Überraschung bei Vontobel: Die Bank bekommt eine Doppelspitze. Christel Rendu de Lint, Head Investments, und Georg Schubiger, Head Wealth Management, werden per Anfang 2024 als Co-CEO die Führung der traditionsreichen Zürcher Privatbank übernehmen, kündigte Vontobel an. Der langjährige Vontobel-Chef Zeno Staub hatte im Mai seine Absicht erklärt, die Bank zu verlassen, um in die Politik zu gehen. 

«Die Doppelspitze ist logischer Abschluss unserer Kulturwende, die wir 2019 eingeleitet haben: weg von Einzelentscheidungen hin zu einer kollaborativen Entscheidungsfindung », sagte Verwaltungsratspräsident Andreas Utermann zur «Handelszeitung». Die Doppelspitze sei keine Übergangslösung. Ein einsamer Manager könne in einer komplexen Welt nicht mehr alles allein entscheiden.

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Doch die Lösung wird kritisch gesehen: «Wenn in Gesellschaften Co-CEOs tätig sind, führt eine solche Konstellation oft zu unnötigen Reibungsverlusten und längeren Entscheidungswegen», kommentierte Daniel Regli, Bank-Analyst bei der Zürcher Kantonalbank.

Grübel hält nichts von Doppelspitzen

Auch Oswald Grübel, der in seiner Zeit der von 2003 bis Mitte 2004 die Credit Suisse gemeinsam mit dem US-Amerikaner John Mack geleitet hatte, sieht Doppelspitzen kritisch, wie er gegenüber der «Handelszeitung» erklärt. «Bei Strategie-Fragen gab es oft unterschiedliche Meinungen zwischen uns», so Grübel. Und: «Wenn eine falsche Entscheidung getroffen wurde, will keiner die Verantwortung übernehmen. Es ist ganz klar besser, jemand hat die Gesamtverantwortung.»

Auch die Börse scheint nicht begeistert, die Aktie verlor in einem stabilen Gesamtmarkt bis zum Mittag gut 1,5 Prozent. 

Utermann wischt solche Bedenken zur Seite. Er selbst habe in seiner Zeit bei der Allianz Global Investors mit Erfolg in einer Doppelspitze gearbeitet. «Der Erfolg einer Doppelspitze hängt von den handelnden Personen ab», so Utermann. «Da sich beide CEO von ihrem Profil her gut ergänzen, bin ich überzeugt von dieser Lösung.»

Und was ist, wenn sich beide mal nicht einig sind? «Sollte es Differenzen geben, wird der Vortritt bekommen, der von einer Sache am stärksten
überzeugt ist», erklärt der designierte Co-CEO Schubiger. Am Ende würde die Geschäftsleitung eine Entscheidung per Mehrheitsbeschluss fällen, ergänzt Utermann. «Das entspricht dem Wunsch der Regulatoren, die immer mehr Gremien entscheiden lassen wollen», fügte er an.

Schubiger sowie Rendu de Lint verneinen beide, dass sie die Bank verlassen hätten, wäre jeweils der andere als alleiniger CEO bestimmt worden. Und Präsident Utermann will auch nichts von der Lesart wissen, dass die Doppelspitze letztlich seine Position als Bank-Präsident stärkt. Sollte das neue Führungsduo allerdings nicht so harmonisch wie erhofft zusammen arbeiten, kommt automatisch mehr Verantwortung auf den Präsidenten zu. Er hat gegenüber den Aktionären die finale Verantwortung. 

Das Führungskonstrukt wirkt dabei umso komplexer, da Schubiger und Rendu de Lint sich die CEO-Aufgaben gemeinschaftlich übernehmen wollen. «Wir planen keine trennscharfe Aufgabenstellung, sondern entscheiden im Team», bekräftigte Rendu de Lint. Es wird spannend zu sehen sein, zu welchem der beiden CEO dann die Mitarbeitenden laufen, sollte es einmal ein Problem geben. 

Strategie bleibt bestehen

Beide CEO wollen die eingeschlagene Strategie von Vontobel fortsetzen. Das überrascht nicht, da beide designierten CEO von intern kommen. «Die Strategie ist klar, jetzt müssen wir liefern», sagt Rendu de Lint.

Vontobel sieht sich nicht länger als eine Bank, sondern als Investmenthaus, dass Privat- und Profikunden die beste Anlagelösung bietet. In den vergangenen zwei Jahren ging es mit der Vontobel-Aktie aber tendenziell bergab. Die Bank hat zwei grosse Standbeine: Das Assetmanagement für Profikunden und das Geschäft mit vermögenden Privatkunden. Im Assetmanagement setzt Vontobel auf aktiv gemanagte Fonds, das Geschäft lief zuletzt nicht gut und musste Abflüsse hinnehmen. Dagegen hatte das Privatebanking ansehnliche Zahlen gezeigt.  

So erfreulich es ist, dass mit der promovierten Ökonomin eine Frau an die Spitze einer namhaften Privatbank rückt; in Sachen Stallgeruch kann sie es nicht mit ihrem Counterpart aufnehmen. Rendu de Lint arbeitet erst seit Mai 2021 bei Vontobel und ist dort für die Investmentprodukte zuständig. Zuvor war sie 14 Jahre bei der familiendominierten Privatbank UBP, wo sie das Geschäft mit festverzinslichen Produkten im Asset Management verantwortet hatte. Ihre Laufbahn begonnen hatte sie auf wissentschaftlichen Positionen wie beim Internationalen Währungsfonds und der SNB, bis sie im Jahr 2000 bei Morgan Stanley in London ihre Karriere in der Finanzindustrie begann. 

Georg Schubiger ist dagegen ein langgedienter Kadermann der Vontobel. Er führt das Privatkundengeschäft seit dem Jahr 2012. Zuvor war er Chief Operating Officer und Teil der Geschäftsleitung der Danske Bank. Seine Karriere startete Schubiger 1996 beim Beratungsunternehmen McKinsey in Zürich und Helsinki.

Bank-Chef will ins Parlament

Vontobel hatte im Mai darüber informiert, dass Zeno Staub nach 22 Jahren bei Vontobel, davon 20 Jahren als Mitglied der Geschäftsleitung und 12 Jahren als CEO, sein Mandat spätestens zur kommenden Generalversammlung am 9. April 2024 niederlegen möchte. Er will sich stärker in der Schweizer Zivilgesellschaft engagieren und kandidiert als Nationalrat für «Die Mitte» im Kanton Zürich. Bis dahin werde er den neuen Co-CEOs für eine professionelle Übergabe zur Verfügung stehen.

Gleichzeitig vermeldet Vontobel den baldigen Abgang von Marko Röder als Chef der Sparte Asset Management. Röder habe den Verwaltungsrat darüber informiert, dass er «aus persönlichen Gründen» nächstes Jahr seine derzeitige Aufgabe aufgeben und eine andere Aufgabe- innerhalb oder ausserhalb von Vontobel - wahrnehmen möchte. Er hatte 2021 die Leitung des für Vontobel wichtigen Bereichs Asset Management übernommen. Bankkreise betonen, dass sein Abgang nichts mit der Wahl der neuen CEO zu tun habe. 

Holger Alich
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