Die Lage war grossartig, die Vorfreude gross, die Strassennachbarn hiessen Gucci, Hermès und Louis Vuitton: Als sich das Schweizer Luxuswäscheunternehmen Zimmerli im November 2017 an nobelster Lage in Hamburg ansiedelte, war die Erwartungshaltung von Zimmerli-Chef Marcel Hossli hoch.

Doch jetzt gibt es am Neuen Wall keine Zimmerli-Business-Unterhemden für 89 und keine Edelslips für 52 Euro mehr. Die Hamburger Boutique wurde geschlossen, dem Zimmerli-Shop in Basel geht es in absehbarer Zeit gleich. Den letzten Schlüsseldreh nimmt allerdings nicht mehr der langjährige Chef Hossli vor; er hat die Traditionsmarke letzten Monat verlassen, wie Zimmerli bestätigt.

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Zwei Weltkriege überlebt

Die Firma mit Gründungsdatum 1871 hat zwei Weltkriege, die Wirtschaftskrise von 2008 und den Ansturm der Billigkonkurrenz überlebt. Jetzt folgt das, was auch alle anderen Branchen umtreibt: die digitale Transformation. Wenn die Mieten zu hoch oder die Frequenzen zu tief sind, geht die Rechnung nicht mehr auf.

Die Flächen in Hamburg und Basel würden «aufgrund der neuen Ausrichtung» aufgegeben, sagt Zimmerli-Sprecherin Sonja Baumann: «Wir wollen unsere Umsätze vermehrt in digitale Kanäle und andere Flächenformate verschieben.

Untätig blieb die Traditionsfirma nicht. Vor zwei Jahren erprobte Zimmerli ein neues stationäres Format namens Touchpoint in Zürich. Die Idee: Eine Boutique auf kleinster Fläche, Kunden probieren und kaufen edle Teile – die dann nicht mitgenommen, sondern ausschliesslich zugesandt werden. Ohne durchschlagenden Erfolg, sagt Baumann: «Eine Hälfte der Kunden war begeistert, die andere bevorzugte es, die Einkäufe gleich mitzunehmen.»

Zudem entfiel ein wichtiger Luxuseffekt: Tütentragende Kunden als zweibeinige Gratiswerbung in der City. Mit eigenen Läden werde das Format Touchpoint nicht expandiert, «es kann sein, dass wir das Konzept bei Partnern, etwa Warenhäusern, installieren werden».

Künftig wird Zimmerli die Online-Verkäufe forcieren, stärker auf Shop-in-Shops in Warenhäusern und die elf Monoboutiquen setzen, die weltweit von Franchise-Partnern geführt werden.

Unterwäsche bald massgeschneidert?

Festhalten will die Firma an ihrer Tessiner Manufaktur in Mendrisio, wo 55 Angestellte rund 75 Prozent aller Zimmerli-Produkte herstellen. Wie Insider berichten, soll es in der Zimmerli-Besitzerschaft Gedankenspiele gegeben haben, die teure Schweizer Manufaktur aufzuheben und ins Ausland zu verschieben.

Beim Unternehmen selber will man nichts davon wissen: «Diese Manufaktur macht uns einzigartig», sagt Baumann, man könne von dort aus schnell auf Kundenwünsche reagieren. Kommt dazu, dass das Label Zimmerli of Switzerland natürlich von einer Schweizer Produktion lebt – und von Know-how im eigenen Haus.

Möglicherweise wird das noch wichtiger. Es gibt Überlegungen, via Digitalisierung massgeschneiderte Unterwäsche anzubieten. «Das ist durchaus eine Idee bei uns», sagt Baumann. Vermutlich aber erst, wenn eine neue Zimmerli-Chefin oder ein neuer Chef antritt. Die Suche läuft.

Zimmerli, Horgenglarus, Diamir

Zimmerli ist eine Schweizer Firmenperle im Textilbereich, gegründet 1871. Fachleute schätzen den Umsatz auf rund 20 Millionen Franken. 2007 ging Zimmerli, vorher von den Schweizer Unternehmern Hans und Walter Borner gehalten, an die Holding der deutschen Familie von Nordeck. Ziel: Aufbau einer Schweizer Manufakturkollektion. Dazu gehörten auch die Möbelfirma Horgenglarus und die Skibindungsfirma Fritschi (Diamir).

Im Oktober 2017 wurde das Firmentrio umgetopft. Zimmerli, Horgenglarus und Diamir wurden in die neu gegründete Markus von Nordeck Holding mit Sitz in Glarus eingebracht. Gemäss Handelsregisterauszug waren dem Präsidenten Markus Werner Johann Freiherr von Nordeck zu Nordeck die drei Firmen «mindestens 30 Millionen, jedoch maximal 60 Millionen Franken» wert.

Andreas Güntert
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