Sie haben auch nicht mitbekommen, dass heute Welt-Spartag ist? Und selbst wenn, wäre Ihnen der Gedanke, zu dieser Gelegenheit einen Extraschein auf die Bank zu tragen und aufs Sparbuch einzuzahlen, einfach fremd? Gratulation, denn dann sind Sie auf der Höhe der Zeit. Sparen gilt einfach als uncool – aller merkelschen Sparrhetorik zum Trotz.

Nicht nur in der Politik, die das Wort sparen ohnehin schon seit Jahrzehnten für ungebremstes Schuldenmachen missbraucht. Auch die Bürger legen seit Jahren kontinuierlich weniger auf die Seite. Natürlich ist es im Augenblick auch wenig attraktiv, Geld auf die hohe Kante zu legen: Die Zinsen sind rekordniedrig, die Inflation frisst sie in der Regel komplett auf. Aber das allein ist es nicht, was die Deutschen von ihrer sprichwörtlichen Tugend des Sparens so entfremdet hat. Die Finanz- und Schuldenkrisen der vergangenen Jahre haben weit Schlimmeres angerichtet.

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Verkürzte Fristigkeit des Denkens und Handelns

Die Fristigkeit des Denkens und Handelns hat sich extrem verkürzt. Warum soll ich mich über viele Jahre hinweg einschränken, wenn man sich mit guten Gründen fragen kann, wie sicher unsere Währung und die Werthaltigkeit des Geldes eigentlich sind? Da scheint es einfach rational zu sein, es sich heute gut gehen zu lassen und sein Geld zu geniessen. Vielleicht für ein paar neue Möbel oder eine zusätzliche Urlaubsreise. Seine Träume heute zu verwirklichen scheint ungleich attraktiver zu sein, als für eine ungewisse Zukunft vorzusorgen.

Der Hedonismus hat sich Bahn gebrochen in gesellschaftliche Gruppen, für die ein finanzielles «Laissez-faire» vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Und die Politik darf sich gleich doppelt freuen: Denn der Staat ist einerseits der grösste Profiteur der Niedrigzinsen, kann sich so billig verschulden wie nie zuvor. Und zugleich rettet die anhaltende Kauflaune der Bundesbürger die Politiker vor dem Eingeständnis, dass sie selbst in den vergangenen Jahren viel zu wenig getan haben, um die Weichen Richtung anhaltende Prosperität zu stellen.

Der Konsum als Heilsbringer

Der Konsum avanciert zum Heilsbringer, wird quasi zu einer neuen ersten Bürgerpflicht. Denn wer spart, statt sein Geld auszugeben, schadet der Konjunktur. Wichtig scheint vor allem zu sein, dass es heute brummt. Dass Millionen Deutsche gerade dabei sind, jede Chance auf ein angemessenes Alterseinkommen zu verspielen – egal. Sparen ist in die Zukunft verschobener Konsum, heisst es im Volkswirtschaftsstudium. Eine Idee, die durchaus faszinieren kann. «Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!», formulierte der Volksmund diese Erkenntnis eigentlich noch treffender.

Es ist deshalb bestimmt kein Zufall, dass der Welt-Spartag auf den Herbst gelegt wurde. Die Zeit der Ernte, aber auch ein Blick in die Natur zeigen, dass Vorsorge und Masshalten kein Anachronismus sind. Der Spargedanke findet beim Eichhörnchen mit seinem Wintervorrat ebenso ein Sinnbild wie ehedem in der Praxis des Einkochens von Gemüse und dem Einkellern von Kartoffeln. Mensch und Tier sorgten für Vorräte für die harten Tage des Winters. Vielleicht hatte der Spargedanke bei den Deutschen ja auch wegen der ihnen nachgesagten Naturromantik lange Zeit eine so intensive Verankerung.

Nun mögen das Einkellern spätestens ab Januar keimender Kartoffeln und der Genuss vom Einkochen zermatschter und farblos gewordener Früchte im Zeitalter moderner Lagertechnik und allgegenwärtiger Handelslogistik obsolet geworden sein – aber beim Geld gibt es eben keine Alternative.

Wer nichts zurücklegt, hat auch nichts

Wer nichts zurücklegt, hat auch nichts. Fantasielos, öde, lustfeindlich? Eine Erkenntnis, die übrigens den Erfolg der Menschheit in ihrer Geschichte vielfach erst möglich gemacht hat. Ohne ihn wäre uns wohl kaum der Sprung von einer Jäger-und-Sammler-Kultur zur Landwirtschaft gelungen – einem Leben übrigens, das zunächst viel härter und entbehrungsreicher war als das vorherige.

Sparsamkeit wird immer gern als fantasielos, als öde und lustfeindlich abqualifiziert. Aber Sparsamkeit muss nicht Last sein, sie kann auch Freude machen. Wer spart, setzt sich Ziele. Wer spart, glaubt an die Zukunft. Und wer spart, verschafft sich selbst ein Gefühl, das uns eigentlich so wichtig ist: das Gefühl der Sicherheit. Das Wissen, auch härtere Zeiten mithilfe der eigenen Rücklagen überstehen zu können und nicht sofort von der Gunst anderer abhängig zu sein, es allein durchstehen zu können, sorgt für Unabhängigkeit.

In diesem Sinne ist Sparsamkeit also ein konstituierendes Element von Freiheit. Und was kann man sich Schöneres schenken als das Gefühl, frei zu sein und frei entscheiden zu können? Zur Bank werde ich es heute nicht mehr schaffen. Aber mein Sparschwein werde ich heute Abend noch mit einem Extraschein füttern. So viel Freiheit gönne ich mir, mag es auch noch so unmodern sein.

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