In den ersten zwei Monaten des Jahres 2015 erlebten wir in der Schweiz nicht nur die Aufhebung des Mindestkurses gegenüber dem Euro, sondern wir wurden auch Zeugen einer «Innovation» auf dem Getränkemarkt: Das neue Rivella Grün ist da. «Was für ein schönes, nachträgliches Weihnachtsgeschenk von Rivella» (steht wörtlich so auf der Rivella-Homepage). Mit diesem Geschenk wird es uns ermöglicht, «den Durst auf leichte und natürliche Art zu löschen». Das neue Rivella schmeckt «noch frischer, denn der ausgewogene Grüntee-Geschmack wird mit einer Zitronennote verfeinert». So wird 2015 trotz des starken Frankens bestimmt zu einem glücklichen Jahr für viele Menschen in der Schweiz.

Das neue Rivella Grün ist ein typisches Beispiel dafür, was viele Innovationen in der Wirtschaft tatsächlich sind: Pseudodiversifikationen von bestehenden Produkten. Eine echte Innovation war die Einführung von Rivella Rot im Jahre 1952, dessen Erfolg bis heute anhält. Weil Rivella Rot aber nicht wenige Kalorien hat, kam bald die Light-Version Rivella Blau «für den unbeschwerten und leichten Genuss» dazu.

Damit hatte es sich für lange Zeit, und die Schweizer Bevölkerung trank von 1958 bis 1999 mit schöner Regelmässigkeit viel Rivella Rot und etwas Rivella Blau. Ende der neunziger Jahre hatte man bei Rivella aber das Gefühl, der Konkurrenz auf dem hart umkämpften Getränkemarkt mit «Innovationen» begegnen zu müssen. Diese bestanden darin, dass man das traditionelle Rivella mit zusätzlichen Geschmacksnoten versah. Zuerst kam Grüntee (das ursprüngliche Rivella Grün), dann Soja (das inzwischen wieder verschwundene Rivella Gelb), dann Rhabarber und Pfirsich (Rivella Cliq) und jetzt also das neue Rivella Grün. Dieses soll das nicht sonderlich erfolgreiche bisherige Rivella Grün durch Hinzufügung einer Zitronennote bei den Konsumenten beliebt machen.

Rekombination von bereits existierenden Stoffen und Inhalten

Die ständige Entwicklung neuer Rivellas ist nur ein Beispiel für eine Tendenz, die wir auf vielen Märkten beobachten. Was uns heute grossartig als Innovation präsentiert wird, ist häufig nur eine Rekombination von bereits existierenden Stoffen und Inhalten. Genauso können wir das auf dem Zeitschriftenmarkt sehen. So gab es in Deutschland eine Zeit, in welcher «Der Spiegel» die Bezeichnung für ein wöchentlich erscheinendes Magazin war. Doch inzwischen ist «Der Spiegel» zu einem Überbegriff für eine ganze Reihe von Zeitschriften geworden. Neben dem traditionellen Heft namens «Der Spiegel» gibt es inzwischen auch «Dein Spiegel» (eine digitale Version), «Der Spiegel Geschichte», «Der Spiegel Wissen» und einen «Kultur Spiegel», in denen in endlosen Variationen die stets gleichen Inhalte neu aufbereitetet werden.

Alle diese Pseudodiversifikationen sind nicht durch existierende Bedürfnisse der Menschen, sondern durch Marketingstrategien getrieben. Man versucht, durch künstliche Vielfalt den Konsum in gesättigten Märkten anzukurbeln. In seltenen Fällen funktioniert das sogar. Auf Dauer lassen sich Konsumenten allerdings nicht täuschen. Sie merken sehr wohl, dass in allen Zeitschriften stets dasselbe steht und dass Rivella nicht besser wird, wenn man es mit Grüntee oder Soja mischt.

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