Mit der Lista Office Group geht ein weiteres Schweizer Traditionsunternehmen an einen chinesischen Investor. Der Büromöbel-Hersteller mit 330 Mitarbeitern wird künftig aus der Provinzstadt Anji in Ostchina geführt.

Die Zhejiang Henglin Chair Industry Co., Ltd. wurde 1998 von Wang Jianglin gegründet und stieg seither zum grössten chinesischen Exporteur von Bürostühlen auf. 2015 verkaufte Henglin nach eigenen Angaben über 6 Millionen Bürostühle in mehr als 80 Länder. Der jährliche Umsatz beträgt umgerechnet gut 300 Millionen Franken. Zum Vergleich: Lista setzte im letzten Jahr nach eigenen Angaben gut 100 Millionen Franken um.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Firma produziert in China mit 3'000 Mitarbeitern neben Bürostühlen auch Sofas und Massagesessel. Zu den Henglin-Kunden gehören laut Firmenwebseite ausländische Konzerne wie Ikea, Carrefour und Walmart, aber auch der chinesische Techgigant Huawei.

St. Galler Büromöbelfirma Lista Office wird chinesisch

Der neue Besitzer Zhejiang Henglin hat grosse Pläne für den Traditionshersteller. Am Standort Schweiz wollen die Chinesen offenbar festhalten.

Henglin selbst ist an der Börse Shanghai mit einer A-Share vertreten, also einer Aktie, die in der Landeswährung Renminbi gehandelt wird. Dabei hält die Familie des Firmengründers Wang weiterhin eine Mehrheit.

Wang Jianglin

Wang Jianglin: Der Gründer kontrolliert die Firma nach dem Börsengang weiterhin.

Quelle: ZVG

«Glorreiche Errungenschaften»

Henglin will nach eigenen Angaben zum «führenden Gesundheitssitz-Hersteller der Welt» aufsteigen und verspricht auf der Webseite «weitere glorreiche Errungenschaften». Allerdings muss sich auch der Möbelproduzent momentan mit dem chinesisch-amerikanischen Handelskonflikt beschäftigen.

Im Januar berichtete die «Epoch Times» (ein chinakritisches Portal in New York), dass sich Henglin um Produktionsstandorte im Ausland bemühe – wie dies derzeit viele A-Share-Firmen der Volksrepublik tun –, um drohende US-Sonderzölle auf chinesischen Waren zu umgehen.

Tatsächlich hatte das Möbel-Unternehmen schon im November beschlossen, 48 Millionen Dollar für den Aufbau einer Produktionsstätte in Vietnam auszugeben. Der Schritt in die Schweiz könnte durch den Handelsstreit danach noch beschleunigt worden sein.

Verwaltungsrat bewilligte 500 Millionen Yuan

Ende April gab der Henglin-Verwaltungsrat in einem Börsen-Statement bekannt, dass er bis zu 500 Millionen Yuan Renminbi bewilligt habe, um einen «führenden Anbieter von Office-Systemlösungen in Übersee zu erwerben»; das entspricht rund 72 Millionen Franken.

Ob diese Summe für den Lista-Deal bereitgestellt wurde, wollte das Unternehmen nicht kommentieren. Über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart. Es sei «ein marktüblicher Preis», sagt Lista-Sprecher Sven Bradke. Jedenfalls habe die Unternehmensfamilie Lienhard nie auf den Preis geachtet: Man habe bewusst, gezielt, lange und mit Beratern einen strategischen Partner gesucht. Es gehe darum, die Marke Lista international auf eine neue Stufe zu bringen. 

Auch nach eigenen Angaben strebt Henglin mit Lista internationales Wachstum an, wie es in einer Mitteilung zur Übernahme heisst. «Mit der Internationalisierung soll ein neues, vielversprechendes Kapitel der Firmengeschichte geschrieben werden.»

Mehr Arbeitsplätze in der Ostschweiz?

Franziska Lienhard Nava und ihr Vater Fredy A. Lienhard seien überzeugt, dass die gewünschte Internationalisierung mit der Unternehmerfamilie Wang erfolgreich angegangen werden kann, heisst es weiter. Sie verfolge – trotz unterschiedlicher kultureller Prägung – gleiche unternehmerische Ziele und Werte.

Die anders gefärbte Firmenkultur von Henglin zeigt sich in diesem Werbevideo von 2013:

Der Werkplatz Schweiz soll unter chinesischer Führung erhalten bleiben, sagt die bisherige Lista-Führung. Mit der geplanten Auslandstrategie sei sogar ein Ausbau geplant. Die Chancen auf mehr Arbeitsplätze seien sicher höher als bei jeder anderen Lösung, so Fredy A. Lienhard zum «St.Galler Tagblatt». «Chinesen sind sehr interessiert an Swissness und an Design.»