Der Terror will aufgeklärte Gesellschaften aus der Vernunft reissen. Die IS-Barbarei von Brüssel, bei der am Dienstag Dutzende Menschen ermordet wurden, sehnt sich nach der existenziellen Verwundung des freien, offenen Europas. Angst, Unsicherheit und Hass sollen regieren. Nichts dürfte für diese neue Generation von Terroristen frustrierender sein als die westliche Unerschütterlichkeit, auf dem freiheitlichen Miteinander zu beharren – trotz «9/11», trotz London, Madrid und zuletzt Paris.

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Die Aktienindizes reagieren ruhig, das Leben in den anderen Metropolen geht weiter, das Posten von Solidaritätsadressen hat eine traurige Routine bekommen. Aufklärung und stoische Gelassenheit gehören seit der Antike zusammen.

Die Feigheit und Erbärmlichkeit der Taten aber wirft Fragen nach den Qualitätsstandards der Polizei- und Geheimdienstarbeit in Europa auf, insbesondere in Belgien. Trotz der Verhaftung des Paris-Attentäters am Freitagabend wurde erst nach den Anschlägen am Dienstag die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen.

Auch Polizei in der Verantwortung

Schon bei der Aufklärungsarbeit der französischen Behörden, wie es zu den 130 Toten von Paris kommen konnte, wurden massive Vorwürfe gegen die Behörden in Brüssel laut. Lächerlich ist, dass in Belgien bis vor Kurzem keine Hausdurchsuchungen zwischen 21 Uhr und fünf Uhr morgens erlaubt waren. Über Jahre haben die jeweiligen belgischen Regierungen zugesehen, wie ein Stadtviertel zum Tummelplatz gewaltverliebter Islamisten wurde. Die Schlächter von Paris wohnten fast alle in Molenbeek. Der Drahtzieher lebte dort nahezu unbehelligt bis vergangenen Freitag.

So zivilisiert und unerschrocken die Europäer auf den Terror reagieren, so gross sollte die Empörung über den Dilettantismus der Polizeiarbeit werden. Der moderne Terror ist ein Kind der Globalisierung. Die Täter nutzen modernste Kommunikationstechnologien, um ihre Netzwerke über den Globus zu spannen. Polizei und Sicherheitsdienste müssen diese Strukturen spiegeln.

Es darf nicht sein, dass Länder wie Belgien, das schon mal als «failed state» («Politico») bezeichnet wurde, brandgefährliche Missstände wie die in Molenbeek zulassen. Die Folgen haben nicht nur die Belgier zu tragen, sondern auch die europäischen Nachbarn.

Erst Sicherheit macht Freiheit möglich

Emotional sind die Europäer in der Bedrohung näher zusammengerückt. Wie nach den Anschlägen von Paris dominiert die Solidarität. Das ist schön, aber die Wehrhaftigkeit der Demokratien muss grösser werden.

Dazu gehört auch, europaweit die Etats für innere Sicherheit zu erhöhen. Auch Deutschland muss überprüfen, ob es – belastet durch die Flüchtlingskrise – über genug Polizeikräfte an Flughäfen und Bahnhöfen verfügt. Unsere Sicherheitskräfte müssen unterstützt werden, um die Sicherheit zu garantieren, die Freiheit erst möglich macht.

Belgien soll Unterstützung bekommen

Diejenigen, die jeden Anschlag nutzen, um ihn für eigene Ressentiments zu instrumentalisieren, folgen der Logik des Terrors und dessen Diktat vergifteter Emotionen. Die Demokratie braucht stilles Pathos und kühle Strategen. Den Belgiern müssen besser aufgestellte Europäer helfen, Rückzugsorte wie in Molenbeek zu beseitigen.

Europa ist ein Kontinent der Rechtsstaatlichkeit. Jeder rechtsfreie Raum kann in Zeiten gefranchister Terrorzellen und autonom agierender Extremisten die Keimzelle für Anschläge sein, an deren Ende tote Väter, Mütter, Kinder, Geliebte, Freunde, Mitbürger liegen. Wir brauchen eine unaufgeregte Kompromisslosigkeit gegen diese Art von Terror.

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