2006 hängigen Forderungen in der Höhe von 5,6 Mrd Fr. aufgrund der herrschenden Rechtsprechung auf die Revisionsstellen überwälzt, hätte dies den Untergang der betroffenen Gesellschaften zur Folge. «Ein Supergau mit volkswirtschaftlicher Tragweite», kommentiert Widmer. Es gehe mit der Gesetzesrevision nicht darum, ein Privileg für Revisionsgesellschaften zu schaffen, sondern darum, «den apokalyptischen Fall mit dem Untergang einer grossen Revisionsgesellschaft zu vermeiden».

Gegen Privilegien

Die Schweizerische Bankiervereinigung spricht hingegen von «unausgewogener Privilegierung». Eine Sonderregelung lehnt auch die Industrieholding ab, zumal laut geltendem Recht niemand für einen Schaden haftbar gemacht werde, «den er nicht selbst adäquat kausal und schuldhaft verursacht hat».

Der Kanton Zug befürchtet gar, «dass Revisionsgesellschaften gewisse Schäden bewusst in Kauf nehmen, weil ihr Haftungsrisiko letztlich limitiert ist». In ähnlichem Sinn warnt Economiesuisse davor, eine Haftungsbeschränkung könnte mit Blick auf die Zuverlässigkeit der Rechnungslegung «falsche Signale aussenden». Wenn schon, müsste man die Haftungsfrage für alle Organe stellen.

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Die Pläne in der EU: Vernehmlassung läuft bis Mitte März

Ähnliche Bestrebungen

EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hat vor kurzem ein Papier vorgestellt, das Haftungsbeschränkungen für Revisisionsgesellschaften vorsieht. Interessierte haben die Möglichkeit, sich bis Mitte März dazu zu äussern.

Option I

Als erste Möglichkeit wird im Papier eine fixe Obergrenze vorgeschlagen, die für alle 27 EU-Mitgliedstaaten gelten soll. Heute kennen nur Deutschland, Österreich, Griechenland und Slowenien eine solche Regelung, in Grossbritannien wird sie diskutiert.

Obergrenzen

Bei Publikumsgesellschaften in Deutschland beträgt die Obergrenze 4 Mio Euro, bei den übrigen Gesellschaften 1 Mio Euro. In Österreich liegt die Grenze für Banken, Versicherungen und Pensionskassen zwischchen 1 und 18 Mio Euro (je nach Bilanzsumme), für Publikumsgesellschaften bei 20 Mio Euro und für die übrigen Gesellschaften bei 5 Mio Euro. Der Revisionsentwurf für das Schweizer Aktienrecht nennt als Obergrenze 25 Mio Fr. für Publikums- und «wirtschaftlich bedeutende» Gesellschaften sowie 10 Mio Fr. für KMU.

Option II und III

Als zweite und dritte Möglichkeit stehen in der EU flexible Obergrenzen zur Diskussion. Diese können sich entweder an der Marktkapitalisierung des geprüften Unternehmens oder an den von der Revisionsstelle verlangten Honoraren orientieren.

Option IV

Schliesslich wird als vierte Alternative vorgeschlagen, dass jedes EU-Land eine proportionale Haftung einführt. Die Revisoren würden dann nur für den Anteil des Schadens haften, der durch ihr eigenes Handeln entstanden ist. Diese Regelung gilt bereits in der Schweiz gemäss Obligationenrecht.