Eine wohnt sehr zentral in der Stadt Zürich und ist an die Geräusche der Stadt, gelegentlich vorbeiziehende Demonstrationen oder Blaulichter unterschiedlichster Provenienz gewöhnt. An manchen Abenden kommt aber etwas seltsames hinzu: spontanes Aufschreien, kollektives Stöhnen oder Seufzen. Nicht einzelner Personen unter dem Fenster, sondern aus undefinierbar vielen Kehlen. Das hat nichts mit den üblichen zwischenmenschlichen Situationen zu tun – es ist «high football time».

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Bei grossen Spielen wie zum Beispiel der Champions League versammeln sich die Fussballfans in – und sehr gern auch vor – den einschlägigen Lokalen, diskutiert das Geschehen und reagieren gemeinsam. Eine wundert sich, dass Menschen, egal welcher Generation oder Ethnie, egal ob Frau oder Mann, so im Gleichklang reagieren. Ein Ball, der sein Ziel nicht erreicht, löst einen kollektiven Aufschrei aus, einer, der am Tor vorbei geht, einen tiefen Seufzer - dem nicht zu entnehmen ist, ob aus Erleichterung oder Enttäuschung. Die Menschen in diesen willkürlich zusammengewürfelten Gruppen kennen sich mehrheitlich nicht, reagieren aber ähnlich.

Ein kollektives Bewusstsein?

Heisst das jetzt, dass Menschen ein kollektives Bewusstsein haben? Das würden sie dann aber bei Krisen und Gewaltexzessen von Minderheiten gut verstecken. Es könnte auch sein, dass sie alle einem Leithammel, sozusagen dem «ersten Stöhner» folgen – damit haben aber schon so einige Staaten im Laufe der Zeit schlechte Erfahrungen gemacht und eigentlich ist die Schweiz da ja recht immun.

Ist es simple Gruppendynamik? Gut erforscht und abzuhaken unter «so ist es eben»? Oder entscheiden alle für sich allein und zufällig zum gleichen Zeitpunkt? Eine hohe und während eines Spiels häufig wiederkehrende Glanzleistung der Beteiligten.

Eine findet es toll, dass Menschen, die sich fremd sind, auf diese Art und für kurze Zeit zu einer Gruppe werden und lässt sich manchmal sogar davon anstecken. Wenn das «Gruppe sein» aber auch das gewaltsame Abreagieren des Frustes nach einem verlorenen Spiel der favorisierten Mannschaft einschliesst, dann ist es wohl doch eher die Sache mit dem Leithammel, denn das kollektive Bewusstsein – denkt sich Eine.

 Die Kontributoren sind externe Autoren und wurden von bilanz.ch sorgfältig ausgewählt. Ihre Meinung muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.