Leute, die bei Zara einkaufen, fühlen sich wie in einer grossflächigen und trendigen Edelboutique im Herzen einer Metropole. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Preise durchschnittlich rund 20-mal billiger als in Luxusläden sind. Praktisch in jeder europäischen Hauptstadt von Athen bis Lissabon ist Zara vertreten, immer an bester City-Lage, nur in der Schweiz hat die Kultmarke bisher nicht Fuss gefasst. Das ändert sich bald: Am 30. Oktober eröffnet die erste Zara in der Schweiz ihre Pforten am Place du Molard in Genf auf einer Fläche von 1900 m2. Zwei Wochen später folgt bereits die nächste Filialeröffnung im neuen Genfer Shopping Center la Praille.

*In Zürich im Jelmoli*

Da kann sich die für diese Liegenschaften zuständige Vermieterin Jelmoli Immobilien nur die Hände reiben. Denn ihre Mieteinnahmen sind vom Umsatz der erfolgreichen Spanierin abhängig. «Durchschnittlich beträgt der Umsatz pro Quadratmeter bei Zara 15 000 bis 30 000 Fr. Ich hoffe, dass sie in Genf auf einen Umsatz von 17 000 bis 22 000 Fr. kommen werden», sagt Alain Rolland, Direktor von Jelmoli Immobilien, der die Verträge mit Zara abgeschlossen hat. In Zürich soll Zara in der Hofüberbauung des Jelmoli-Warenhauses im Herbst 2004 eröffnet werden. Damit hofft Jelmoli-Konzernleiter Peter Leumann, noch mehr Kunden auch für die anderen Shops anzuziehen: «Schliesslich ist Zara ein Magnet», meint er.

In der Tat: Der Erfolg der Modekette ist beeindruckend. 1975 wurde der erste Laden im spanischen Küstenstädtchen A Coruna eröffnet. Heute locken weltweit bereits 548 Geschäfte die Kunden an. Zara ist das Zugpferd des spanischen Modehauses Inditex. Die Industria de Diseno Textil führt auch noch die weniger bekannten Marken wie Massimo Dutti, Pull and Bear, Bershka, Stradivarius und Oysho und betreibt zurzeit 1376 Läden in 41 Ländern. Allein im Jahr 2002 will die Gruppe 245 bis 280 neue Läden eröffnen. Inditex beschäftigt 28 325 Mitarbeitende und setzte 2001 3,3 Mrd Euro um. Dieses Jahr werden gar 4 Mrd Euro erwartet. Das Gewinnplus betrug im ersten halben Jahr 48%: Offensichtlich profitiert die Tiefpreis-Modekette von der Wirtschaftsflaute.

Zum Erfolgsrezept gehören neben tiefen Preisen und besten Geschäftslagen in Zentren auch ein sehr schnelles und flexibles Reagieren auf modische Trends und Kundenbedürfnisse. So tauscht Zara zweimal pro Woche Teile des Sortiments aus. Das kann die vertikal organisierte Zara bestens, kontrolliert sie doch sämtliche Stufen des Geschäfts vom Entwurf bis zum Verkauf und produziert im Gegensatz zur Discount-Modekette Hennes&Mauritz die Kleider gleich selber.

Zara spricht mit seinen günstigen Preisen und seinem modischen Flair eine ähnliche Kundschaft wie Hennes&Mauritz und Mango an. Trotz der zu erwartenden Konkurrenz gibt sich H&M in der Schweiz aber gelassen: «Zaras Eintritt in den Schweizer Markt wird die Branche dynamisieren, und das ist positiv», sagt Danielle Bryner, Mediensprecherin von H&M. Die schwedische Modekette ist mit 44 Läden in der Schweiz längstens etabliert und setzte 2001 515 Mio Fr. um. Zudem profitiert H&M wie Zara davon, dass in wirtschaftlich flauen Zeiten viele Konsumentinnen zu billigeren Produkten greifen. Der schwedische Bekleidungskonzern liegt auf Erfolgskurs und steigerte den Gewinn im dritten Quartal um 53%. In der Schweiz erhöhte sich der Umsatz um 21% auf rund 135 Mio Fr. Bryner ist überzeugt, dass H&M trotz neuer Konkurrenz weiter wachsen wird: «Im Unterschied zu Zara, das keine Werbung macht, stecken wir viel in die Werbung.»

Auch Meinrad Fleischmann, Chef des Modehauses Schild und Franchisenehmer der sechs Mango Stores, hat keine Angst vor dem neuen Mitbewerber. Im Gegenteil: «Zara wird die Nachfrage nach lateinisch angehauchter Mode anregen.» Mango habe bereits 2001, in seinem dritten Jahr, bei einem Umsatz von 22,4 Mio Fr. schwarze Zahlen geschrieben. Für 2002 erwartet Fleischmann gar einen Umsatz von 30 Mio Fr. Und im Unterschied zu Zara würde Mango auch auf mittelgrosse Städte und auf kleinere Ladenflächen setzen.

*Gute Chancen*

«Zara wird sicher Marktanteile gewinnen», sagt Wolfgang Giehler, Textilspezialist beim Institut für Marktanalysen in Hergiswil. Er schätzt die Aussichten für Zara in der Schweiz als sehr gut ein, obwohl der Schweizer Textilmarkt bei rund 9 Mrd Fr. seit Jahren stagniert. Dieses Jahr werde der Textilmarkt rund 2% schrumpfen, letztes Jahr sei er um 3% gewachsen, und im Jahr 2000 betrug das Minus 1%. Ein Verdrängungskampf ist daher angesagt. Zu den möglichen Verlierern zählt Giehler aber weder H&M noch Mango: «Sie haben ihre Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft.» Er glaubt, dass eher mittelgrosse Firmen im Filialbereich wie PKZ, Schild, aber auch die Warenhäuser die neue Konkurrenz spüren werden. «Es wird kaum einen Einzelnen treffen, aber davon abhängen, ob sich die bestehenden Firmen klarer positionieren können und attraktive Ware anbieten.»

Wie schwierig es ist, in der Schweiz eine neue Modekette aufzubauen, zeigt die italienische Oviesse, welche in ehemaligen ABM-Läden eingezogen ist. «Der Roll-Out-Phase bläst ein rauer Wind ins Gesicht, sie fällt in ein schwieriges Jahr für Textilmarken, die sich im hart umkämpften unteren Preissegment positionieren», sagt Ernst Pfenninger, Mediensprecher der Globus-Gruppe. Globus ist der Schweizer Franchisenehmer von Oviesse. Die Erwartungen seien bis jetzt noch nicht erfüllt. Einige Geschäfte würden sich aber sehr gut entwickeln und das Ziel von einer Umsatzleistung von 5000 Fr. pro Quadratmeter übertreffen. Bis Ende Jahr soll das Filialnetz trotz der Anlaufschwierigkeiten auf 28 Läden ausgebaut werden. Im Gegensatz zu Oviesse ist Zara allerdings Fashion-orientierter und als Markenname auch bekannter. Oder wie es Textilspezialist Giehler ausdrückt: «Zara steht für Mode.»

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