Ted Truscott, in diesem Jahr wählen die USA einen neuen Präsidenten, und er wird voraussichtlich Donald Trump oder Joe Biden heissen. Welche Auswirkungen hätte die Wahl des einen oder anderen auf die amerikanische Wirtschaft?

Aus Sicht eines Investors glaube ich, dass sowohl Joe Biden als auch Donald Trump gut für die US-Wirtschaft sind. Aber aus unterschiedlichen Gründen. 

Trump senkte die Steuern, er dereguliert – er mag keine Regulierungen, was den Unternehmen gefällt. Trump würde es für viele Unternehmen einfacher machen, in den USA zu agieren. 

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Anderseits hilft Biden der US-Wirtschaft insofern, als dass er viele Stimulierungen für die Post-Covid-Welt veranlasst hat. Bidenomics, wie seine Wirtschaftspolitik genannt wird, ist vor allem eine Industriepolitik. Sie zielt darauf ab, dass die USA selbstständig sind und nicht von der restlichen Welt abhängig sein müssen.

Aus Ihren Ausführungen liesse sich schliessen, dass es für die amerikanische Wirtschaft gar nicht so sehr darauf ankommt, wer die Präsidentschaftswahlen gewinnen wird?

Ich glaube, die amerikanische Wirtschaft wird in guter Form bleiben. Politisch handelt es sich um eine andere Geschichte.

Die Realität sieht so aus, dass Donald Trump eine America-first-Politik und Joe Biden eine Pro-Industrie-Politik verfolgt. In beiden Fällen, Trump und Biden, handelt es sich um eine Pro-US-Ausrichtung.

Sie sagen, politisch sei es eine andere Geschichte, aber ist es nicht so, dass Politik und Wirtschaft immer interagieren? Wie kommt es, dass Sie eine solche Unterscheidung machen?

Ich betrachte es unter dem Aspekt, warum die Inflation immer noch ein Problem ist. Unsere Untersuchungen zeigen, dass sie zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die globalen Volkswirtschaften weniger zusammenarbeiten als noch vor zehn oder gar zwanzig Jahren.

Gesamthaft gesehen glaube ich, dass keiner der beiden besser oder schlechter für die US- oder Weltwirtschaft ist als der andere. Unsere Research-Teams befassen sich mit sämtlichen Bereichen – dazu gehören natürlich auch politische und regulatorische Veränderungen.

Wechseln wir das Thema: Sie sind CEO von Columbia Threadneedle Investments, einem Investmentunternehmen, das mit institutioneller wie auch privater Kundschaft zusammenarbeitet. Unterscheiden sich denn die Investorinnen und Investoren in den USA von jenen in Europa?

Es gibt sowohl Unterschiede als auch Synergien. Was die Synergien betrifft, so beobachten wir eine Nachfrage und entsprechende Möglichkeiten bei Anleihen und Aktien – insbesondere bei Small Caps hier in der Schweiz – sowie bei alternativen Anlagen im Immobilienbereich. 

Allerdings sehe ich auch Unterschiede. In einigen Regionen gibt es wenig oder gar keine Nachfrage nach nachhaltigen Portfolios. Hier in Europa ist die Nachhaltigkeit aber nach wie vor sehr wichtig. Ich kann also durchaus Unterschiede feststellen.

Für Investorinnen, denen nachhaltige Portfolios nicht so wichtig sind: Was ist das Minimalkriterium, das dennoch für eine Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen erfüllt sein muss?

Das ist Teil unseres Investment-Research. Als «Active Investors» ist es für uns das Wichtigste, das Vermögen unserer Kundschaft verantwortungsvoll zu verwalten und ihr Kapital auf Basis solider Forschung und guter Unternehmensführung zu verteilen. Die Kundinnen und Kunden entscheiden aber, worin sie investieren.

Wie sieht es denn im Speziellen in der Schweiz aus? Können Sie uns etwas über die hiesigen Investmenttrends verraten?

Wie schon 2023 zeigt sich ein erstarktes Interesse an festverzinslichen Anlagen, insbesondere Investment-Grade. Wir beobachten auch ein Interesse an Small Caps, vor allem an amerikanischen Small Caps, aber es gibt auch Möglichkeiten bei Large-Cap-Aktien. Wie bereits erwähnt, sind «Responsible Investments» auch hier in Europa ein wichtiger Trend.

Wenn Sie mich aber nach den allgemeinen Investmenttrends fragen, kann ich sagen: «Bonds are back.» Anleihen spielen wieder eine grosse Rolle an den Märkten – nicht zuletzt Staatsanleihen und Investment-Grade-Anleihen.

Sie sind heute in Zürich, einen Tag zuvor waren Sie noch in Mailand, und danach reisen Sie weiter nach Frankfurt. Was ist der Zweck Ihrer Reisen?

Für mich ist es sehr wichtig, viel Zeit mit unseren Kundinnen und Kunden in den verschiedenen Regionen der Welt zu verbringen. Dieser direkte Kontakt ermöglicht es mir, mit ihnen persönlich zu sprechen und über ihre Investmentideen und -wünsche zu diskutieren. Der direkte Kundenkontakt ist ein sehr wichtiger Teil meiner Geschäftstätigkeit und macht sicher etwa einen Drittel davon aus.

Können Sie uns zum Schluss noch etwas zu China sagen: Welche Rolle spielt das Land wirtschaftlich für Sie?

China ist ein riesiger Markt. Diesen nicht zu berücksichtigen, wäre sicher ein Fehler. Es sollte in unser aller Interesse sein, Geschäftsbeziehungen mit China zu pflegen und das gegenseitige Potenzial zu fördern. Ganz generell sind offene Marktbeziehungen immer zu befürworten.


 

Zur Person:

Ted Truscott ist Chief Executive Officer bei Columbia Threadneedle Investments. Er ist verantwortlich für die Aufsicht über die Portfolios für Privatkunden und -kundinnen, institutionelle Kunden und für eigene Anlagen, einschliesslich der Columbia- und Threadneedle-Familien von Anlageprodukten, separaten Konten für institutionelle und Privatkundschaft sowie alternative Anlagen. Bevor Ted Truscott im August 2001 zum Unternehmen kam, war er Chief Investment Officer bei Zurich Scudder Investments, Americas, und Managing Director bei Zurich Scudder Investments.

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