Dass Reisen bildet hat uns schon Goethe gelehrt. So könnte man die Reise von zigtausend Managern zum Hotspot Silicon Valley auch als Bildungsreise verstehen. Innerhalb von einer Woche tourt man durch das Tal der Zukunft und erhält Einblick in die zahlreichen Start-ups und Unternehmen, tauscht sich über das nächste grosse Vorhaben aus, ist technologisch in zukünftigen Sphären unterwegs und trifft auf Macher, die in dieser Welt wahrhaft Spuren hinterlassen wollen. Kurzum, man atmet die «alles ist machbar Luft».

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Zurück aus dem technologischen Abenteuerland, gibt es die Unternehmer, die ihre Eindrücke mit Mitarbeitern und Kunden teilen und sich «digitalisieren». Die anderen beschreiben alarmierend Untergangsszenarien, und die Dritten haben sich dem Erlebnis gar nicht erst ausgesetzt. Sie bleiben lieber in ihrer eigenen Welt.

Das ist kein Trend, der vorübergeht

In der ersten Stufe der Digitalisierung ist der Zug an Deutschland vorbeigerauscht, so die breite Einschätzung in Wirtschaft und Politik.
Die nächste Etappe der digitalen Reise wird im Silicon Valley bereits geplant: die Vernetzung von Maschinen und Geräten. Milliarden von Objekten werden miteinander kommunizieren. Schätzungen gehen von 50 Milliarden bis zu 200 Milliarden Geräten bis 2020 aus.

Das Internet der Dinge wird vieles verändern: wie wir arbeiten, leben, wirtschaften oder denken. Wir werden die Entwicklung zu einer smarten Industrie und Infrastruktur erleben. Die Veredelung von gigantischen Datenmengen in smarte Daten führt zu neuen Märkten und Geschäftsmodellen - gepaart mit künstlicher Intelligenz in allen Facetten. Alles in allem haben wir es mit einer drastischen Umwälzung zu tun. Einer Revolution sagen viele.

Digitale Entdeckungsreise oder Survival Trip?

Nun ist die Digitalisierung in Deutschland angekommen - eine Standortbestimmung läuft auf Hochtouren. Und noch immer scheint die digitale Abenteuerlust in den Unternehmen nicht so ausgeprägt wie man den Medien entnehmen kann: Fast jedes dritte DAX 30 Unternehmen steckt mit dem bisherigen Geschäftsmodell in der Krise und ist mit Vergangenheitsbewältigung befasst. Und in der mittelständischen Wirtschaft liegt die Innovationsquote nur noch bei 37 Prozent. Innovationsaktivitäten werden zugunsten kurzfristiger Projekte schlichtweg verschoben. Und die Zahl der gewerblichen Existenzgründungen geht in Deutschland kontinuierlich zurück.

Sind wir auf einer digitalen Entdeckungsreise oder einem Survival Trip? Diese Frage kommt auch auf, wenn Share-Economy-Modelle und -Plattformen zu einem Verteilungskampf führen, wenn Roboter und Künstliche Intelligenz demnächst in alle Industriezweige und Branchen vordringen und den Menschen die Grundlage der Erwerbstätigkeit entziehen sollten. Wenn der Treibstoff des 21. Jahrhunderts, Daten, von Dritten, jederzeit angezapft oder gar gekapert werden kann - wie aktuelle Beispiele zeigen - und Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit massiv gehindert werden.

Fahrt ins Neuland

Zeit sich zurückzulehnen bleibt keine, aber gegen eine gute Reiseplanung ist auch nichts einzuwenden. Sehen wir die Digitalisierung als Chance, aber mit der Option, dass es viele Wege gibt, um ans Ziel zu kommen.

Geben wir den Unternehmern, die ihre Mitarbeiter von «den Ketten lassen», die zeigen das Veränderungswille und Industrietradition kein Widerspruch sind, mehr Raum. Sprechen wir mehr von den Start-ups, die sich über das Land verteilen und die nicht verrückt sind, wenn sie an grossen Ideen arbeiten. Wecken wir die Verharrungswilligen und Bewahrer auf, indem wir mehr und lauter diese Erfolgsgeschichten erzählen, in denen Gründergeist herrscht und Mittelständler oder auch Konzerne gemeinsam neu denken. Klopfen wir denen auf die Schulter, die im ersten Anlauf nicht ihre Unternehmensidee verwirklichen konnten, trotzdem wieder an «The next big thing» arbeiten. Nutzen wir die Stärken, die eine breite Industriekultur hervorgebracht hat: komplex zu denken und Lösungen zu entwickeln für den digitalen Wandel. Und nehmen endlich richtig Geld für die Entwicklung gesellschaftlicher und infrastruktureller Rahmenbedingungen in die Hand.

Oder mit den Worten von Bitkom-Vizepräsident Ulrich Dietz: «Wenn es denen gelingt, Geschäftsideen mit digitalen Themen zu entwickeln, dann wird aus einem Laden mit 20'000 Mitarbeitern einer, der Gewinne schreibt und 50'000 Leute beschäftigt.»

Wenn das gelingt, wird viele das Reisefieber packen.

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