Es ist schon erstaunlich: Da sollte man meinen, die Integration der Credit Suisse absorbiert den UBS-CEO voll und ganz. Doch Sergio Ermotti findet immer noch Zeit, Reden zu halten und auf Podien aufzutreten. Doch Ermotti hat gute Gründe für seine PR-Tour.

Mit seinen Auftritten übt sich Hobbyfussballer Ermotti im hohen Pressing, sprich: in der frühen Verteidigung im gegnerischen Strafraum. Es geht ihm darum, früh in die Debatte darüber einzugreifen, welche Folgen das CS-Desaster für die Schweizer Bankenregulierung haben sollte. Ermotti will vor allem eines verhindern: höhere Kapitalanforderungen.

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Die sind weiterhin auf der Agenda. Das sagte niemand Geringeres als Finanzministerin Karin Keller-Sutter im Interview mit der «Sonntagszeitung»: «Wir müssen die Finma stärken, höhere Liquiditäts- und Eigenkapitalpuffer werden ebenfalls geprüft, und für den Krisenfall muss die Abwicklungsfähigkeit einer systemrelevanten Bank verbessert werden», erklärte sie.

Nächstes Frühjahr will der Bundesrat seine Vorschläge dazu en détail unterbreiten, welche Lehren aus dem CS-Desaster zu ziehen sind. Und irgendwann danach kommt auch noch die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) mit ihren Ideen. 

Ermotti hält dagegen: Höhere Kapitalanforderungen hätten im Falle der CS nicht viel gebracht und allenfalls den Zusammenbruch nur etwas hinausgezögert, argumentiert er. Die CS sei an ihrem kaputten Geschäftsmodell, der Anhäufung teurer Skandale und schlechter Führung zugrunde gegangen. 

Der vom Finanzministerium bestellte Expertenbericht unterstützt den UBS-CEO in dieser Argumentation. «Die jüngste Geschichte liefert in der Beurteilung der Expertengruppe keine offensichtlichen Argumente, die Eigenmittelvorschriften in der Schweiz generell quantitativ zu verschärfen», heisst es darin. Denn verlustabsorbierendes Kapital hatte die CS auch kurz vor ihrem Ende noch zur Genüge: Ganze 57 Milliarden Franken wären allein durch die Wandlung der Bail-in-Bonds noch reingekommen. 

Ermotti hat also durchaus einen Punkt, wenn er in höheren Eigenmitteln die falsche Antwort auf die CS-Krise sieht. Mehr Eigenmittel waren die richtige Antwort auf die Finanzkrise 2007/2008. Aber die CS-Krise war eben keine Kapital-, sondern eine Vertrauens- und Liquiditätskrise. Und die Vertrauenskrise lag im nicht nachhaltigen Geschäftsmodell der Bank begründet – die Verluste daraus hätten sich irgendwann auch durch noch dickere Eigenmittelpolster gefressen.

Politisch wird die UBS aber hier einen schweren Stand haben. Nach dem erneuten Crash einer Grossbank wird das Parlament auf die Argumente der Betroffenen wohl wenig geben – egal, von wie vielen Bühnen Ermotti seine Botschaft ins Publikum ruft. 

Holger Alich
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