Die staatlich erzwungene Übernahme der maroden CS durch die wieder erstarkte UBS hat das Thema «Too big to fail» (TBTF) wieder aktuell werden lassen. Offensichtlich hat das 2008 – nach der staatlichen Rettung der UBS – definierte Bündel an Massnahmen versagt, und der Staat musste dieses Frühjahr erneut notfallmässig eingreifen. Die kombinierte neue UBS ist nach der Integration der CS mit einer Bilanzsumme, die rund doppelt so gross wie das Schweizer BIP ist, noch einmal deutlich grösser geworden.

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Damit stellt sich die Frage nach dem Umgang mit TBTF – und damit konkret die Frage nach dem Umgang der Schweiz mit der UBS – erneut in aller Schärfe. Wie so oft in vergleichbaren Situationen fordern Politikerinnen und Politiker verschiedenster Couleur allerhand Massnahmen. Diese mögen mehr oder minder sinnvoll sein, auch wenn kaum eine seriöse Wirkungsanalyse vorgelegt wird.

Der Gesetzgeber könnte die Obergrenzen für Bankbilanzen festlegen 

Was mich aber deutlich stärker stört, ist, dass nicht zuerst das Ziel definiert wird, das mit diesen Massnahmen erreicht werden soll. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, mit der Thematik TBTF umzugehen. Erstens: «Too big to fail» heisst primär «Too big», und folglich darf es keine Bank geben, die TBTF ist. Entsprechend braucht es eine Grössenbeschränkung. Denkbar wäre, die Bilanzsumme eines Finanzkonglomerats (also auf aggregierter Gruppenebene) auf 50 Prozent des Schweizer BIPs zu begrenzen. Liegt eine Gruppe darüber, verliert sie sofort die Banklizenz.

Damit ergäbe sich ein Deckel bei einer Bilanzsumme von etwas unter 400 Milliarden. Und die UBS müsste erheblich kleiner werden. Die Grösse (50 Prozent respektive 400 Milliarden) muss so gewählt werden, dass die Politik ex ante garantieren kann, nie mehr eine Bank zu retten. Wie gross darf also eine Bank sein, damit man sie im Problemfall nur dem Markt und sich selbst überlässt (und nicht staatlich interveniert)? Abschliessend beantworten lässt sich diese Frage wohl nicht. Die Grenze könnte auch deutlich tiefer als 400 Milliarden liegen. Grosse international agierende Banken würden also aus der Schweiz vertrieben.

Zweitens: TBTF ist zwar unschön, aber in der Schweiz eine historisch gewachsene Realität. Das bedeutet jedoch nicht, den Kopf in den Sand zu stecken; vielmehr gilt es, die damit verbundenen Risiken zu kennen und sie im Interesse des Finanzplatzes und der Steuerzahlenden auch zu bewirtschaften. Ein sinnvolles Ziel ist, den Schaden im Falle einer Schieflage möglichst gering zu halten. Dazu braucht es möglichst grosse Eigenmittel. Je mehr Eigenmittel, desto sicherer die Bank, was im Interesse der Gläubiger (also der potenziell Geschädigten) ist.

Der Autor

Urs Müller ist emeritierter Professor für Nationalökonomie der Universität Basel. Zuvor war er Direktor des unabhängigen Forschungsinstituts BAK Economics (früher BAK Basel), davor Chef der Finanzverwaltung des Kantons Basel-Stadt. Von 2012 bis 2022 war Müller zudem Präsident des Verbands der Schweizerischen Kantonalbanken.  

Diese Massnahmen machen einen Bankencrash unwahrscheinlicher:

Die Banken argumentieren, dass hohe Vorgaben wettbewerbsschädigend seien; die Ökonomenzunft neigt eher zu höheren Vorgaben (wie zum Beispiel unser ehemaliger Fakultätskollege Martin Hellwig, der schon vor Jahren wenigstens 20 Prozent Eigenmittel an der Bilanz forderte, was die Bank von ihren Schuldnern ja meistens auch fordert). Komplementär gibt es das Ziel, die Wahrscheinlichkeit eines Schadens möglichst gering zu halten. Hier gibt es eine Vielzahl von Massnahmen:

  • Die Banken sollen möglichst viel Liquidität halten. Liquidität dient als Puffer in unsicheren Zeiten. Bei der CS war der Mittelabfluss der Grosskunden aber derart rasant, dass der Liquiditätspuffer nicht ausreichte.
  • Um den Mittelabfluss beispielsweise im Falle einer akuten Vertrauenskrise zu begrenzen, könnte eine Rückzugsbremse hilfreich sein. Grössere Depositenpositionen sollten mit einer Kündigungsfrist (und entsprechend besseren Konditionen) ausgestattet werden. Erfolgt dennoch ein Rückzug, gibt es eine Konventionalstrafe zugunsten der Bank (wie heute üblich), im Stressfall wären die Mittel aber blockiert. Die Bedingungen für eine solche Sperre muss ex ante definiert werden (eine Art vertragliches Trigger-Event). Denkbar wäre auch eine Kompetenz für die Finma, im Stressfall einer Bank zu gestatten (oder diese gar zu verpflichten), keine grösseren Beträge mehr auszuzahlen, um so die Liquidität zu erhalten, bis vertrauensbildende Massnahmen greifen.
  • Zusätzlich kann der Staat (als Lender of Last Resort) verschiedene Arten von Liquiditätsunterstützung anbieten, um den Puffer im Stressfall wesentlich zu erhöhen: Emergency Liquidity Assistance (ELA: Liquiditätshilfedarlehen, Kredite der SNB gegen Sicherheiten), Emergency Liquidity Assistance Plus (ELA+: zusätzliche Liquiditätshilfedarlehen, Kredite der SNB ohne Sicherheiten, aber mit Konkursprivileg), Public Liquidity Backstop (PLB: ausserordentliche Liquiditätshilfedarlehen, Kredite der SNB ohne Sicherheiten, aber mit Ausfallgarantie des Bundes). Bei ELA könnte zudem die Belehnungsbasis verbreitert werden.
  • Eine neuere Idee (von Fakultätskollege Heinz Zimmermann) ist eine obligatorische Versicherung einer Grossbank gegen Liquiditätsmangel bei der SNB (Liquiditätsversicherung). Der Umfang könnte sich an den normalen Liquiditätserfordernissen orientieren, die jährliche Prämie an den CDS-Prämien. Alternativ könnten Grossbanken eine obligatorische Kreditlinie bei der SNB halten mit einer Prämie für die Limite und einem Zins für die Nutzung. Inhaltlich ist dies eine Art Option der Bank für zusätzliche Liquidität von der SNB.
  • Im Falle eines starken Vertrauensverlustes (wie im Fall der CS Anfang Jahr) kann eine temporäre Verstaatlichung (Temporary Public Ownership, TPO) des angeschlagenen Instituts am ehesten für Vertrauen und Ruhe sorgen. Die Crux dabei ist wohl, dass die Bedingungen für eine derart drastische Massnahme nicht ex ante definiert werden können. Eine permanente staatliche Call-Option ohne klare Bedingungen (Carte blanche) hingegen tönt gefährlich.
  • Gefordert werden auch Bussen für Banken, die sich nicht an die Regeln halten. Das ist kaum falsch (analog zum Strassenverkehr), trägt aber nur wenig zur Entschärfung des TBTF-Problems bei. Faktisch werden die Bussen von den Aktionären und Aktionärinnen bezahlt. Eine bessere Wirkung dürfte man sich wohl von der persönlichen Haftung der Managerinnen und Manager (inklusive Bussen) erhoffen, die das Geschäftsgebaren in weniger riskante Richtungen lenken kann. Allenfalls können auch die gesetzlich vorgeschriebenen Notfallpläne der Banken noch verbessert werden. Die Aufarbeitung des CS-Debakels könnte hier Hinweise liefern.
  • Ein Trennbankensystem würde gewisse organisatorische Aspekte der Notfallpläne bereits in guten Zeiten vorwegnehmen. Die bisweilen geforderte Abtrennung des Investmentbankings hätte im Fall der CS allerdings wenig gebracht. Auch bei der neuen UBS ist dieser Ansatz wenig zielführend, da das Investmentbanking primär für das Wealth-Management tätig ist.
  • Im Rahmen der Empörungsbewirtschaftung stehen Bonibeschränkungen bei vielen Politikerinnen und Politikern hoch im Kurs. Diese sind aber nur dann hilfreich, wenn sie das Verhalten der Boniberechtigten in eine für die Bank nachhaltige Richtung lenken. Dazu gibt es eine Reihe von Bedingungen: Boniprogramme müssen langfristig angelegt sein; Boni dürfen nur ausbezahlt werden, wenn die Bank Gewinne macht (Gewinnbeteiligung); Boni müssen zurückbezahlt werden, wenn der Empfänger sich nicht regelkonform verhalten hat.
  • Neben Anreizen für die Bank und die Mitarbeitenden, sich im langfristigen Interesse der Stakeholder zu verhalten, sollten meines Erachtens auch Anreize für die Kundschaft in Betracht gezogen werden. Solange Bankkunden und Bankkundinnen überzeugt sind, dass der Staat im Zweifelsfall schon alles regeln wird (und sie folglich keinen Schaden haben), werden sie ihr Geld weiterhin auch den Grossbanken anvertrauen. Deshalb möchte ich eine Beschränkung der Einlagensicherung ins Spiel bringen. Bekanntlich haften die Schweizer Banken im Falle einer Schieflage einer einzelnen Bank nur bis zu einem Maximalbetrag von 1,6 Prozent der Gesamtsumme der gesicherten Einlagen, was derzeit rund 8 Milliarden Franken entspricht. UBS und CS zusammen haben aber gesicherte Einlagen von rund 100 Milliarden. Bei einem Worst-case-Szenario würde die Einlagensicherung also nie ausreichen. Deshalb könnte man die gesicherten Einlagen pro Bankengruppe (auch formal beispielsweise) auf 5 Prozent der Gesamtsumme der gesicherten Einlagen limitieren (was derzeit rund 25 Milliarden entspricht). Damit wären bei der UBS nicht mehr 100’000 Franken pro Kunde oder Kundin gesichert, sondern nur noch 25’000 (numerischer Cap) oder alternativ nur 25 Prozent der «gesicherten» Einlagen eines Kunden oder einer Kundin (prozentualer Cap). Dies dürfte zu einer (gewollten) Reduktion der Kundeneinlagen und damit zu einer Entschärfung der TBTF-Problematik führen.
  • Wenn TBTF in der Schweiz als Realität akzeptiert wird, bedeutet dies, dass ein TBTF-Institut faktisch eine Staatsgarantie hat. Eine Staatsgarantie ist eine Ausfallversicherung und hat (wie die Episoden von UBS 2008 und von CS 2023 gezeigt haben) einen nicht unerheblichen Wert. Diese Versicherung sollte nicht gratis sein, da sie sonst zu Marktverzerrungen führt. Vielmehr braucht es eine Abgeltung der Staatsgarantie, wobei sich die Prämie neben der Grösse der Bank an deren AT1-Anleihekonditionen oder an CDS-Prämien orientieren könnte. Damit wirkt die Abgeltung wie eine Besteuerung von Grösse und Risiko und dämpft das TBTF-Problem.

Die Kosten der Staatsgarantie

Nebenbei sei erwähnt, dass die CDS-Prämien für Anleihen des Bundes mit der verordneten Übernahme der CS im März 2023 sprunghaft angestiegen sind (um rund 6 Basispunkte). Unter der Annahme, dass sich die Verzinsung der Finanzverbindlichkeiten des Bundes vor derzeit rund 105 Milliarden um etwa diese 6 Basispunkte verteuert, ergeben sich für den Bund jährliche Mehrkosten von gut 60 Millionen. Staatsgarantien kosten wirklich; nach dem Verursacherprinzip müsste die UBS zumindest für diese Mehrkosten aufkommen. Die gesamte Staatsgarantie ist aber wesentlich mehr wert.

Bei den letzten beiden Massnahmen wurde bereits darauf hingewiesen, dass sie auch auf eine Reduktion der Grösse der Bank zielen. Auch wenn die UBS selber verlauten lässt, dass sie mitnichten zu gross sei und noch weiterwachsen wolle, ist es aus Sicht des Staates sinnvoll, deutliche Anreize für eine Verkleinerung von Grossbanken zu setzen. Denn je grösser die UBS, desto grösser das TBTF-Problem für die Schweiz. Massnahmen, die spezifisch auf die Grösse der Bank zielen, tragen wesentlich zu einer Entschärfung der TBTF-Problematik bei. Diese Wirkung erreicht man am einfachsten mit einer stark progressiven Ausgestaltung verschiedener Instrumente. Das heisst, nicht nur die erste, sondern auch die zweite Ableitung nach der massgebenden Variablen soll positiv sein. Zu erwähnen sind:

  • Stark progressive Eigenmittelunterlegung
  • Stark progressive Liquiditätsvorschriften
  • Stark progressive Prämien der Liquiditätsversicherung
  • Stark progressive Abgeltung der Staatsgarantie

Theoretisch könnte man die numerische Ausgestaltung (also insbesondere den Grad der Progression) so lange erhöhen, bis keine Bank in der Schweiz mehr grösser ist als eine vordefinierte Grösse (zum Beispiel 50 Prozent des BIP, siehe oben). Folglich könnte man das erste Ziel (keine Bank ist TBTF) auch indirekt und umständlich, aber ohne eine formale Grössenbeschränkung erreichen.

Die UBS wird solche Ideen als wettbewerbsverzerrend brandmarken. Das ist für sich allein betrachtet auch nicht falsch. Alle dargestellten Massnahmen stehen aber nur deshalb zur Diskussion, weil wir ein TBTF-Problem haben respektive weil die Schweiz die negativen Externalitäten übergrosser Banken noch nicht internalisiert hat. Deshalb sind solche Massnahmen notwendig und gerechtfertigt. Über das Ausmass lässt sich indessen trefflich streiten.

Fazit:

  • Das TBTF-Problem ist in der Schweiz noch nicht gelöst.

  • Zuerst Zieldiskussion führen, erst danach Massnahmen evaluieren.

  • Will man die UBS nicht aus der Schweiz vertreiben, ist eine rigide Grössenbeschränkung nicht sinnvoll.

  • Auf TBTF fokussieren, keine neue Regulierungswelle für alle Banken lostreten.

  • Anreize für Banken betonen, nicht zu gross zu werden.

  • Auch Anreize für Kunden und Kundinnen einbeziehen, nicht bei zu grossen Banken zu sein.

  • Insbesondere mit progressiv ausgestalteten Massnahmen zugleich die Grösse «bekämpfen» und die Sicherheit für die Kundschaft und das System erhöhen.
     

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Ökonomieblog der Universität Basel.

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