Ein Blick in die Medien bestätigt täglich aufs Neue: Die Corporate Governance, so auch im Schweizer Bankensektor, steht vor vielfältigen Herausforderungen, die eine effektive Steuerung und Kontrolle der Unternehmen erschweren.

Die Herausforderungen rund um die Corporate Governance waren zweifelsohne immer wichtig. In der heutigen Zeit jedoch gewinnt die erfolgreiche Bewältigung dieser zunehmend an Relevanz, da nicht nur die regulatorischen Anforderungen diesbezüglich laufend steigen, sondern auch das Vertrauen der Stakeholder in die Integrität und Stabilität der Finanzinstitute überlebensentscheidend ist.

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Schäden können immens sein

Eine zentrale Problematik – und aus meiner Sicht ein Grundsatzfehler schlechthin – liegt in der Trennung von Entscheid und Verantwortung. Moral Hazard, Interessenkonflikte oder unsachgemässes Risikomanagement durch Verlagerung auf Dritte sind hier nur stellvertretend genannt für die Folgen dieser Aufweichung zwischen Entscheidungsträgern und ihrer persönlichen Verantwortung.

Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Finanzkrise von 2008, in der viele Finanzinstitute aufgrund riskanter Geschäftspraktiken scheiterten, während die individuellen Entscheidungsträger oft wenig oder keine persönliche Haftung trugen. Unabhängig vom geschichtlichen Blick in den Rückspiegel zeigen jüngere und aktuelle Beispiele, wie gravierend die Schäden für ein Unternehmen sein können, wenn die Corporate Governance in Schieflage gerät.

Was ist also zu tun?

Natürlich, es gibt nicht die perfekte Lösung oder das eine Rezept. Selbstverständlich ist es ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren wie adäquate Rahmenbedingungen und Anforderungen zu Transparenz und Offenlegung etc. Ich möchte an dieser Stelle jedoch den Fokus auf das Kongruenzprinzip in der Organisation lenken: Als ein grundlegendes Konzept in der Unternehmensführung stellt dieses die Übereinstimmung zwischen Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung sicher. Diese Kohärenz ist entscheidend für eine effiziente, transparente und risikooptimierte Betriebsführung und trägt so massgeblich zu einer guten Corporate Governance bei.

Die Folgen der Unzulänglichkeiten

Was in der Theorie einfach klingt wird in der Praxis viel zu oft unüberlegt oder unzureichend umgesetzt. Ist das Kongruenzprinzip verletzt, so spricht man von einseitig gefährdeten oder einseitig untragbaren Delegationen. Die Folgen davon können unter anderem sein:

  • Ineffizienz und Verwirrung: Wenn Aufgaben nicht klar definiert sind und nicht mit den entsprechenden Kompetenzen und Verantwortlichkeiten verknüpft werden, kann dies zu ineffizienten Arbeitsabläufen führen. Mitarbeitende könnten sich überschneidende Aufgaben haben oder es könnten Lücken im Verantwortungsbereich entstehen, was zu Verwirrung und Frustration führt.
  • Mangelnde Transparenz und Rechenschaftspflicht: Ohne klare Zuweisung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten wird die Transparenz innerhalb der Organisation beeinträchtigt. Dies kann dazu führen, dass Entscheidungen und Handlungen nicht angemessen überwacht oder nachvollzogen werden können, was die Rechenschaftspflicht der Mitarbeitenden und Führungskräfte gefährdet.
  • Risikomanagementprobleme: Wenn Aufgaben und Verantwortlichkeiten nicht klar abgegrenzt sind, besteht die Gefahr, dass potenzielle Risiken nicht erkannt oder angemessen adressiert werden. Dies kann zu finanziellen Verlusten, Reputationsrisiken und rechtlichen Konsequenzen führen.
  • Interessenkonflikte und Vertrauensverlust: Eine mangelnde Kohärenz zwischen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten kann Interessenkonflikte innerhalb der Organisation verstärken. Mitarbeiter könnten sich in Situationen befinden, in denen ihre persönlichen Interessen mit den Zielen des Unternehmens kollidieren, was das Vertrauen der Stakeholder beeinträchtigen und das Image des Unternehmens schädigen könnte.
  • Sinkende Mitarbeitermotivation und sinkendes Engagement: Wenn Mitarbeitende nicht klar wissen, wofür sie verantwortlich sind oder welche Entscheidungsbefugnisse sie haben, kann dies zu Frustration und Desillusionierung führen. Ein Mangel an Kohärenz kann die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden verringern, was sich negativ auf die Produktivität und Leistungsfähigkeit der Organisation auswirken kann.

Eine Organisation, die das Kongruenzprinzip konsequent durch alle Hierarchiestufen und Funktionen anwendet, demonstriert ein hohes Mass an Integrität und Verantwortungsbewusstsein. Dies muss auch die oberste strategische Leitung – den Verwaltungsrat – beinhalten. Gerade der Verwaltungsrat, welcher für die Überwachung der Geschäftsführung verantwortlich ist, hat eine zentrale Rolle in der Good Governance. Eine ausgewogene und aufgabenorientierte Zusammensetzung, klare Kompetenzen und das Bewusstsein um die eigene Verantwortung sind entscheidend, um sicherzustellen, dass die Interessen aller Stakeholder angemessen berücksichtigt werden und potenzielle Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt werden können. Die Stärkung der Unabhängigkeit der Mitglieder darf an dieser Stelle als Randbemerkung nicht unerwähnt bleiben.

Wertebasiertes Verhalten stärkt Vertrauen

Die konsequente Orientierung am Kongruenzprinzip schafft eine Umgebung, in der wertebasiertes Verhalten gefördert wird und potenzielle Interessenkonflikte minimiert werden. Dies wiederum stärkt das Vertrauen der Stakeholder – Investorinnen und Investoren, Kundinnen und Kunden und Regulierungsbehörden – und trägt zur langfristigen Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bei. Das Prinzip allein ist keine Garantie für Good Corporate Governance, die Nichteinhaltung jedoch Garant für die unzureichende Bewältigung der Anforderungen einer sich ständig verändernden Wirtschaft.  

Sita Mazumder ist Professorin für Business +IT an der Hochschule Luzern HSLU, Unternehmerin und mehrfache Verwaltungsrätin. Sie beschäftigt sich mit nachhaltig erfolgreichen Geschäftsmodellen in der digitalen Welt und forscht an den Schnittstellen von künstlicher Intelligenz und Wirtschaft/Gesellschaft.

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