Diese Woche war ich auf einer Konferenz. Das Thema tut nichts zur Sache. Es geht mir diesmal um die Form. Auf einer Konferenz, auf einer Tagung, auf einem Symposion oder wie auch immer man eine solche Veranstaltung nennt, kommen Leute zusammen, um sich in der Regel auf einem gewissen fachlichen Niveau über bestimmte im Konferenzprogramm klar formulierte Fragen auszutauschen, also etwa über Diabetes bei Meerschweinchen und neue Ansätze seiner Therapie.

Es kann auch um Kants Kategorischen Imperativ und seinen Einfluss auf das internationale Seerecht oder demografische Folgen der Partnersuche im Internet gehen. Es ist völlig egal, womit die Konferenzen sich beschäftigen. Sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen.

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Aufgelisteten Spiegelstrich-Merksätzen

Der Grund für diese Uniformität ist die Power-Point-Präsentation. Sie trägt neben dem Konferenzenglisch am meisten dazu bei, dass man Konferenzen nicht mehr voneinander unterscheiden kann.

Nun muss ich zugeben, dass es Power-Point-Präsentationen unterschiedlichen Niveaus gibt. Aber das Gros besteht doch aus aufgelisteten Spiegelstrich-Merksätzen, Balken- und Tortengrafiken sowie dem einen oder anderen Foto meist symbolischer Art. Die Referenten sind offenbar von der Angst gepeinigt, das Publikum könnte vom blossen Fluss der Rede überfordert sein.

Peinlicher Humor

Auch begegnet man oft einem ausgesprochenen Unwillen, von Unfähigkeit will ich gar nicht sprechen, die eigenen Gedanken und Argumente in flüssigem Redestrom vorzutragen. Oft beschränken sich die Vortragenden darauf, einfach vorzulesen, und zwar zuweilen in nuschelnder, verhaspelter Weise, was der Beamer an die Wand projiziert.

Zum Standard gehört auch ein humorvoller optischer Abschluss der Präsentation, also zum Beispiel Immanuel Kant mit Piratenaugenklappe. Es gibt Menschen, die einen grossen Teil ihres Lebens in dieser Konferenzwelt verbringen.

Kirchen sind Residuen

Es ist gut, dass das Power-Point-Prinzip bislang wenigstens in den Kirchen und den Parlamenten noch nicht zur Herrschaft gelangt ist. Hier hört man in aller Regel noch Predigten und Reden, die zwar nicht immer von funkelnder Brillanz sind, doch immerhin vollständig aus gesprochener Sprache bestehen.

Aber das sind Residuen. Es wird Zeit, der Power-Point-Präsentation den Kampf anzusagen. Ich plädiere dafür, schon Schüler daran zu gewöhnen, ohne Beamer-Krücke einen Gedanken vorzutragen und die nötige Farbe und Anschaulichkeit durch Sprache, nichts als Sprache zu erzeugen.

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