Als wir Deutschen dann selbst von den Österreichern keine Punkte erhielten, war der Abend gelaufen für Ann Sophie und mich und die üblichen Verdächtigen, die sich bei mir auf Facebook zusammenfanden.

Auch Sängerkriege sind Kriege, und auch wenn die meisten sich an diesem Abend scheinheilig gegen Krieg und für den Frieden aussprachen und die Liebe sangen ... Wen wollen die mit ihrem Friedensgetue veralbern?

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Sollen sie doch mal anfangen bei sich und ihren Jurys und ihrem Heimpublikum. Denn die wählen. Und sie haben für Italien, Schweden und Russland gestimmt – und damit gegen uns. In meiner Facebook-Gruppe war klar: Wer nicht für uns, der ist nun mal gegen uns, das ist das eherne Gesetz des grossen Eurovision Song Contest.

Zum Beispiel «Spiegel»-Mann Nils Minkmar. Er versuchte auf seiner Seite, das Ergebnis schönzurechnen. Eine schwarze Null. Netter Kalauer – in der Praxis eine Unverschämtheit.

Drei italienische Schmalzlappen

Hat sich einer von diesen angeblichen europäischen Friedensfreunden mal gefragt, wie wir uns fühlen? Wie das bei uns ankommt? Wie das ist, wenn man keinen einzigen Punkt kriegt?

Ich glaube, an diesem Abend ist die Idee Europa ein für alle mal zu Grabe getragen worden. Da schuften wir uns ab und geben unsere D-Mark her für den Euro und pauken die südlichen Nachbarn raus – und was ist der Dank? 

Die Leute wählen einen Schweden, wählen drei italienische Schmalzlappen, die Amore schmettern, und im Hintergrund liegen antike Säulen herum und anderer Hausrat vor einem blutroten Himmel, als ob unsere Mütter, die in der 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ihren Urlaub in Rimini machten, als ob sie nicht wüssten, was sie von solchen Schwüren halten durften und dass diese Amore-Troubadoure ihr Zeug nie aufräumen würden.

Apropos Süden. Das einzig Bemerkenswerte war höchstens der Kostümwechsel der Spanierin auf offener Bühne: Ratsch ratsch flog das rote Kleid und drunter hatte sie kaum was an.

Wie die Brünhild von der Reeperbahn

Nein, nach diesem Eurovision Song Contest hab ich keine Lust mehr auf Europa. So springt man mit dem Fußballweltmeister 2014 nicht um. So nicht. Es ist doch nicht unsere Schuld, dass wir so viel besser spielen als alle anderen. Und auch noch besser aussehen. Wie Ann Sophie bewiesen hat. Schon ihr Rücken hätte gewinnen müssen.

Und Barbara Schöneberger. Sie stand am Schluss der Party in Hamburg mit Wikingerhörnern auf der Bühne, wagnerisch und blond wie die Brünhild von der Reeperbahn. Sie hat sich ihre Verzweiflung nicht anmerken lassen.

Sie hat ihren Kummer – so sind wir Germaninnen und Germanen – tapfer heruntergeschluckt und erst hinter der Bühne leise ein paar Worte an Wotan gerichtet. «Opfer?», hab ich verstanden, und ein wenig lauter und entgeisterter «Wie viele?»

Prompt haben natürlich die Leitartikler wieder die Schuld bei uns gesucht. Haben die im Windkanal getesteten Liedchen der anderen bewundert.

Moment, wer war im Windkanal bei den österreichischen Skispringern zu Gast? Ann Sophie? Nun, das war nur für diese Pausenfilmchen, die da ständig eingeblendet wurden. Und eine Verbeugung an die österreichischen Gastgeber, die trotz eines brennenden Klaviers ebenfalls keine Punkte erhielten. Die wahrscheinlich diesmal für den letztjährigen Gewinner abgestraft wurden, die Nervensäge Conchita Wurst, der aus politisch korrekten Gründen heraus der Sieg nicht verweigert werden durfte. Und die auch an diesem Abend alle fertig machte.

Am Ende gewann ein 08/15-Schwede

Da lag eine ganze Weile Russland in Führung, und Conchita setzte sich mit ihrem aufgemalten Bart neben Polina Gagarina, ja, genau, eine Urenkelin des ersten russischen Weltraumpiloten Juri Gagarin. Da setzte sie sich also neben diese blonde, sehr ansehnliche Marilyn-Bombshell aus Moskau, die schon ganz aufgelöst war und ihre Tränen betupfte, und Conchita fragte die Frage der Fragen, nämlich, wie sie sich nun fühle.

«Ganz überwältigt», schluchzte Gagarina, und fortan bekam sie kaum noch Punkte, und ihr Vorsprung vertröpfelte, je länger Conchita da herumsass, und am Ende gewann ein 08/15-Schwede mit einem 08/15-Song.

Soll so die neue Weltordnung im Bereich Singen/Unterhaltung/Show aussehen? Nichtssagende sozialdemokratische Welt- und Wohlstandskritik in Jeans und grauem T-Shirt, die kalkulierte Anti-Glamour-Nummer?

Dann schon lieber, wie heisst der Typ noch mal, der jetzt vergessen wird, na egal, also Conchita Wurst. Mit falschen Wimpern und falschen Gefühlen.

Vielleicht ist es eine Sache des Alters. Für mich hört sich das mittlerweile alles gleich an. Ralph Siegel hat ja auch nichts gewonnen mit seiner Kandidatin, und der ist schon länger dabei als der HSV in der Bundesliga, also geschätzt seit 1850, und immerhin Sieger-Komponist mit Nicole, und die sang, ähm, «ein bisschen Frieden», also ich habe nicht behauptet, dass sich textlich sehr viel geändert hätte.

Noch während der Auszählung soll von der Leyen einige Panzermanöver an den deutschen Grenzen angeordnet haben, aber dann ist ihr eingefallen, dass wir gar keine fahrbereiten Panzer haben.

Ich bin auch gegen solche kriegerischen Demonstrationen. Und schlage vor, dass wir uns nächstes Mal mit einem bunten Torwandschiessen bewerben.

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