Ihre Kunden sind keine Personen, sondern Banken. Genauer gesagt die mehr als 200 eigenständigen Raiffeisenbanken, die zusammen mit Raiffeisen Schweiz die Raiffeisen Gruppe bilden. «Das Departement Raiffeisenbank Services erbringt Dienstleistungen für die Raiffeisenbanken und ist so etwas wie eine Verbindungsstelle zwischen den Banken und Raiffeisen Schweiz», erklärt sie. In ihren Verantwortungsbereich fallen auch die beiden Sitze von Raiffeisen Schweiz in der Westschweiz und im Tessin. «Diese Präsenz vor Ort ist für uns sehr wichtig, um unsere Supportfunktionen für die Raiffeisenbanken auch in den Sprachregionen wahrnehmen zu können», sagt Helen Fricker, die fliessend französisch spricht. 

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Dabei ist es eigentlich dem Zufall zu verdanken, dass sie nach dem Studium der Arbeits- und Organisationspsychologie im Banking landete, wo sie zunächst als Coach und Führungstrainerin bei der Kantonalbank in Zürich startete. «Es hätte damals auch jede andere Firma aus einer beliebig anderen Branche sein können», sagt sie und lacht. Da es nun aber das Banking geworden war und sie ein besseres fachliches Fundament haben wollte, absolvierte Helen Fricker nebenberuflich an der Universität St.Gallen das EMBA und am IFZ einen Lehrgang in Bankleitung. Obwohl sie in Zürich studierte und tätig war, ist sie in der Ostschweiz mit Herz und Familie tief verwurzelt. 

Daher zögerte sie nicht lange, als sich vor über zehn Jahren der Einstieg bei Raiffeisen Schweiz bot, wo sie zunächst die Managemententwicklung leitete, danach in die Strategieberatung wechselte, später die Bankenbetreuung verantwortete, nun seit über drei Jahren dem Departement Raiffeisenbank Services vorsteht und heute als einzige Frau bei Raiffeisen Schweiz Einsitz in der Geschäftsleitung hat. «Es ist ein erklärtes Ziel des Managements, mehr Frauen in Führungsfunktionen und natürlich auch in die Geschäftsleitung zu holen, aktuell bin ich allerdings die einzige», sagt Helen Fricker. Doch es gebe beispielsweise in ihrem Departement schon drei Frauen auf der nächsten Managementebene, erklärt Helen Fricker, die es seit dem Studium gewohnt ist, oftmals die einzige Frau unter Männern zu sein. «Das ändert sich aber nur langsam», sagt die Vorgesetzte von mehr als 400 Mitarbeitenden. 

Als Führungsperson gewährt sie ihren Leuten vor allem das, was sie selbst auch einfordert: möglichst viel Gestaltungsfreiraum und Verantwortung. Dabei sind auch Fehler erlaubt, denn «wir stehen ja nicht am OP-Tisch, wo Menschen sterben können», sagt sie. Bei ihr dürfe man Fehler machen, aber man müsse auch dazu stehen. «Ich möchte eine Kultur entwickeln, wo auch heikle Themen auf den Tisch kommen und Dinge offen angesprochen werden, die nicht so gut laufen», sagt sie. 

Ein Motto, das sie auch im privaten Rahmen ihren beiden Kindern vorgelebt hat. Ihr ist es wichtig, dass sie selbst Verantwortung übernehmen und auch für Fehler geradestehen. Als ihre Tochter vor 24 Jahren auf die Welt kam, wurde der Vater von Helen Fricker gerade pensioniert. Zwei Jahre später erblickte dann ihr Sohn das Licht der Welt. «Meine Eltern haben zu dieser Zeit viel Verantwortung übernommen und sich intensiv um meine Kinder gekümmert. Das gab mir die Gelegenheit, meinen beruflichen Weg gezielt weiterzugehen», erklärt Helen Fricker. Das sei eine Lösung gewesen, die für alle optimal war. Und heute sei es umgekehrt, jetzt sind die Kinder für die Grosseltern da und übernehmen Arztfahrten und Besorgungen für sie. «Aber meine Kinder rechnen natürlich auch damit, dass ich dann später mal ihre Kinder hüte», sagt Helen Fricker. Doch das habe noch etwas Zeit, fügt sie mit einem Augenzwinkern an. 

Wenn man sie fragt, was sie antreibt und was sie so weit gebracht hat, sagt sie: «mein Wissensdurst». Sie liebt es, immer wieder etwas Neues zu lernen, sie liest alles, was sie in die Finger bekommt, und wenn andere über die bevorstehende Pensionierung reden, als sei damit das Berufsleben endlich beendet, schüttelt Helen Fricker nur ungläubig den Kopf. «Dann fängt es doch erst richtig an, dann hat man doch endlich die Möglichkeit, die Sachen zu lernen, für die vorher keine Zeit war», sagt sie, die dann gerne Geschichte studieren möchte. Und natürlich will sie auf jeden Fall in diesen hektischen Zeiten des Umbruchs mit der Digitalisierung Schritt halten – schon wegen der Kinder und der potenziellen Enkelkinder!

Steckbrief

Name: Helen Fricker        
Funktion: Leiterin Departement Raiffeisenbank Services und Mitglied der Geschäftsleitung, Raiffeisen Schweiz (seit 2020)
Jahrgang: 1967
Familie: zwei erwachsene Kinder
Ausbildung: Studium Arbeits- und Organisationspsychologie, IAP ZH; Executive MBA HSG, Universität St. Gallen; Diploma of Advanced Studies Bankleitung (DAS), IFZ LU;

Karriere:
Diverse Führungsfunktionen in der Strategie- und Managemententwicklung bei Raiffeisen Schweiz (2011–2020);
Projektleiterin und Leiterin Personalentwicklung beim Bankenberatungszentrum St. Gallen (1996–2011);
Management-Trainerin und Führungscoach bei der Zürcher Kantonalbank (1996–2000)

Unternehmen: Die Raiffeisen Gruppe ist die Schweizer Retailbank mit der grössten Kundennähe. Die zweite Kraft im Schweizer Bankenmarkt zählt über zwei Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter sowie 3,66 Millionen Kundinnen und Kunden. Die Raiffeisen Gruppe ist an 788 Standorten in der ganzen Schweiz präsent. Die 219 rechtlich eigenständigen und genossenschaftlich organisierten Raiffeisenbanken sind Mitglieder in der Raiffeisen Schweiz Genossenschaft. Raiffeisen Schweiz hat die strategische Führungs- und Aufsichtsfunktion der gesamten Raiffeisen Gruppe inne. Zudem ist Raiffeisen Schweiz gruppenweit für die Risikosteuerung, die Liquiditäts- und Eigenmittelhaltung sowie die Refinanzierung verantwortlich und übernimmt Tresorerie-, Handels- und Transaktionsfunktionen. Die Raiffeisen Gruppe verwaltete per 30. Juni 2023 Kundenvermögen in der Höhe von 247 Milliarden Franken und Kundenausleihungen von rund 219 Milliarden Franken. Der Marktanteil im Hypothekargeschäft beträgt 17,6 Prozent. Die Bilanzsumme beläuft sich auf 288 Milliarden Franken.

Motto: «Ich suche Menschen, die einen Gestaltungsanspruch haben, und sorge für Freiraum.»

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