Die Credit Suisse als Grossbank ist Geschichte. Verkauft mithilfe des Bundes an die Erzrivalin UBS, die sie fast gratis erhielt. Doch die Geister der alten Credit Suisse werden noch lange nicht ruhen. Dafür sorgt eine lange Liste von Altlasten. Zum Beispiel das Greensill-Debakel.

Noch immer warten Anlegerinnen und Anleger auf rund 2,5 Milliarden Franken aus den Anlagevehikeln, die in den Pleitewirren um den australischen Financier Lex Greensill verschwunden sind. Als es im März 2021 zum Zusammenbruch kam und die Credit Suisse die Fonds schliessen musste, waren 10 Milliarden Franken an Kundenvermögen eingefroren. Inzwischen konnten drei Viertel der Kundengelder ausbezahlt werden. Der Zugriff auf die restlichen 2,5 Milliarden Franken erweist sich als Knacknuss. Die CS hat mehrere Verfahren am Laufen, die sich noch über Jahre hinziehen werden.

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Kurz nach dem Crash im März eröffnete die Finanzmarktaufsicht (Finma) ein Verfahren gegen die Bank, das nach zwei Jahren mit einer scharfen Rüge endete. Die Behörde stellte fest, dass die Credit Suisse «in schwerer Weise gegen die aufsichtsrechtlichen Pflichten verstossen hat». Gleichzeitig kündigte die Finma an, gegen «vier ehemalige Manager» der Bank separat ein sogenanntes Enforcement-Verfahren einzuleiten.

Wie Recherchen vom «Sonntagsblick» und dem Online-Finanzmedium «Tippinpoint» ergaben, läuft ein Verfahren gegen Thomas Gottstein, den per Ende Juli 2022 zurückgetretenen ehemaligen CEO der Bank. Das bestätigen mehrere mit der Sache vertraute Personen. Gottstein verweist auf telefonische Anfrage an seinen Kommunikationsberater, der eine Stellungnahme ablehnt.

Ein Enforcement-Verfahren ist das schärfste Instrument, das die Finanzmarktaufsicht gegen Personen oder Institute einsetzen kann. Im schlimmsten Fall droht den Betroffenen ein Berufsverbot, Institute können ihre Banklizenz verlieren. Eines der bekanntesten Enforcement-Verfahren wurde gegen den ehemaligen Raiffeisen-Banker Pierin Vincenz geführt. Möglich ist aber auch, dass gar nichts passiert.

Machtkampf zwischen Gottstein und Khan

Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, muss man in die Entstehungsgeschichte dieser Finanzkonstrukte eintauchen. 2015 wurde Tidjane Thiam CS-CEO. Bald entbrannte ein Machtkampf zwischen Thomas Gottstein, dem damaligen Leiter der Schweizer Einheit, und Iqbal Khan, dem Leiter der internationalen Vermögensverwaltung. Beide wollten die Kontrolle über das Assetmanagement, die Vermögensverwaltung für professionelle Anleger wie Pensionskassen.

Khan gewann die Ausmarchung und musste nun einen Leiter für die Abteilung suchen. Nachdem es mit dem ersten Kandidaten nicht geklappt hatte – Thiam legte sein Veto gegen den ehemaligen GAM-CEO David Solo ein –, setzte sich Kahn in den Flieger und holte den Investmentbanker und CS-Veteranen Eric Varvel aus New York (USA) nach Zürich. Dieser entwickelte zusammen mit Michel Degen, dem Schweizer Chef des Assetmanagements, innert weniger Monate die berüchtigten Supply Chain Funds.

Wie sich später herausstellte, wiesen die Fonds mehrere gravierende Konstruktionsfehler auf. So wurden die den Fonds zugrunde liegenden Kredite – es handelte sich um verbriefte Lieferantenforderungen – vom Assetmanagement der CS nur stichprobenartig überprüft. Der zweite Fehler: Es wurden zwar Versicherungen gegen den Ausfall dieser Kredite abgeschlossen. Begünstigte war aber nicht die Credit Suisse, sondern ein Unternehmen aus dem Greensill-Netzwerk.

CS-Pensionskasse hatte Bedenken

Die Fonds kamen im Frühjahr 2017 auf den Markt und wurden aggressiv vermarktet. Bis zum turbulenten Abgang von Khan bei der CS im Sommer 2019 schnellte das Vermögen auf 8,2 Milliarden Dollar hoch. Die Fondsanteile wurden von professionellen Investoren gekauft, der grösste Teil landete aber in den Depots reicher Privatkunden und zum Teil in Vermögensverwaltungsmandaten. Die Fonds wurden nicht überall gut aufgenommen. Die Pensionskasse der Credit Suisse kaufte sie interessanterweise nicht.

Als Philipp Wehle am 1. Juli 2019 die Nachfolge von Iqbal Khan antrat, lagen 8,2 Milliarden Dollar Kundenvermögen in den Fonds. Danach setzte sich das Wachstum fort, bis November kam noch einmal über 1 Milliarde hinzu. Wie die «Sonntagszeitung» schrieb, wurden diese Investitionen wohl noch unter Khan eingefädelt. Das Medium spricht von einem «Versagen» des heutigen UBS-Spitzenmanagers.

Zweifel an den Fonds gab es schon früh. Als die Schweizer Fondsgesellschaft GAM, die ebenfalls Greensill-Fonds im Angebot hatte, in Schieflage geriet, begann die Finma Ende 2018 auch bei der Credit Suisse nachzufragen. Dabei ging es um hoch problematische Investitionen in drei Unternehmen, die über CS-Fonds finanziert wurden. Diese Unternehmen – GFG des indischen Stahlmagnaten Sanjeev Gupta, die US-Kohlemine Bluestone und das US-Startup Katerra – erhielten Geld für Lieferungen, die nicht real waren oder in der Zukunft stattfinden würden oder auch nicht. Reiner Finanzhokuspokus.

Das Geheimnis der Finma

Die Finma schweigt sich darüber aus, ob und warum sie ein Verfahren gegen Thomas Gottstein führt. Es bleibt ihr Geheimnis, warum sie den Konzernchef der Credit Suisse ins Visier nimmt, der zu einem Zeitpunkt CEO wurde, als die Probleme mit den Fonds der Finma bereits bekannt waren – der Mist sozusagen geführt war. Gottstein hat im Februar 2020 die Nachfolge von Thiam angetreten und war in den zwölf Monaten bis zur Schliessung der Fonds in der Rolle des Feuerlöschers.

Es bleibt auch das Geheimnis der Finma, warum sie gegen eine der Schlüsselfiguren beim Aufbau der Fonds nicht nur kein Verfahren eröffnet hat, sondern Khan auch nicht als Auskunftsperson befragte. Khan ist heute einer der wichtigsten Manager der UBS und leitet das Global Wealth Management. Er ist verantwortlich für 3500 Milliarden Dollar Kundenvermögen.

Der Artikel erschien bereits bei «Blick» unter dem Titel «Verfahren gegen Ex-CS-Chef Thomas Gottstein».

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