Es tröpfelt mal wieder. Ein Leak zu russischen Geldern in der Schweiz sorgt für Gesprächsstoff. Die Tamedia-Medien haben zusammen mit anderen internationalen Medienhäusern Daten aus Zypern ausgewertet, die zeigen, welche mittlerweile sanktionierten Russen noch vor kurzem ihre Gelder in der Schweiz parkiert hatten. Bekannte Namen wie Abramovitsch, Usmanov oder Deripaska tauchen auf.

Muss uns das überraschen? Nein. Es ist kein grosses Geheimnis, dass reiche Russen und Russinnen noch vor kurzem gern gesehene Kundschaft bei Schweizer Banken waren. Sie brachten grosse Vermögen mit und hatten Lust auf aktive, aufwendige Vermögensverwaltung. Manche von ihnen lebten in der Schweiz oder hatten hierzulande zumindest ein schönes Chalet. Von so etwas träumen Kundenberaterinnen und Kundenberater jeder Bank.

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Rückblickend ist es einfach, darauf zu verweisen, dass diese Personen «kremlnah» und «politisch exponiert» waren und dass man vielleicht lieber die Finger von ihnen gelassen hätte. Doch vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine war es nicht verboten, mit diesen Russen Geschäfte zu tätigen. Würde man das anders sehen, müssten sich noch ein paar weitere Schweizer Branchen kritische Fragen stellen lassen: Waren Russen nicht jahrelang auch gute Kunden der Hotellerie oder der Uhrenhändler an der Zürcher Bahnhofstrasse? Eben.

Viel spannender an der Tamedia-Recherche ist, was passierte, als die Stimmung kippte. Demnach war die UBS eine der ersten Banken mit grossen Russen-Portefeuilles, die diese Konten aufkündigte – noch bevor die Sanktionen in den USA und Europa ausgesprochen wurden.

Interessant ist nun, wohin die Gelder flossen: Offenbar wechselte ein Teil der UBS-Kundschaft zur damaligen Konkurrentin Credit Suisse, die mittlerweile wieder der UBS gehört. Dass die CS auch diese Kunden noch aufnahm, passt rückblickend zum Bild einer Bank am Rande der Verzweiflung.

Flossen die verschmähten Gelder zu den US-Banken?

Gemäss dem Medienbericht waren es aber auch «westliche Banken» mit «Hauptsitz in London, Paris oder New York», die Vermögen von russischen Kunden übernahmen. Und nicht nur, wie damals spekuliert wurde, Banken im Mittleren Osten, die sich nicht um die Sanktionen scherten.

Flossen die Gelder also just in Länder wie die USA, deren Repräsentanten zur gleichen Zeit mit dem Finger auf Finanzplätze wie die Schweiz zeigten? Das wäre dann wirklich stossend.

Regelmässig forderte der US-Botschafter die Schweiz und die Schweizer Banken auf, stärker gegen russische Kunden vorzugehen, und hantierte damit auch mit hohen Milliardenwerten, von denen bis heute unklar ist, woher sie stammen. Sollten am Ende US-Banken von diesem Druck profitiert haben, wäre das mehr als nur unschön. 

Das alles soll den Schweizer Bankenplatz nicht aus der Verantwortung nehmen. Wer als Bank mit schwerreichen Kunden aus dem Ausland geschäftet, muss diese gut kennen und muss hinterfragen, weshalb jemand die Bank wechselt oder weshalb einer seine Vermögen nicht im Heimatland sondern an einem Offshore-Standort wie der Schweiz verwalten lässt. Sonst ist das Risiko gross, morgen für etwas bestraft zu werden, was man heute noch als unproblematisch angesehen hat.

Michael Heim Handelszeitung
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