Michael Steiner, fressen Fintechs und neue Angebote im Payment-Sektor durch Online-Banken und Banking as a Service einen Teil Ihres Kuchens weg?

Vor fünf Jahren herrschte weitverbreitet die Meinung, es könne zu einer Disruption kommen, indem Fintechs als Konkurrenz zu etablierten Finanzanbietern das ganze Finanzwesen grundlegend umkrempeln und revolutionieren. Heute bin ich überzeugt, dass es zu Kooperationen führen wird. Wir bei Acrevis arbeiten heute schon konkret mit verschiedenen Fintechs zusammen, die ihre Dienstleistungen mit unseren Bankdienstleistungen verbinden.

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Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit?

Unter anderem entwickeln wir mit Fintechs Anwendungen für unsere Kundschaft. Als ein Beispiel kann ich Ihnen die Zusammenarbeit mit dem HSG-Spinoff Kaspar& nennen. Konkret funktioniert das so: Wenn Sie mit Ihrer Acrevis-Debitkarte einen Kaffee bezahlen, der 4.50 Franken kostet, rundet die App automatisch auf den nächsten Franken auf. Diese zusätzlichen 50 Rappen werden quasi als «digitales Wechselgeld» in der App gespart und dabei anhand Ihres voreingestellten Risiko- und Anlageprofils automatisch investiert. So geht modernes Anlagesparen – automatisch im Alltag und schon ab kleinsten Beträgen! Die Zusammenarbeit bei diesem und ähnlichen Projekten ist sehr gut, beide Partner können voneinander profitieren.

Künstliche Intelligenz (KI) ist gegenwärtig das Megathema im Banking. Wo macht KI in Ihren Augen bereits Sinn?

Wir beschäftigen uns bei Acrevis seit mehreren Jahren mit diesem Thema. Aber die ganz spezifischen KI-Anwendungsfelder haben wir für unsere spezifischen Bedürfnisse relativ lange nicht gefunden. Uns fehlte es an konkreten Anwendungen. Das verändert sich jetzt: Im Moment treiben wir ein Projekt rund um Datenanalyse und Informationen voran. 

Wenn eine Mitarbeiterin eine Frage hat, kann das KI-Tool die entsprechende Antwort geben?

Genau. Uns geht es um Effizienz, indem Mitarbeitende, aber auch Kundinnen und Kunden benötigte Informationen schneller und einfacher finden. Man kann sich das vorstellen wie bei Chat GPT und anderen ähnlichen Anwendungen. Wenn zum Beispiel ein Kunde auf unserer Website etwas über Zinssätze oder E-Banking bei Acrevis wissen möchte, würde ihm das Tool eine gut strukturierte Übersicht erstellen. Die ersten Pilotversuche funktionieren gut. Es ist spannend, was sich da jetzt für Möglichkeiten auftun.

Eine eigentliche KI-Strategie haben Sie noch nicht entwickelt?

Wir haben eine Digitalisierungsstrategie, KI ist ein Teil davon. 

Wie schreitet diese Digitalisierungsstrategie voran? In Trippelschritten oder mit Siebenmeilenstiefeln?

Das ist eine interessante Frage und vor allem auch eine Frage der Wahrnehmung: Wenn man selbst in etwas drinsteckt, hat man ja kurzfristig oft das Gefühl, dass die Entwicklung oder Veränderung eher langsam ist. Von aussen gesehen kann sich aber ein ganz anderer Eindruck ergeben. Folgendes Beispiel zeigt das anschaulich: Als eine Mitarbeiterin nach nur zwei Jahren Abwesenheit wieder zu uns zurückgekehrte, meinte sie, es sei ja wahnsinnig, was bei Acrevis in dieser Zeitspanne alles neu aufgegleist worden sei. 

Können Sie diese Innovationen als kleines Bankhaus alleine stemmen?  Besonders CEOs kleinerer Banken sagen: Partnerschaften, sind für uns wie das «Foiferli und das Weggli» – nicht zuletzt wegen der unheimlichen Skalierungseffekte. Stellen Sie das auch fest?

Wenn es um EDV-Themen geht, funktioniert Acrevis nach einer «Two-Speed IT Architecture»: Ganz bewusst werden nicht alle Projekte in diesem Bereich mit der gleichen Geschwindigkeit umgesetzt. Bezüglich unseres Kernbankensystems liegt der Fokus auf Stabilität. Dabei sind Partnerschaften tatsächlich das «Foiferli und das Weggli». Im Esprit-Netzwerk etwa, zu dem Acrevis gehört, liegen alle unsere Daten, alle unsere Konti werden dort geführt. Diese Leistungen kaufen wir ein. Da sich alle beteiligten Banken zusammentun, profitieren wir alle miteinander von relativ grossen Skaleneffekten. Das geht zulasten der Geschwindigkeit, was aber auch bewusst so ist – in diesen Kernbereichen dürfen und sollen Entwicklungen ganz bewusst mehr Zeit in Anspruch nehmen, oberste Priorität hat die Stabilität.

Können Sie diesen Vorteil beziffern?

(lacht) Wir haben kürzlich geprüft, was es für uns bedeuten würde, wenn wir auch in diesem Bereich alles alleine machen würden.

Sind Sie erschrocken?

Es sind schon massive Unterschiede.

Wo ist Acrevis alleine unterwegs?

Dann, wenn es um viele verschiedene ergänzende Systeme oder Anwendungen zum Kernbankensystem geht. Dort ist das Ziel, schnell und agil zu sein sowie mit einer hohen Autonomie Projekte zu erarbeiten und umzusetzen: Wir machen vieles selber, um selbst am Drücker zu sein und unseren individuellen Bedürfnissen als Bank möglichst gut gerecht zu werden. Dafür haben wir ein eigenes Team von Spezialistinnen und Spezialisten, die sich primär auf unsere IT-Architektur konzentrieren und sich der Umsetzung unserer Ideen annehmen. Bei konkreten Entwicklungen und Implementierungen ziehen wir dann, wo nötig, externe Fachleute bei. 

Was bedeutet das konkret?

Wir haben beispielsweise unsere eigene Technologieplattform ohne Partner entwickelt. Hier investieren wir auch heute noch verhältnismässig viel, weil wir bewusst gewisse Themen selber entwickeln wollen. 

Bieten Sie Ihre Plattform anderen Banken an, um dort einen Skaleneffekt zu erreichen?

Den Start wollten wir selber machen. Wir sind jetzt etwa fünf Jahre so unterwegs. Dabei können Partner mitmachen und sich einbringen, wenn sie unsere Ziele und Vorstellungen teilen. Aber das ist nicht unsere Hauptstrategie, denn: Zu viele Partner wollen wir in diesem Bereich gar nicht. Wenn zwanzig, dreissig Firmen auf einer Plattform sind, verlieren wir wieder an Agilität. Darum ist unser Fokus, klein und damit flexibel zu bleiben. 

Was ist in Ihren Augen im Schweizer Bankenwesen in den nächsten Jahren die grösste Herausforderung?

Die grösste Herausforderung ist und bleibt die Digitalisierung. Grundsätzlich sind wir überzeugt, dass wir als Regionalbank die Nähe zu den Kundinnen und Kunden leben müssen. Aber auch bei einem persönlichen Kontakt können digitale Tools sehr viel Unterstützung bieten – wenn Sie zum Beispiel Informationen über Ihr Konto haben möchten oder eine Adressänderung ansteht. Dinge schnell online erledigen zu können, eröffnet Möglichkeiten und erleichtert den Alltag.

Sie sehen digitale Tools mehr als Helfer statt als Bedrohung?

Genau. Wir setzen digitale Tools als unterstützendes Element ein. Ich teile die Einschätzung, dass eine Art Symbiose entstehen kann, ein konstruktives Miteinander. 

Fusionen sind immer wieder ein Thema bei Finanzinstituten. Wie sieht das bei Acrevis aus?

Wir haben vorhin über Partnerschaften geredet. Insbesondere dem Kosten- und Margendruck kann man so begegnen. Vor diesem Hintergrund haben Synergien weiterhin eine hohe Bedeutung, davon bin ich felsenfest überzeugt. Unser Asset ist jedoch die Regionalität: Wir kennen die Region, in der wir tätig sind, sehr gut. Die grosse Frage wird daher bleiben, wie wir Synergien nutzen können, ohne unseren regionalen Charakter zu verlieren. Was das Thema Fusionen anbelangt: Wir werden sicher weiterhin Opportunitäten prüfen, wenn sich solche ergeben. 

Die Kontogebühren rückten nach der marketingträchtigen Gebührenaufhebung der Zürcher Kantonalbank (ZKB) ins öffentliche Interesse. Was hat das für Sie bedeutet? 

Acrevis orientiert sich grundsätzlich an einer verursachergerechten Preispolitik und kennt seit vielen Jahren keine Kontoführungsgebühren mehr. Das heisst, eine Kundin, die im E-Banking alles selbst erledigt, soll für die Kontoführung wenig oder eben gar nichts bezahlen. Anders sieht es aus, wenn jemand noch einen handgeschriebenen Zettel abgibt, um eine Zahlung auszuführen. Hier haben wir einen grossen Aufwand, und dann soll unsere Dienstleistung auch etwas kosten.

Wenn wir schon beim Zins sind: Das Zinsniveau ist wieder dort, wo Banken wieder damit arbeiten können. Ein Rekordergebnis nach dem anderen ist präsentiert worden. Wie geht das jetzt weiter?

Was wir während der Negativzinsphase gesehen haben, war keine nachhaltige Situation. Die Aufhebung der Negativzinsen hatte zunächst einen sehr positiven Effekt auf das Zinsengeschäft. Im Rahmen von Anpassungen bei Zinsen auf Konten oder Festgeldern sowie Kassenobligationen wird sich das nun alles einpendeln.

Eine letzte Frage: Haben Sie sich für dieses Jahr etwas speziell vorgenommen?

Als Bank können wir unsere Ziele nicht ohne unsere engagierten und kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreichen. Darum ist für mich das Allerwichtigste, dass es den Mitarbeitenden gut geht. Mein ganz persönlicher Vorsatz? Dass ich genug Zeit und ein offenes Ohr habe für Anliegen der Mitarbeitenden und die Menschen um mich herum – das gilt auch für meine Familie, wobei das auch immer ein Stück weit ein Zielkonflikt ist, den es ausgewogen zu lösen gilt.

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  • Seit wann CEO Ihrer Bank? März 2018
  • Höchste/letzte Ausbildung? Dr. oec. HSG
  • Alter: 48
  • Persönliches: Neben der Familie treibt Michael Steiner vor allem Sport mit Ball und Schläger, sprich Tennis und Golf
Die Bank Acrevis
  • Gründungsjahr: 2011, entstanden aus der Fusion der Bank CA St. Gallen und der Swissregiobank; älteste Wurzeln reichen zurück bis 1854
  • Bilanzsumme: CHF 4900 Millionen (per 31.12.2022)
  • Kunden: über 57’000
  • Verbreitungsgebiet: zwischen Bodensee und Zürichsee (Hauptsitz St. Gallen, Niederlassungen Gossau SG, Wil SG, Bütschwil SG, Wiesendangen ZH, Rapperswil-Jona SG, Pfäffikon SZ, Lachen SZ)
  • Aktiengesellschaft mit rund 11’000 Aktionärinnen und Aktionären
  • Besonderes: Was ist im Vergleich zu anderen Banken bei Ihnen speziell? «Acrevis bieten als Regionalbank eine komplette Produkt- und Dienstleistungspalette (Finanzierung von Wohneigentum, Finanzplanung und Vorsorge, Vermögensverwaltung oder Anlageberatung (Private-Banking), KMU-Finanzen). Acrevis setzt sich für nachhaltiges und verantwortungsvolles Banking ein. Letzteres leitet sich von unserer Herkunft ab: Mit dem Zweck, ‹die Gesellschaft auf der Grundlage der Gemeinnützigkeit anzuregen und zu fördern, was der geistigen und materiellen Volkswohlfahrt dient›, wurde 1819 in St. Gallen die ‹Östliche Gemeinnützige Gesellschaft› ins Leben gerufen. Aus dieser Gesellschaft hervorgegangen sind verschiedene Institutionen – unter anderem auch die Creditanstalt St. Gallen (Gründung 1854). Diese Wurzeln prägen Acrevis bis heute.»