Mit der bereits fünften Veröffentlichung des CEX Trendradars nach der Premiere im Jahr 2020 ist die Entwicklung einzelner Trends, die Verschiebung von Prioritäten und die Geschwindigkeit, mit der sich Themen bei den Unternehmen durchsetzen, gut zu sehen. Wie immer basieren die Ergebnisse der beiden Autoren – Prof. Dr. Nils Hafner von der Hochschule Luzern und Harald Henn, CEO Marketing Resultant – auf eigenen Untersuchungen, vielen Gesprächen und Diskussionen, präsentierten Leuchtturmprojekten sowie der Analyse methodisch nachvollziehbarer Studien. Ihre Erkenntnisse fasst Nils Hafner im folgenden Gastbeitrag zusammen:

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«Drei Erkenntnisse aus der Praxis: Die integrierte Steuerung profitabler CX-Projekte wird zum strategischen Imperativ. Marketing Automation und Conversational Automation profitieren besonders von generativen AI-Technologien. Eine unternehmensübergreifende Sicht auf CX und Sprache ist ein erfolgskritischer Faktor. Das sind drei der Erkenntnisse der Studie zur Benutzung von Customer-Experience-Werkzeugen in der Unternehmenspraxis.

Geändertes Konsumverhalten

Die Customer-Experience-Trends 2024 sind geprägt von alten und neuen globalen Krisen und dem daraus resultierenden geänderten Konsumentenverhalten. Die Unternehmen haben sich 2023 jedoch besser auf den Dauerkrisenmodus eingestellt als allgemein erwartet. Auch hat das Thema CX den Druck gesamthaft gut weggesteckt. Auf Basis der fokussierteren Herangehensweise an die Schaffung langfristig profitabler Kundenbeziehungen sind unserer Prognosen für 2023 überwiegend so eingetreten wie erwartet.

Die Entwicklung in einem Thema – Conversational Automation – ist allerdings noch dynamischer verlaufen, als ohnehin schon erwartet.Generative AI hat 2023 geprägt und wird dies auch 2024 tun. Customer Experience befindet sich nach wie vor in gesamtwirtschaftlich unruhigem Fahrwasser. Schaut man sich jedoch die Einschätzungen der Manager zum Einsatz von AI für das eigene Unternehmen an, trifft man auf grosse Erwartungen und Optimismus. Die Rückschläge und teilweise die Stagnation von CX-Initiativen 2022 und 2023 ist der Erkenntnis gewichen, dass CX eine herausragende strategische Bedeutung hat und deshalb trotz aller Widrigkeiten vorangetrieben werden muss.

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Roadmap wird zum Muss

Nutzen und Wirtschaftlichkeit von Projekten und Initiativen nachzuweisen, den Erfolgsbeitrag, die Machbarkeitsbewertung und eine Roadmap für die Umsetzung vorzulegen, wird zum Standard. Themen, die einen schnellen Return on Investment erwarten lassen, haben es selbstverständlich leichter. Für Banken stehen dabei drei Trends im Vordergrund der Entwicklungen: Customer-Journey-Management ist erwachsen geworden. Aus dem ursprünglich reinen Visualisieren und Mapping ist eines der wichtigsten Werkzeuge für CX-Manager geworden.

An den Touchpoints entlang der Customer Journey zeigt sich, wie gut oder schlecht, wie wirksam die CX-Konzepte sind. Customer-Journey-Managementsysteme haben sich stark weiterentwickelt in den letzten Jahren. Sie vereinen die Konzeption der Darstellung und des Designs von Customer Journeys, journey-immanente Customer Analytics und die notwendigen Outside Insights für die Qualitätssicherung. So wird eine übergreifende Orchestrierung und Optimierung der Journeys möglich. Die Systeme bieten eine wertvolle Entscheidungshilfe für das CX-Management in einer Lösung. Customer-Journey-Management ist aus dem CX-Alltag nicht mehr wegzudenken; es hat einen direkten Einfluss auf Umsatz, Wiederkauf, Empfehlungsbereitschaft, Zufriedenheit. Zudem kann es auch zu einer sukzessiven CX-Kulturentwicklung genutzt werden. Die Methoden und Verfahren – vor allem Software-gestützt – entwickeln sich daher kontinuierlich weiter, so unsere Prognose.

CX-Cockpit: «Der Hunger nach Daten wächst»

Mit dem Hunger nach Daten wächst auch der Appetit auf Steuerungsmöglichkeiten aus diesen Daten. So lautete die These der Autoren für 2023. 2024 kommt ein weiterer Aspekt hinzu: das Aufzeigen von Wirkungsketten. Welche Intents haben Kundinnen und Kunden, wie gut oder schlecht werden die Intents erfüllt, wie entsteht daraus die Bewertung in Form des NPS oder des Customer Effort Score. Oder andersherum: Was sind die Treiber für einen guten NPS und wo muss die Bank den Hebel ansetzen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Entscheidend wird es sein, hier einen Schritt weiterzugehen, nämlich zu verstehen, wie Umsätze und vor allem die Entwicklung der Profitabilität des Kundenstamms mit Kennzahlen wie dem NPS zusammenhängen. Grundsätzliche Idee dabei ist ja, dass Kundschaft mit einem hohen NPS auch mehr Produkte kauft oder länger als solche verbleibt – also profitabler ist – als Kundschaft mit einem niedrigen NPS. In manchen Fällen kann es sich empfehlen, die Customer Experience nach dem Aufwand (Effort) der Kundinnen und Kunden und damit nach einer überragenden Prozesseffizienz auszurichten. Das CX-Cockpit schafft hier Klarheit.

Automation durch KI ist attraktiv

Marketing Automation und Conversational Automation wachsen sehr stark weiter; Generative AI ist in nahezu allen Systemen vertreten. Grosses Potenzial in der Erzielung eines guten Return on Investment sehen Unternehmen mehrheitlich im Einsatz von Generative AI, dies sowohl bei der Einsparung von Kosten im Customer Service durch Conversational Automation als auch bei der gezielten Neukundengewinnung durch personalisierte Kampagnen auf der Basis von Marketing Automation. Die Durchdringung fast aller CX-Technologien und unterstützenden Systeme mit AI wird 2024 prägen.

Explosionsartiges Wachstum

Integrationsprojekte bei Customer Data Platforms (CDP) und Customer Analytics und ein explosionsartiges Wachstum bei Conversational Automation prognostizieren wir für 2024. Die Fähigkeit, personalisierte «menschenähnliche» Dialoge basierend auf dem unternehmensspezifischen Wissen zu führen, beschert Conversational Automation weiteren Auftrieb.

Generative AI vor Wachstumsschub

Auch Marketing Automation wird durch Generative AI einen kräftigen Schub erfahren. AI-gestützte, personalisierte, datengetriebene Kampagnen durch Marketing Automation werden rasch an Verbreitung gewinnen. Die Potenziale werden als hoch eingeschätzt, und die Systeme sind mit einem breiten Leistungsspektrum und guter Bedienbarkeit selbst für den kleineren Mittelstand attraktiv. Diese Entwicklung haben wir im letzten Jahr bei unseren Leuchtturmprojekten bereits skizziert; im kommenden Jahr tritt dieser Trend mit noch grösserer Dynamik zutage.

Vernetzung der Daten wird immer wichtiger

Eine vergleichbare Entwicklung sehen die Autoren bei Customer Analytics. Viele Unternehmen setzen bereits Einzel- oder isolierte Systeme für die Messung des Kundenverhaltens ein. Die nächste Phase – ab dem kommenden Jahr – wird in der Erweiterung der Messverfahren, der Vernetzung und der Aufbereitung der Daten liegen. Customer Analytics liefern die Grundlage für Optimierungen in den Customer Journeys vor allem bezüglich Personalisierung und Individualisierung.

Verknüpfungen der Daten nehmen zu

Die schon Ende 2021 prognostizierte Vernetzung der Themen umfasst neu vor allem auch die Vernetzung der Daten. Customer Analytics ist einer der wesentlichen Datenlieferanten; das CX-Cockpit wird verstärkt in die Rolle der CX-Schaltzentrale wachsen. Mehr vernetzte und zugängliche Datenquellen (auch im Sinne einer Enterprise Integration Platform) eröffnen auch einen Zugang zu bislang nicht erhobenen Kennzahlen sowie die Möglichkeit, Kennzahlen in Beziehung zueinander zu setzen. Ein Beispiel dafür könnte ein bestimmtes Customer-Journey-Verhalten in Abhängigkeit vom individuellen Kundenwert sein. Wir prognostizieren für 2024 die Entwicklung weiterer, neuer und vor allem verknüpfter Kennzahlen.

Conversational Automation wird rasant besser

Anders verhält es sich bei Conversational Automation. Bei der stürmischen Entwicklung, die wir 2023 gesehen haben, akzelerieren sich verschiedene Elemente. Zum einen wird die Technologie in grossen Sprüngen schnell besser. Dank grossen Sprachmodellen (Large Language Models wie denen von OpenAI, Google, Meta oder Aleph Alpha) sind viele Bausteine wie Spracherkennung, Sprachdiversität oder Intent-Erkennung (was will der Kunde / die Kundin?) frei zugänglich, und werden von vielen Softwareentwicklern weltweit in grosser Geschwindigkeit weiter vorangetrieben. Das Leistungsniveau wird damit auf breiter Front rasch angehoben.

Fachkräftemangel verleiht AI Rückenwind

Der zweite Treiber für die Dynamik ist der Fachkräftemangel. Es wird zunehmend anspruchsvoller für Customer-Service-Abteilungen Mitarbeitende zu finden. Einfache, homogene Anfragen lassen sich vom digitalen Chatbot-Kollegen heute schon sehr gut erledigen. Erste Vorreiter wie die Helvetia-Versicherungen zeigen das. Kundinnen und Kunden werden sich 2024 bei Banken sehr schnell an diese Technologie gewöhnen, da sie einfach zu bedienen ist und sich damit häufig von den bisherigen Plattformen unterscheidet. Eine solche Akzeptanz wird weitere Banken beflügeln, dem Fachkräftemangel mit Conversational Automation zu begegnen.

Anbindung per API an Kernsysteme

Gesamthaft sind die beiden Autoren der Ansicht, dass 2024 ein Jahr der CX-Umsetzung in ausgesuchten, wirtschaftlich lukrativen Einzelbereichen sein wird. Basierend auf CX-Grundsätzen, die sich aus der Strategie ableiten, werden die Unternehmer schneller und zielgerichteter in ihren CX-Projekten und Initiativen vorankommen. Eine wesentliche Triebfeder wird Generative AI sein. Dort, wo aktuelle und valide Kundendaten vorliegen, wo die Anbindung per API an Systeme (zum Beispiel Kernbankensysteme, CRM-, CDP- und CMS-Systeme) gegeben ist, können die Fähigkeiten zur personalisierten Ausspielung von Content genutzt werden. Marketing Automation und Conversational Automation werden die beiden grössten Nutzniesser sein. Den meisten Banken und Versicherungen steht also ein arbeitsintensives, aber durchaus produktives CX-Jahr 2024 bevor.»

Die Gastautoren

Nils Hafner ist internationaler Experte für den Aufbau und die Entwicklung langfristig profitabler Kundenbeziehungen und Professor an der Hochschule Luzern. Harald Henn ist Geschäftsführer der Marketing Resultant GmbH in Mainz, Deutschland.