Der Schweizer Markt ist wahrlich kein Zuckerschlecken für die hiesige Zuckerwarenindustrie. Jährlich verlieren die insgesamt elf Firmen mit rund 1100 Beschäftigten im Schnitt 5% des Inlandverkaufs an ausländische Importeure. Hauptkonkurrent ist Deutschland. Franz Urs Schmid, Geschäftsführer des Schweizer Verbandes der Schweizer Zuckerwarenindustrie Biscosuisse, erwähnt die «Gummibären-Welt», die immer mehr «Schweizer Kinder froh macht». Und nicht nur das: Auch «Erwachsenen»-Produkte wie Fisherman's Friend finden hier zu Lande regen Absatz. «Die Importprodukte werden mit massiven Kampagnen in Printmedien und Fernsehen beworben», stellt Schmid fest. Man denke nur an den über Generationen hinaus bekannten Haribo-Werbeträger Gottschalk.

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Es scheint fast so, als ob die Schweizer Zuckerwarenindustrie ihren inländischen Marktanteil mehr oder weniger kampflos abtritt. Von allen konsumierten Süssigkeiten in der Schweiz stammte 2002 nur noch jedes dritte Produkt aus dem Inland. Die Absatzzahlen belegen den Sinkflug: Im Jahr 2000 wurden noch 8589 t an Süsswaren wie Bonbons, Kaugummi und Marzipan abgesetzt. In diesem Jahr dürften es laut Branchenkennern nur noch 7275 t sein. Das entspricht einem Rückgang von über 15% innerhalb dreier Jahre.

Zu heiss für Bonbons

Jakob Lanz, Geschäftsführer der Zile Bonbons in Rupperswil, will den erneuten Rückgang der Inlandverkäufe 2003 nicht allein auf die starke ausländische Konkurrenz zurückführen. Der heisse Sommer habe die Lust auf Süsses bei den Kunden vergehen lassen. Zudem hätten Handelsstrukturbereinigungen zu einer weiteren Korrektur der Absatzzahlen nach unten geführt.

Und trotzdem vergeht Jakob Lanz der Optimismus nicht. Die Zile Bonbons, umsatzmässig um einige Ränge hinter Marktleaderin Ricola einzuordnen, dürfte auch das Jahr 2003 mit ordentlichen Zahlen abgeschlossen haben. Das glauben Kenner der Branche Zile gibt keine Geschäftszahlen bekannt. Das Rupperswiler Unternehmen generiert im weitaus lukrativeren Exportgeschäft die dringend benötigten Umsätze. Die Zuwachsrate im Export bewegt sich laut Geschäftsführer Lanz im Vergleich zum Vorjahr im zweistelligen Bereich. Hauptabnehmerländer sind Italien, Deutschland sowie der restliche EU-Raum, gefolgt vom Fernen Osten und Kanada. Das Erfolgsgeheimnis der Zile Bonbons: Die Fokussierung auf eine Kernkompetenz. In diesem Fall ist dies der Kaubonbon-Bereich, als Spezialität gelten gefüllte Produkte wie Toffees.

Nicht nur Zile Bonbons hält das Umsatzniveau dank dem Exportgeschäft. Der Branchenverband Biscosuisse verzeichnet per Ende September 2003 eine Export-Zuwachsrate der Schweizer Zuckerwarenindustrie von 8,7%. Per 2003, so glauben Branchenkenner, dürfte es sogar noch etwas mehr werden. Der Exportanteil am Gesamtumsatz der Schweizer Hersteller belief sich 2002 bereits auf über 60%, Tendenz stark steigend.

Trotz stark schrumpfender Inlandverkäufe konnte so die hiesige Zuckerwarenindustrie ihren Gesamtumsatz auf einem Niveau von durchschnittlich rund 255 Mio Fr. jährlich halten. Mitte der 90er Jahre belief sich der Gesamtumsatz noch auf 220 Mio Fr. Von 1999 zog er sukzessive an. Im Jahr 2002 betrug er knapp 260 Mio Fr. «Keine Selbstverständlichkeit, dass wir trotz der schwierigen Marktlage auf diesen hohen Level gelangen konnten», kommentiert Schmid.

Ricola lebt vom Export

Marktleaderin Ricola, deren weltweiter Umsatz 2002 228 Mio Fr. betrug, generiert den wichtigsten Teil ihrer Umsätze ebenfalls im Exportgeschäft. Laut Verwaltungsratspräsident Felix Richterich liegt der Ricola-Absatz in der Schweiz unter 20%. Als Hauptabnehmerregion nennt er Europa, auf Platz 2 liegen die USA, gefolgt von 40 weiteren Ländern. Weitere Zahlen gibt Ricola nicht bekannt.

Die Umsatzzahlen sind das eine, die Ertragslage das andere. Laut Branchenkennern ist davon auszugehen, dass die elf Schweizer Hersteller kaum Gewinne einstecken konnten. Denn die Schweizer Zuckerwarenindustrie ist auf stetige Produktinnovationen angewiesen, deren Entwicklung Investitionen erfordert. Es ist wichtig, so Schmid, neue Produkte zu bringen, bevor demodierte aus dem Sortiment gestrichen werden. Verschiedene Hersteller arbeiten zurzeit an Produkten mit Zusatznutzen. Ein Bonbon etwa soll nicht nur gut schmecken, sondern gleichzeitig frischen Atem verleihen und eventuelle Halsentzündungen zum Verschwinden bringen. Kaugummis andererseits müssen mehr als nur den Bewegungsdrang des Kiefers befriedigen, sondern auch zur Zahnreinigung beitragen und womöglich gar zu einem weisseren Gebiss verhelfen.

Wer schliesslich ein durchschlagendes Produkt entwickelt hat, der kann sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. «Schon nach kurzer Zeit hat sich der Markt an das neue Produkt gewöhnt. Sobald diese Trendwende eingesetzt hat, muss die nächste Innovation lanciert werden können», weiss Franz Urs Schmid. Nur ganz wenige Produkte verfügten über jahrzehntelange Haltbarkeit im markentechnischen Sinn. Bestes Beispiel: Das klassische Ricola-Bonbon.

Ein weiteres Beispiel, von dem sämtliche Hersteller profitieren: Zuckerfreie Produkte. Diese haben sich, trotz Haribo und Konsorten, einen festen Platz in den Schweizer Regalen sichern können. Ebenso bestimmend ist ihre Rolle im Exportgeschäft: Bereits über die Hälfte aller ausgeführten Produkte ist zuckerfrei. Das Hauptabnehmerland: Deutschland.

Setzt sich Konzentration fort?

Branchensprecher Franz Urs Schmid rechnet damit, dass sich die elf Schweizer Hersteller auch künftig gegen die harte Konkurrenz behaupten werden können. «Trotz dem schwierigen Umfeld sind wir vorsichtig optimistisch», protokolliert der Biscosuisse-Geschäftsführer. An baldige Fusionen kleinerer mit grossen Herstellern glaubt er nicht. Die Übernahme von Halter Bonbons durch die Dibona Holding sei nicht als Anzeichen für eine Konzentration zu verstehen, zumal die Halter Bonbons AGweiterhin als unabhängige Unternehmung am Markt auftreten werde. «Die Übernahme erfolgte, weil bei Halter kein Nachfolger in Sicht war», so Schmid.

Anders beurteilt Ricola-Verwaltungsratspräsident Felix Richterich die aktuelle Lage. Er glaubt, dass aufgrund der Internationalität der Süsswarenbranche und der Fusionsbewegungen im Ausland mit einer fortgesetzten Konzentration zu rechnen sei. Gut möglich, dass auch die Schweizer Hersteller davon erfasst werden.

Schweizer Zuckerwarenindustrie: 2000 2001 2002 *2003

Gesamtumsatz (in Mio Fr.) 258,2 253,8 258,7 259

Gesamtabsatz (in t) 23766 22568 22166 23075

Exporte (in t) 15177 14438 14508 15800

Inlandverkauf (in t) 8589 8085 7658 7275

* Schätzung «HandelsZeitung»

Quelle: Aussenhandelsstatistik/HandelsZeitung