Der Genuss einer ausgereiften Havanna gehört zweifellos zum Besten, was man Nase und Gaumen bieten kann. Das Problem ist nur, den optimalen Zeitpunkt zu erwischen. Ein- bis zweimal die Woche gönne ich mir eine alte Havanna, die nach allem, was ich von ihr weiss Konsistenz am Tag des Kaufs (also fühlen, sehen, riechen), Sorgfalt des Händlers sowie der eigenen Lagermöglichkeiten ihren Peak erreicht haben müsste. Als ich mir kürzlich eine Selección Privada von Partagás aus dem Humidor nahm, fiel ich jedoch aus allen blauen Träumen.

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In der Blüte der Reife

Obwohl es sich bei dieser Lonsdale sonst um eine sichere Bank in Bezug auf Langlebigkeit handelt, war sie bereits nach sechs Jahren gekippt. Die Partagás schmeckte leicht «strohig». Von einer subtilen Entwicklung im Rauchverlauf, die kubanische Zigarren gegenüber den meisten anderen so überlegen macht, waren nur noch Nuancen zu erahnen. Interessant war jedoch, als ich anschliessend noch eine ältere Selección Privada probierte. Diese präsentierte sich in der Blüte ihrer Reife. Das Beispiel zeigt einmal mehr: Natürliche Schwankungen können eben nicht jedes Jahr durch Tabake alter Ernten ausgeglichen werden.

Orson Welles, einst einer der berühmtesten Zigarren-Raucher Hollywoods, trieb die Jagd nach grossen Havannas auf die Spitze. Seine regelmässigen Kontrollanrufe bei den weltweit wichtigsten Händlern waren gefürchtet. Er liess die Verkäufer vor Ort schnuppern und den Duft beschreiben. Im Zweifel tauchte er dann aber selbst im Geschäft auf und verlangte, alle Kisten zu öffnen. Weigerte sich ein Händler, dann brüllte er herum, bis der Mann einknickte. Letztlich kaufte Welles vor allem grossvolumige Havannas wie die Montecristo A. Es war zum einen der hohe Tagesverbrauch des bulligen Regisseurs bis zu zehn Churchills und zum anderen die damals hochwertigeren Tabake, die das Umkippen seiner Havannas verhinderten.

Heute sind kubanische Zigarren bei weitem nicht mehr so langlebig wie früher, und dennoch sollten sie mehr denn je im Humidor liegen. Noch immer verlassen sie zu jung ihr Heimatland. Umso wichtiger ist es, sie richtig zu beurteilen: Riecht eine Havanna nach Ammoniak, dann ist davon auszugehen, dass der Tabak zu frisch den Fermentationsstapeln entnommen wurde. Durch längeres Nachreifen lässt sich in jedem Fall eine Verbesserung erzielen, aber das Resultat dürfte kaum eine grossartige Zigarre sein. Nahezu optimal sind die Aussichten, wenn die Havannas im Duft etwas jawohl! an feuchte Babywindeln erinnern.

Jedes Alter hat Qualitäten

Der kritische Blick auf das Brandende zeigt die Qualität der Machart. Die Blätter müssen möglichst gleichmässig über den Querschnitt verteilt sein. Eine solche Havanna wird sich bereits nach zwei Jahren von ihrer Schokoladenseite zeigen. Ihren Peak erreicht sie mit etwa sechs Jahren, wobei manche einige Jahre auf hohem Niveau verharren, andere bereits nach einem Jahr spürbar nachlassen. Es empfiehlt sich deshalb, ein- bis zweimal im Jahr zu probieren. Jedes Alter hat seine Qualitäten. Ausnahmen sind die Jahrgänge 2000, 2001 und teilweise auch 2002. In diesem Zeitraum war der Anteil an «Havanna 2000» sehr hoch, jenem Tabak, der den Reifeprozess bremst oder sogar verhindert und den Kuba vom Markt genommen hat.

Der Besitzer einer Premium-Marke brüstete sich kürzlich, seine Zigarren würden sogar 100 Jahre alt. Das kann ja sein - aber schmecken tun sie dann mit Sicherheit nicht mehr.