Dieses Motorrad sieht aus wie ein Amerikaner, und fast stimmt das auch. Ein US-Designstudio in Kalifornien hat das Dickschiff entworfen, wobei Moto Guzzi es gern sähe, wenn die MGX-21 in Amerika noch amerikanischer als der US-Patriotismus selbst rüberkäme. Danach sieht die neueste Moto Guzzi auch aus.

Sie hat einen Radstand so endlos wie eine Schweigeminute, und ihren besten Auftritt legt sie hin, wenn sie vor sich hinrollt wie die ruhige Kugel auf der Bowlingbahn. Damit wird Moto Guzzi der uramerikanischen Harley-Davidson nicht einmal nahe kommen – imagemässig jedenfalls.

Technisch aber schon. Mindestens. Kommt dem neuen Italoamerikaner eine enge Kurve vor den Lenker, dann rückt die MGX mit einer Überraschung heraus. Sie macht’s genau wie Elefant, Nilpferd und Rhinozeros, wenn’s brennt: Sie kann plötzlich sehr flink.

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Die Moto Guzzi MGX-21 bietet brauchbare Wendigkeit

Mit der MGX sind zwar Cruiser-untypische Schräglagen drin. Dennoch, vor kurz angebundenen S- und Wechselkurven sollte der Guzzi MGX-Fahrer alles fallen lassen, was beim Kurvenkratzen mit anderen Motorrädern geholfen hat. Es ist nicht gut, sich gegen 365 Kilo Gewicht (vollgetankt) und einen Radstand von happigen 1,70 Metern aufzulehnen.

Es hat auch keinen Sinn, sich mit Knie und Oberkörper in die Kurve zu legen. Motorräder dieses XXXL-Kalibers nehmen Kurven ähnlich wie Pendel, wenn sie die Richtung wechseln. Es gilt, im richtigen Augenblick den Lenker fester zu packen. Dann ziehen.

Damit kippt die Fuhre erst über den Lenkkopf ab, worauf sie dann brav dem vorausrollenden Vorderrad hinterhermarschiert. Unter den Dickerchen von Harley-Davidson oder den Harley-Kopien aus Japan gibt die MGX zwar nicht die Ballerina, aber wenn es einmal einen Gebirgspass hinauf und wieder runter gehen muss, ist die MGX eines der wenigen Dickschiffe, die brauchbare Wendigkeit plus Bodenfreiheit für Schräglagen mitbringen.

Eine Variante der historischen, legendären Baureihe California

Wie die Eldorado und die Audace ist die MGX-21 eine Variante der historischen, legendären Baureihe California. Der monströs fette V2 mit 1380 ccm tritt trotz gewaltiger Kolben und Zylinder als Muster an Laufkultur auf.

Die geradezu unglaublich geschmeidige Nähmaschinenmechanik stammt aus einer der besten Ingenieurhochburgen der Motorradwelt: aus dem Entwicklungszentrum der Guzzi-Konzernschwester Aprilia in Noale bei Venedig. Knapp 97 PS, ein Drehmoment von 121 Nm – so viel Druck, so viel Temperament beim Beschleunigen, so viel Drehfreude kann in dieser Klasse keiner besser.

Flying Fortress ist bei diesem Motorrad nicht übertrieben

Aber grosse Kerls wie kleine Kerlchen machen mit der MGX dieselbe Erfahrung: Das Riesenteil fährt mit ihnen Motorrad, nicht umgekehrt. Der Respekt vor der Fuhre stellt sich schon beim Schwenk vom Seitenständer in die Waagerechte ein: Oha! Der seitliche Schriftzug Flying Fortress, also Fliegende Festung, ist kaum übertrieben, zumal es sich hinter der mächtig ausladenden Frontverkleidung anfühlt wie ein Panzerkommandant mit aufgeklapptem Lukendeckel vor der Brust.

Zwei Rundinstrumente liegen im Blick, die beiden Lautsprecher der serienmässigen Stereoanlage, dazu das ganze Schalterarsenal für den Tempomaten, die Bluetooth-Connectivity für die App vom Handy, mithin der ganze Kram für Leute, die beim Motorradfahren die grosse Langeweile überkommt. Das kann schon mal vorkommen bei 100 Meilen geradeaus, wie in den USA üblich.

Im Stil eines Baggers entworfen

Guzzi-Designer Miguel Galuzzi hat die MGX im Stil eines Baggers entworfen. Bagger wie «bag», und wirklich ist der fett bekofferte, aber adrette Hintern das Schönste an der MGX. Zwar sind die Kofferdeckel aus Carbon wie auch das Schutzblech und die meisten Abdeckungen. Aber weder links noch rechts passt ins aufgeklappte Heck ein Helm hinein.

Die MGX-21 macht vor der Haustür so viel Eindruck wie ein abgekippter Berg Briketts: ein mächtiger, energiegeladener schwarzer Haufen, das Feuerrot der Zylinderkopfdeckel und der Brembo-Bremszangen ausgenommen. Die funktionieren so kritikfrei sauber wie der Kardan, das Fahrwerk, der hervorragende Motor.

Qualität und Verarbeitung sind auf dem hohen Niveau der Konkurrenz, teilweise sogar darüber. Aber das Stärkste an ihr sind nicht ihre Fahrkünste, nicht der historische Guzzi-V2, erst recht nicht der vergleichsweise moderate Preis (23'000 Euro, Nebenkosten inklusive).

Das Stärkste an ihr ist die italoamerikanische Mischung zwischen Guzzi und US. Oder die Show einer Ikone, die keine Allerwelts-Harley ist.

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