Wenn die politischen Parteien strengere Eigenkapitalvorschriften für die UBS fordern, dann berufen sie sich auf Arbeiten von Wissenschaftlern wie Martin Hellwig. Der mittlerweile emeritierte Bonner Professor ist einer der angesehensten Experten für Fragen zu Grossbanken und deren Bedeutung für die Volkswirtschaft. Gemeinsam mit der Stanford-Professorin Anat Admati hat er das Buch «Des Bankers neue Kleider» geschrieben, das die schädlichen Praktiken der Bankmanager aufzeigt und eine schärfere Regulierung fordert. Den Niedergang der Credit Suisse hat er genau mitverfolgt. Wie es zum Fall der Grossbank kam und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, erklärt er im Gespräch mit der «Handelszeitung».

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Sie plädieren für viel höhere Eigenkapitalquoten für Banken. Hat nicht gerade der Fall der im internationalen Vergleich gut kapitalisierten CS gezeigt, dass Eigenkapitalvorschriften gegen einen Bank-Run wenig bringen?

Ein Vertrauensverlust gegenüber eine Bank beruht unter anderem auf einem Eigenkapitalmangel. Ansonsten könnte man als Einleger oder Gläubiger seine Mittel ohne Weiteres bei der Bank belassen. Das Scheitern der CS hätte meiner Meinung nach mit mehr Eigenkapital verhindert werden können.

Sie meinen, dann wäre es gar nie zum Bank-Run gekommen?

Bei schärferen Eigenkapitalanforderungen hätte die Aufsicht wegen Verletzung der Anforderungen eingreifen können, lange bevor es als Solvenzproblem wahrgenommen wurde. Dadurch hätte sie mehr Spielraum gehabt, Kurskorrekturen zu fordern und durchzusetzen, ohne dass gleich das Risiko einer Krise im Raum gestanden wäre.

Deutschlands Star-Ökonom der letzten Bankenkrise

Name: Martin Hellwig (74)

Position: Emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern und Professor für Volkswirtschaft an der Universität Bonn.

Ausbildung: Hellwig studierte in Marburg und Heidelberg Volkswirtschaftslehre und Geschichte und promovierte 1973 in den USA am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Wirtschaftswissenschaften.

Karriere: Nach Forschungsjahren an den Universitäten Stanford und Princeton wurde Hellwig 1977 Professor an der Universität Bonn. 1987 folgte er dem Ruf an die Universität Basel, wo er fast zehn Jahre als Professor der Nationalökonomie lehrte. Nach einem Abstecher nach Harvard wechselte er 1996 zurück nach Deutschland an die Universität Mannheim. 2004 wurde er Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern und Professor an der Universität Bonn, wo er seit 2017 Emeritus ist. Neben seiner Arbeit als Professor war Hellwig in diversen Gremien aktiv, unter anderem als Vorsitzender der unabhängigen Monopolkommission in Deutschland und oberster wissenschaftlicher Berater des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken. Nach der Finanzkrise 2008/2009 galt Hellwig als einer der angesehensten deutschen Ökonomen. Dazu hat auch das 2013 erschienene Buch «The Bankers’ New Clothes» beigetragen, das er mit Stanford-Professorin Anat Admati verfasste. 

 

Sie sagen, die Probleme der CS wurden als Solvenzproblem wahrgenommen. Aber es wurde doch von allen, auch von den Behörden, immer betont, dass es sich nur um ein Liquiditätsproblem handelte?

Der Mythos, dass es sich bloss um ein Liquiditätsproblem handelt, taucht immer auf, wenn es einen Bank-Run gibt. Und es mag vordergründig auch stimmen. Aber die Modelle, in denen ein Run aus heiterem Himmel und ohne tieferen Grund kommt, sind realitätsfremd, auch wenn sie letztes Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. In der Praxis haben Liquiditätsprobleme immer damit zu tun, dass es Informationen gibt, dass etwas faul ist. Meine Interpretation des CS-Kollapses ist, dass die Einleger beunruhigt waren, dass die Bank auf dem Weg war, insolvent zu werden.

Bei der CS war einiges faul, ich denke da an die Skandale um den Hedgefonds Archegos und die Greensill-Fonds. Aber das war längst alles bekannt und das neue Management hat einen Sanierungsplan vorgelegt.

Das neue Management erweckte nicht den Eindruck, dass es so viel anders vorging als seine Vorgänger. Die Verlustquellen, die damit zu tun hatten, dass es an effektiver Kontrolle durch Leute in verschiedenen Abteilungen fehlte, wurden nicht erkennbar angegangen. Wenn man den Quartalsbericht vom Oktober und den Jahresbericht 2022 las, wurde einem das Bild einer Bank vermittelt, die sich in einem Strudel befindet, der sie immer weiter hineinzog, und eines Managements, das nicht erkannte, wie massiv der Handlungsbedarf war. 

Was waren denn für Sie die Warnsignale in den Berichten?

Zum einen schrieben die Wirtschaftsprüfer, dass die Manager kein Modell hätten, um Risiken bei Bewertungen von Unternehmensteilen zu prüfen. Das Management sagte mehr oder weniger dasselbe: dass es an effektiven internen Kontrollen fehlte. Und dazu konnte man an den Zahlen ablesen, dass die Bewertungen im Konzern kaum angepasst wurden. So war zum Beispiel der Goodwill im Vergleich zu 2021 kaum weiter abgeschrieben worden. In der Holding-Bilanz dagegen wurden die Bewertungen der Beteiligungen drastisch angepasst. Der dort ausgewiesene Verlust betrug ein Mehrfaches der 7,3 Milliarden, die in der Konzernrechnung ausgewiesen wurden. Das ausgewiesene Eigenkapital der Holding schrumpfte um fast die Hälfte. Eine derartige Diskrepanz ist merkwürdig und muss hellhörig machen.

Und die Abflüsse?

Zwischen September und Ende des letzten Jahres verlor die CS im Wealth Management fast 100 Milliarden Franken. Da muss sich das Management doch fragen: Was ist mein Aufwand in dem Bereich? Was sind die Kosten? Was muss ich tun, um diesen Laden wieder auf Vordermann zu bringen? Aber dazu finden sich sowohl im Quartalsbericht im Oktober als auch im Jahresbericht keine Hinweise. Und im Jahr 2022 selbst sind die Kosten fast nicht gesenkt worden.

Sie würden also nicht den sozialen Medien oder den unglücklichen Aussagen des saudischen Investors die Schuld am Bank-Run geben?

Sie waren womöglich ein weiterer Anlass. Aber es ist sicher kein Zufall, dass der Bank-Run einen Tag nach der Veröffentlichung des Jahresberichts richtig Fahrt aufgenommen hat.

Martin Hellwig, Ehemaliger Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsguetern, Bonn 03 May 2023. ||  (c) Christoph Papsch - www.christoph-papsch.de
Foto: Christoph Papsch
Foto: Christoph Papsch

 

Die Frage, ob es ein Liquiditäts- oder ein Solvenzproblem gab, ist auch für die politische Aufarbeitung und künftige Regulierung von Relevanz.

Genau, da es kein reines Liquiditätsproblem war, müssten wir nicht primär Vorkehrungen treffen, die einen Run verhindern, sondern vor allem die Governance von Bank und Aufsicht verbessern. 

Aber Sie würden den Fall der CS auch als ein Solvenzproblem bezeichnen?

Die Beurteilung von Solvenz ist nie eine saubere Sache, erst im Nachhinein ist das klar. Aber dass die Auswirkungen solcher negativer Entwicklungen Anleger und Kunden nervös machen, ist normal. Man musste sich schon im Oktober fragen, inwiefern das nicht auch eine Solvenzfrage ist. Eine Abteilung mit Kosten ohne entsprechende Erträge ist vergleichbar mit einem Asset mit negativem Wert. Dieser taucht in der Bilanz zwar nicht auf. Aber solange man die Kostenquelle nicht eliminiert, wirkt sich das genau so aus. Wenn Sie eine solche Situation haben, dann liegt der Verdacht einer Insolvenz nahe, ob sofort oder erst später.

«In der CS-Krise agierten die Schweizer Behörden ungeschickt und inkonsistent.»

Aber die Schweizer Behörden sahen das anders.

Sie haben sich diesbezüglich ungeschickt verhalten: Am 15. März erklärte die SNB, die Bank erfülle alle Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften, wir geben ihr 50 Milliarden Notliquidität. Sie hat nicht explizit gesagt, die Bank sei solvent, aber es konnte so interpretiert werden. Und dann musste man sich fragen: Warum nur 50 Milliarden? Was als Sicherheit akzeptiert wird, ist ja Sache der SNB.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Aufsichtsbehörde Finma und des Bundesrats?

Ihr Verhalten war ebenfalls zweideutig und inkonsistent. Sowohl Finma-Präsidentin Marlene Amstad als auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter sagten, man habe die für insolvente Banken vorgesehenen Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nicht anwenden können, weil es einen Vertrauensverlust gab und ein schreckliches Liquiditätsproblem. Aber wenn es ein reines Liquiditätsproblem war, was war denn die Grundlage dafür, dass die AT-1-Anleihen vollständig entwertet wurden? Und warum brauchte man die 9 Milliarden Staatsgarantie für Verluste, die über 5 Milliarden hinausgingen? Die Verlustbeteiligung der Gläubiger und der Steuerzahler war nur nötig, wenn man davon ausging, dass es ein Solvenzproblem gebe.

War die Zwangsübernahme durch die UBS also die richtige Lösung?

Ich habe grosses Verständnis für diese Lösung, allerdings nicht dafür, dass man die Aktionäre geschont hat.

Sie meinen, dass die UBS die CS-Aktien gratis hätte bekommen sollen, aber dafür weniger Verlustgarantien vom Bund?

Genau. Im übrigen frage ich mich, warum der Bund nur an überraschenden Verlusten beteiligt wird und nicht auch an überraschenden Gewinnen. 

Gemäss der Too-big-to-Fail-Regulierung hätte man die CS sanieren oder abwickeln müssen.

Das ist richtig, aber man musste davon ausgehen, dass das von der Regulierung vorgesehene Verfahren nicht funktioniert. Ich habe schon mehrmals darauf hingewiesen, dass diese Regulierung nicht tragfähig ist.

Die Formel ist einfach: Banken müssen klein oder gut kapitalisiert sein. Martin Hellwig in seinem Büro in Bonn.

Die Formel ist einfach: Banken müssen klein oder gut kapitalisiert sein. Martin Hellwig in seinem Büro in Bonn.

Quelle: Christoph Papsch

Warum lassen sich Grossbanken nicht sanieren und abwickeln?

Wegen der Probleme der internationalen Koordination, der Liquiditätsversorgung und des fehlenden Personals.

Was sind die Probleme bei der internationalen Koordination?

Die Kompetenzabgrenzung der Behörden in verschiedenen Jurisdiktionen ist nicht klar. Die nationalen Behörden verfolgen in den Plänen die sogenannte Single-Point-of-Entry-Strategie. Das heisst, dass nur eine Instanz für die Abwicklung zuständig ist. Aber dass das politisch funktioniert, ist eine Illusion. Die USA werden es nie zulassen, dass eine europäische Behörde für die Sanierung und Abwicklung einer US-Tochter zuständig ist.

Man könnte ja stattdessen auf das Prinzip des «Multiple Point of Entry» setzen, bei dem die Behörden jener Länder eingreifen, in denen die rechtlich selbständigen Unternehmen derselben Gruppe tätig sind?

Mit einem solchen System zerschlagen wir alle Prozesse, die über die gesellschaftsrechtlichen Grenzen der Tochtergesellschaften hinweg konzernintern integriert behandelt werden. Bei der CS wäre das Derivategeschäft in London betroffen gewesen, so wie bei Lehman Brothers 2008. Als damals die englischen Behörden am Montag in die Bank kamen, war kein Cash mehr da. Bei integriertem Cash Management war am Freitag alles nach New York gegangen und nicht mehr zurückgekommen.

Welche Hindernisse stellt die Liquiditätsversorgung für eine Abwicklung dar?

Mit Ausnahme von den USA und Grossbritannien, wo es entsprechende Rechtsvorschriften gibt, ist nicht dafür gesorgt, dass eine Bank in einem solchen Verfahren Liquidität bekommt. Dazu müsste irgendeine Instanz der Zentralbank eine Garantie gegen Verluste geben, damit diese die Liquidität bereitstellen kann. Eine solche Garantie müsste bei einer Grossbank riesig sein, über eine Billion Euro im Falle von BNP Paribas oder der Deutschen Bank, das wäre politisch nicht akzeptabel gewesen. Deshalb hat man das in den Gesetzen der EU weggelassen. Aus dem Verhalten der SNB schliesse ich, dass auch sie Vorbehalte hatte. Und der Bund scheint überrumpelt gewesen zu sein.

«Die USA werden es nie zulassen, dass eine europäische Behörde für die Sanierung und Abwicklung einer US-Tochter zuständig ist.»

Die Abwicklungspläne sind demnach auch für Sie eine grosse Lüge, wie es Ihre Kollegin Anat Admati in der «Wochenzeitung» drastisch formulierte. Kann man diese Pläne auch nicht mit ein paar Änderungen tragfähig machen?

Meines Erachtens ist das Problem des Single Point of Entry nicht lösbar. Die Politik wird es nicht zulassen, dass sich die Entscheidungen über die Zukunft eines Instituts zur Gänze in den Händen einer ausländischen Behörde befindet. Ich habe vorher die USA erwähnt, aber es gilt auch für Europa. Nehmen Sie die Nordea: Die norwegische Politik würde es nicht zulassen, dass ein Abwicklungsverfahren voll in den Händen der Finnen oder früher der Schweden liegt.

Und das Personalproblem?

Die Abwicklung einer Bank und ihrer teils sehr langfristigen Kredite braucht viel Personal. Dafür ist keine Vorsorge getroffen. Die Gesetzgebung scheint auf der Illusion zu beruhen, dass die Behörden am Freitagabend in die Bank gehen und die Abwicklungspläne durcharbeiten, am Samstag alles bewerten, am Sonntag Aktionäre und Gläubiger über ihre Verlustbeteiligung informieren und am Montag die Bank wieder als solvent gilt, normal funktioniert und das Vertrauen wieder da ist. Wenn man bedenkt, dass die Sanierungs- und Abwicklungspläne der grossen Banken über 10’000 Seiten lang sind, ist das absurd. In dem den US-Behörden vorgelegten Plan spricht die CS von einem Jahr.

Martin Hellwig, Ehemaliger Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsguetern, Bonn 03 May 2023. ||  (c) Christoph Papsch - www.christoph-papsch.de
Foto: Christoph Papsch
Foto: Christoph Papsch

Um zurück zur CS zu kommen: Heisst das, die ganzen Regulierungsbemühungen und Notfallpläne hätte man sich sparen können, weil sie ohnehin nicht funktionieren? 

Schon gar nicht für eine Grossbank wie der CS. Insofern war der Verkauf an die UBS letztlich eine vernünftige Lösung. Man müsste aber darüber nachdenken, warum man die Probleme nicht schon früher gesehen hat oder hat sehen wollen. Es ist so viel politische und administrative Energie da hineingegangen, um das alles zu kodifizieren und zu regeln, und am Ende wird das dann umgangen. Das ist eine groteske Diskrepanz.

Wenn die Abwicklungsfähigkeit einer global vernetzten Grossbank unrealistisch ist, dann bleibt nur noch die Aufspaltung oder die Schrumpfung auf eine überschaubare Grösse mit weniger Verästelungen ins Ausland.

Ja, man muss sich die Frage stellen, ob die Vorteile aus solchen Mega-Instituten wirklich die Kosten rechtfertigen, die dadurch entstehen, dass man sie nicht vernünftig abwickeln kann. Mit den Kosten meine ich nicht nur die fiskalischen Kosten, sondern auch die volkswirtschaftlichen Kosten, die im Zuge einer Krise entstehen können.

Die Bank hat Vorteile durch Skalenerträge und Effizienzgewinne, davon profitiert letztlich die gesamte Volkswirtschaft.

Aber was sind eigentlich die Effizienzvorteile davon, dass zum Beispiel eine CS in verschiedenen Ländern ihre Dienste anbietet? Globale Unternehmen brauchen globale Banken, heisst es jeweils. Das mag für den Zahlungsverkehr einer Fluggesellschaft zutreffen. Aber das erklärt nicht, warum die CS oder die Deutsche Bank eine Investment-Bank in New York betreiben müssen. Wenn Schweizer oder deutsche Unternehmen in den USA fusionieren, müssen sie nicht automatisch die Dienste einer Bank aus dem Heimatland in Anspruch nehmen. Was haben die Bürger davon, dass eine Grossbank die Schweizer Fahne im Investment Banking hochhält? Wenn man den Archegos-Bericht liest und erfährt, wie die Investment Banker der Bankleitung auf der Nase herumgetanzt sind, ist der Nutzen nicht klar.

Warum geschieht das trotzdem?

Für die beteiligten Manager ist eine solche Grössenordnung attraktiv, weil es Einfluss auf die Boni hat und auf das Standing gegenüber Rivalen.

Es ist aus volkswirtschaftlicher Sicht auch nicht gerade sinnvoll, dass so viele Leute mit Top-Ausbildung zu den Banken gehen, die dann doch zum Problemfall werden.

Man fragt sich tatsächlich, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn sich all die hoch ausgebildeten Physikerinnen und Mathematiker statt Risikomodelle für Banken zu bauen mit anderen Dingen beschäftigten, wie zum Beispiel der Lagerfähigkeit von Strom, d.h. leistungsfähigen Batterien.

Schuld daran sind wohl auch die Löhne, die durch den Markt bestimmt werden.

Der Markt beantwortet die Frage nach dem Einsatz der Ressourcen richtig, vorausgesetzt es gibt keine externen Effekte. Doch gibt es in diesem Fall gleich mehrere: Auf der einen Seite den Effekt einer Bankenkrise oder der fiskalische Effekt der staatlichen Subvention bei den Banken. Der andere externe Effekt kommt daher, dass Verbesserungen bei der Stromspeicherung und die vielfache Nutzung dieser Innovation vom Markt nicht korrekt, sprich zu wenig belohnt werden.

«Bei Banken ist Kleinheit per se nicht unbedingt ein Risiko.»

Ihre Kritik an der Grösse bezieht sich vor allem auf die Investment-Banken. Wie ist die Kosten-Nutzen-Analyse bei der UBS, die vor allem in der Vermögensverwaltung stark ist?

Die UBS hat es verstanden, eine führende Marktstellung im Wealth Management zu gewinnen und damit viel Geld zu verdienen. Daraus ergeben sich natürlich auch Vorteile für die Schweiz: Es fallen Einkommen in der Zentrale an, das hat Ausstrahlung auf die Wirtschaft. Ausserdem leistet sie über Steuern und Spenden Beiträge an öffentliche Güter. Aber es bleibt auch viel Geld bei den anderen Standorten rund um die Welt. Vor allem die Investment-Banken haben es sowohl bei der CS als auch bei UBS lange Zeit verstanden, dafür zu sorgen, dass das Geld dort bleibt.

UBS-Chef Sergio Ermotti sagte nach dem Wiederantritt, er habe lieber eine Bank, die «too big to fail» sei, als eine, die «too small to survive» werde.

Ich stosse mich an der Aussage, dass Kleinheit für sich genommen ein Risiko ist. Im Fall von Deutschland ist der profitabelste und verlässlichste Teil des Bankensystems gleichzeitig der langweiligste und kleinteiligste, nämlich die Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Dass man mit einer weltumspannenden Grösse im Wealth Management etwas erreichen kann, stimmt durchaus. Und aus staatlicher Sicht hat das Vermögensverwaltungsgeschäft den Vorteil, dass es nicht im gleichen Masse Haftungskonsequenzen hat wie das Investment Banking, sofern es sauber gemacht wird.

Das heisst, es wäre besser, die UBS würde kleiner werden. Müsste man eine maximale Bilanzsumme, zum Beispiel im Verhältnis zum BIP, festlegen? 

Wir sollten weniger dirigistisch agieren. Marktwirtschaft heisst doch: Alle sollen machen, was sie wollen, aber dafür haften. Aber bei den Grossbanken gibt es zu viel implizite Staatsgarantien, die die Haftung ausschalten. 

Wie kann man diese beseitigen, wenn die Abwicklung nicht möglich ist?

Das schafft man nur über deutlich höhere Eigenkapitalvorschriften.

«20 bis 30 Prozent Eigenkapital sind angemessen – im Verhältnis zur Bilanzsumme ohne Risikogewichtung.»

Die Frage ist, wie hoch die Eigenkapitalquote sein soll und ob man die Quote nach den Risk-weighted Assets bemessen sollte, wodurch risikolose Anlagen weniger stark gewichtet werden.

Man sollte das so handhaben: Die relevante Quote muss das Eigenkapital im Verhältnis zur Bilanzsumme sein – 20 bis 30 Prozent sind angemessen. Wenn die Bank beginnt zu zocken, sollte es noch mehr sein. Aber man sollte die Aussage «Wir zocken überhaupt nicht» nicht zum Anlass nehmen, die Eigenkapitalanforderung zu reduzieren.

Bei der UBS beträgt die Leverage Ratio, das Verhältnis von hartem Eigenkapital zur Bilanzsumme, 4,2 Prozent. Um auf 20 Prozent zu kommen, kann sie sicher keine Aktien mehr zurückkaufen und keine Dividenden mehr auszahlen oder muss sogar eine Kapitalerhöhung durchführen. Das kommt bei den Aktionären nicht gut an.

Die Aktionäre finden das natürlich schlecht. Der Wert der Aktien enthält immer auch den Wert der Option, kurz vor dem Konkursfall ohne weitere Zahlungen auszusteigen und die Verluste den Gläubigern und den Steuerzahlern zu überlassen. Eine Eigenkapitalerhöhung verringert das Konkursrisiko und entwertet diese Option. Das ist ein Grund, warum wir staatliche Eigenkapitalregulierung brauchen und uns in diesem Punkt nicht auf die Aktionäre verlassen dürfen.