Wir haben uns ja eine dicke Haut zugelegt bei vielen Meldungen der letzten Zeit, die man eigentlich für unmöglich hielt, bis sie sich doch als wahr herausstellten – aber viele haben schon geschluckt, als Donald Trump vor einem knappen Jahr Robert Redford für seine netten Worte dankte.

Begierig zitierte er sie: «Ich bin froh, dass er da ist, denn weil er so ist, wie er ist, und sagt, was er sagt, und es so sagt, wie er es sagt», habe der Schauspieler über ihn gesagt. «Ich glaube, es bringt Bewegung in die Dinge, und das ist dringend nötig. Denn auf der anderen Seite ist es so fade, so langweilig, so leer.»

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Clint Eastwood hat angekündigt, für Trump zu stimmen

War dies derselbe Redford, den wir seit einem halben Jahrhundert kennen? Der in der Wolle gefärbte Liberale, für Waffenkontrolle, für die Homo-Ehe, für das Recht auf Abtreibung? Oder ritt ihn der gleiche Teufel wie Eastwood, der verkündete, er werde wohl Trump wählen? Derselbe Eastwood, der jeden amerikanischen Krieg seit Korea verdammt hatte, die Tierrechtsbewegung unterstützt und dem das republikanisch-christliche Geschwafel gestohlen bleiben kann, ist er doch Buddhist?

Das Redford-Zitat war korrekt, wenn auch unvollständig. Er hatte seine Antwort auf die Frage, was er von Trump halte, nämlich so begonnen: «Er tritt dermassen von einem Fettnäpfchen ins andere, dass ich daran zweifle, ob er aus all den Näpfchen wieder herauskommt.» Redfords Sprecher legte nach, der Schauspieler habe zwar Vergnügen an der Figur Trump, unterstütze aber nicht seine Präsidentschaftskandidatur.

Prominente sprechen sich für Clinton aus

Es gibt wieder Listen von Hollywoodprominenten, die sich für den einen oder anderen Kandidaten aussprechen, und wie üblich ist die Liste der demokratischen Unterstützer um ein Vielfaches so lang wie die der republikanischen. George Clooney ist für Hillary, Kim Kardashian und Kanye West, Robert DeNiro und Jane Fonda, Dustin Hoffman und Beyoncé, Jessica Alba und Lady Gaga, Katy Perry und Sean Penn, Steven Spielberg und Snoop Dogg.

Wer fehlt, ist Robert Redford. Ihm war der Herdentrieb schon immer ein Gräuel, und das gilt auch für die beinahe reflexhafte Unterstützung des Demokraten in jedem Präsidentschaftsrennen durch das Establishment der Filmstadt.

Als Redford begann, war Hollywood erzkonservativ

Dabei ist Redford alt genug, das Gegenteil erlebt zu haben. Als er 1960 seine Karriere begann, war Hollywood ein Hort des Erzkonservatismus. Das änderte sich, als die jungen Wilden die Stadt übernahmen, Paul Newman und Jack Nicholson, Francis Ford Coppola und Sydney Pollack, Martin Scorsese und Robert Altman. Und eben Redford. Ein kompletter Austausch der Eliten.

Kaum hatte sich Redford mit der Komödie «Barfuss im Park» und dem Western «Butch Cassidy und Sundance Kid» als Sonnyboy und Frauenschwarm etabliert, blond und sportlich, abstinent und rauchfrei, stürzte er sich schon in die Weltverbesserung.

Einer seiner grossen, in Vergessenheit geratenen Filme ist «Bill McKay – der Kandidat»: Redford will Senator werden, weiss aber, dass er gegen den Amtsinhaber keine Chance hat. So lässt ihm seine Partei freie Hand (wie die Republikaner Trump), er stilisiert sich als Anwalt des kleinen Mannes (wie Trump), und diese Anti-Establishment-Attitüde zeitigt Erfolg in den Umfragen (wie bei Trump).

«Krankheiten, um dieses Land in Flammen zu sezten»

Damit enden allerdings die Parallelen, denn Bill McKay ist gut aussehend, idealistisch und integer. Ein kaum verhülltes Abbild des Robert Redford, wie er einmal war, mit dem Glauben, der ihn einst beseelte: der Hoffnung, eine Veränderung zum Besseren sei möglich, Demokratie müsse gewagt werden.

«Wir ignorieren komplett die Tatsache, dass diese Gesellschaft durch Angst, Hass und Gewalt geteilt ist», sagt sein Bill McKay 1972. «Wir haben den Rassismus nicht diskutiert. Wir haben Armut nicht diskutiert. Kurz gesagt, wir haben über keine der Krankheiten geredet, die dieses Land in Flammen setzen könnten.»

Ohne Effekt in der Gesellschaft

Redford hat versucht, darüber zu reden, in grossartige Filme verpackt. Er drehte in den Siebzigern den ersten Öko-Western («Jeremiah Johnson»), den ersten CIA-Verschwörungsthriller («Die drei Tage des Condor») und natürlich «Die Unbestechlichen». Redford war hinter den «Washington Post»-Reportern schon her, als Nixon noch nicht zurückgetreten, das Enthüllungsbuch noch nicht geschrieben war.

«Ich dachte, es sei eine wichtige Geschichte», sagte Redford vor einigen Jahren mit der Weisheit des Alters. «Ich lebte damals in dem naiven Glauben, wenn ich eine Geschichte per Film gut erzählen und in die Öffentlichkeit bringen würde, könnte ich in der Politik etwas verändern. Aber ich musste im Lauf der Zeit lernen: Nein, nein, du erzielst keinen Effekt. In der Mode – vielleicht. Ich trug in ,Butch Cassidy' einen Schnurrbart und plötzlich wurden Schnurrbärte Mode.»

Aus Hollywood

Im Gegensatz zu den Kardashians und Gagas unserer Zeit hat er früh die rote Linie überschritten, die zwischen labern und handeln. Redford wuchs in Los Angeles auf, und so war die Stadt, auf die der Rest der Welt mit Sehnsucht blickte, ihm nie ein magischer Ort, bloss eine von Grundstücksentwicklern verschandelte Betonwüste.

Redford entdeckte das (damals noch) unberührte Utah für sich, kaufte von einer seiner ersten Gagen zwei Morgen Wildnis und baute eine Holzhütte. Inzwischen besitzt er 5000 Morgen (1250 Hektar) und entzieht sie ganz bewusst der Bewirtschaftung durch die Forstverwaltung, der Kommerzialisierung der Natur.

Lobbyist für den Erhalt der Wildnis

Redford ist ein formidabler Lobbyist für den Erhalt der Wildnis geworden. 20 Jahre – für die übliche Promi-Aufmerksamkeitsspanne eine Ewigkeit – hat er gegen die Ausbeutung des Grand Staircase-Escalante National Monument gekämpft, einer 7500-Quadratkilometer-Fläche in Utah, bis Präsident Clinton ein Naturschutzgebiet daraus machte. Zehn Jahre tobte der Kampf um die Keystone-Pipeline von Kanada nach Texas, und als Präsident Obama sie schliesslich verbot, war das eine weitere Feder an seinem grünen Hut.

Kürzlich wurde Redford die Ehre zuteil, Ziel einer Schmutzkampagne zu sein, mit der eine PR-Firma im Auftrag von Big Oil Umweltaktivisten zu diskreditieren versuchte. Und ja, seine erste öffentliche Äusserung mit den Worten «globale Erwärmung» stammt aus dem Jahr 1989.

Die Independents gehen auf Redford zurück

1980 gewann Redford mit seinem Regiedebüt «Eine ganz normale Familie» den Oscar. Es war auch die Wendezeit, als der gesellschaftskritische Ansatz des New Hollywood in die totale Kommerzialisierung des Blockbuster-Kinos umkippte, dank Spielberg und Lucas. Redford gründete damals das Sundance-Institut, wo Regisseure ein Filmemachen jenseits der Formel lernen sollten, und sechs Jahre später waren die ersten Früchte beim Sundance-Festival in Park City zu sehen, in Redfords adoptiertem Heimatstaat Utah.

Ein Jahrzehnt lang blühte die Independentszene, bis Hollywood auch die Indies korrumpiert hatte und immer bescheidenere Filme mit immer höheren Summen köderte.

Es gab Zeiten, wie in den Nullern, als Redford ein halbes Jahrzehnt unsichtbar blieb, als habe er resigniert, doch in den vergangenen vier Jahren war er in gleich acht Filmen zu sehen. Er hat eine «Selbst wenn die Erde morgen unterginge, würde ich heute noch ein Bäumchen pflanzen»-Haltung adoptiert: «Ich habe nur die Idee aufgeben müssen, mir einzubilden, dass ich den Unterschied ausmachen könnte.»

Redford wird weitermachen

So gibt es mit ihm den Gefängnisreformfilm «Brubaker», an dessen Ende er von den Sträflingen donnernden Applaus erhält, und den Afghanistankrieg-kritischen «Von Löwen und Lämmern». In «The Company you keep» erinnert er an die Weather Men, Amerikas R.A.F, und «Der Moment der Wahrheit» thematisiert George W.s Vietnam-Drückebergerei. Es ist wieder ein Journalistenfilm, wie «Die Unbestechlichen», aber auch Ausdruck von Redfords Desillusionierung mit der vierten Gewalt und den Eliten generell, und an diesem Punkt trifft er sich mit Eastwood.

Redfords Trump-Äusserung spricht Bände von seiner Frustration über eine Gesellschaft, die immer tiefer in Wogen des Obskurantismus versinkt und sich einem Retter an den Hals wirft, der noch mehr Dunkelheit als Licht der Aufklärung verkauft. Doch Redford wird weitermachen, wie der Einhandsegler in «All is lost», seinem besten Film seit 20 Jahren, der jenseits aller Schiffsrouten auf einem sinkenden Boot ausharrt und alles in seinen schwachen Kräften Stehende tut, dem Untergang zu trotzen. Das Ende bleibt offen, aber man muss fürchten, dass die Wellen die Oberhand behalten.

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