Michael Tanner, ist KI ein Thema für Sie? Bei welchen Anwendungen macht KI bereits Sinn für Ihre Bank?

Ja, das ist für uns ganz klar ein Thema. Im Backoffice haben wir KI bereits im Einsatz. Im Bereich Compliance, im Zahlungsverkehr, übernimmt KI bereits einen Teil der Arbeit. Es handelt sich dabei um die Automatisierungen von Routinearbeiten, Stichwort Fraud Detection, zu Deutsch Betrugsverhinderung. Diese Anwendung haben wir bereits seit rund drei Jahren bei uns integriert.

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Wie funktioniert das?

Die KI analysiert im Hintergrund Zahlungsströme anhand von Algorithmen. Die Kontrolle läuft in drei Phasen ab, die bereits bei unserem Partner ablaufen. 

Wer ist Ihr Partner? 

Unser Partner ist der Orchestrator unserer IT-Lösungen, die Clientis AG. Sie macht das für ihre 14 Mitglieder plus weitere sieben zusätzlich angeschlossene, kleinere Banken.

Ihre Bank kauft diese Leistungen zu?

Ja, die Clientis wickelt alle Vertragsverhältnisse für uns ab. Wir zahlen für diese Dienstleistungen. Das gilt im Übrigen auch für die KI-Strategie. Diese muss für alle 21 Banken funktionieren, die Clientis betreut. Wir haben also keine eigens für uns ausgeprägte Version, sondern sind Teil der Clientis-KI-Lösungen. Clientis bietet auch die Fachführung an. Das bedeutet: Bei Schwierigkeiten können wir jederzeit auf die Spezialisten aus dem Clientis-Pool zurückgreifen.

Und auf der Kundenseite, gibt es hier schon KI-Anwendungen?

Auf der Kundenseite führen wir auf unserer Homepage in Kürze einen Chatbot ein. Dabei geht es uns darum, die Resonanz von unseren Kundinnen und Kunden abzuholen. Wir wollen wissen, ob die höhere Verfügbarkeit etwa bei der Beratung im E-Banking gut bei der Kundschaft ankommt.

Also auch eine Beratung nach den Büroöffnungszeiten …

Ja, denn unsere Hotline ist von 8 bis 17 Uhr besetzt. Und E-Banking wenden viele Kundinnen und Kunden auch oft in den Abendstunden an. Hier kann es von Vorteil sein, wenn ein Chatbot Hilfe bietet. Wir wollen das nun testen.

Diese Lösung stammt auch aus der Clientis-Partnerschaft? Leasen Sie diese Dienste?

Ja. Eigentlich ist es im klassischen Sinn eine Miete. Man kauft Grundoptionen ein. Natürlich zahlt man zunächst die Projektkosten für die Implementierung. Jede der 21 angesprochenen Banken gestaltet das anders aus. Unser Vorteil ist: Wir als kleine Bank sind frei, für uns wichtige Module auszuwählen. Ist die Wahl getroffen, die Software integriert, zahlt man jährlich einen gewissen Betrag. Das ist für uns überschaubar.

Und für die Leihkasse Stammheim sicher eine kostengünstige Lösung, oder?!

In der Tat. Wir als keine Bank können bei technischen Innovationen weder voranschreiten noch jeden Trend mitmachen. Bevor wir etwas starten, müssen wir immer eine Kosten-Nutzen-Analyse machen.

Durch die Zusammenarbeit mit der Clientis-Gruppe können Sie also Kosten sparen, da durch die Skalierbarkeit dieser Lösung Ihre eigenen Kosten tiefer sind?

Genau. Die Skaleneffekte helfen uns. Sie sind ein grosser Mehrwert für uns. Die Einkaufsgemeinschaft aus 21 Banken entfaltet hier ihre ganze Kraft. Kommt dazu: Wir müssen kein Personal hier bei uns im Haus beschäftigen, das sich um die technologische Seite kümmert. Diese Leistung beziehen wir als Dienstleistung. 

Hat Ihre Bank eine KI-Strategie entwickelt? 

Ja, gemeinsam mit unseren Partnerbanken der Clientis AG. Wir sind eine kleine Bank und können nicht als «First Mover» die Bankenwelt revolutionieren – rein schon aus Kostengründen. Dennoch – das Thema «Voice to Text» ist bei uns in Kundengesprächen ein Thema. 

Bringt das Vorteile?

Ja, unsere Kundenberater können sich besser auf die Bedürfnisse der Kunden konzentrieren. Weil genau das unsere Stärke als kleine Bank sein muss. Aber die Arbeit im Backoffice, das Erstellen der Kundenhistorien und etwa Gesprächsnotizen werden im Computer durch die KI abgelegt. Das klingt erst einmal interessant. Daher prüfen wir «Voice to Text» in der kommenden Zeit.

Die KI wird also bei Ihnen erst einmal ins Backoffice verbannt?

Exakt. Wenn es sich um keine persönliche Beratung, keinen Kundenkontakt handelt, ist KI für uns derzeit interessant. Doch wenn es um Beratungen rund um Finanzierungen geht oder ums Anlegen, dann wird es KI bei uns nicht geben. Der persönliche Kontakt zu unserer Kundschaft ist uns extrem wichtig.

Viele Affluent-Kunden warten bei anderen Banken oft lange in der Warteschleife am Telefon …

 …(schmunzelt). Ja, das kann vorkommen. Und genau das ist der Vorteil bei uns: Man kommt schnell zu einem Ansprechpartner.

Was sind in Ihren Augen die drei wichtigsten Herausforderungen in diesen Jahren im Schweizer Bankenwesen generell?

Nach den Turbulenzen im Jahr 2023 steht die Reputation für das Schweizer Banking an erster Stelle. Vertrauen! Das klingt altmodisch. Doch Vertrauen ist für Banken das Allerwichtigste. Das hat das vergangene Jahr gezeigt.

Auf was muss Ihre Branche sonst noch Acht geben?

Auf die Aufgaben wegen der steigenden Regulierungsdichte. Das verursacht Kosten und braucht Personal. Zudem werden Sachaufwände bankenintern branchenweit sicherlich ein Thema sein. Und: Die Zinswende stellt Banken zudem vor neue Aufgaben im Kundenbereich.  

Wie schätzen Sie die Wachstumschancen ein?

Das Wachstum ist derzeit nicht mehr so zentral wie vor rund fünf Jahren, sondern die Refinanzierungsstruktur. Davon bin ich überzeugt. 

Ist deshalb ein Zusammenschluss mit einem anderen Finanzinstitut für Ihre Bank ein Thema?

Eine Fusion kommt für uns gegenwärtig nicht in Frage, strategische Partnerschaften hingegen schon. Durch gemeinschaftliches Vorgehen können kleine Banken wichtige Skaleneffekte erreichen, die Kosten, den Aufwand so gering wie möglich halten. Das eröffnet uns Chancen.

Werden Sie wie die Zürcher Kantonalbank und Thurgauer Kantonalbank bald auch auf Kontogebühren verzichten?

Im Gegensatz zu anderen Marktteilnehmern haben wir unsere Gebühren in den vergangenen Jahren nicht erhöht. Im Gegenteil: Wir haben 2023 Gebühren gesenkt, etwa bei Kontoführungsgebühren für Firmenkunden. Selbstverständlich überprüfen wir die Situation auf dem Markt ständig. Im ersten Quartal 2024 werden wir entscheiden, ob wir im Bereich Gebühren Anpassungen vollziehen.

Bei Privatkunden sind also keine Gebührensenkungen geplant?

Nur auf die Kontogebühren zu schielen, greift zu kurz. Oft bringen Zinsanhebungen auf einem Konto den Kundinnen und Kunden unter dem Strich mehr. So haben wir etwa Kunden auch angeschrieben, um sie auf höhere Zinsen auf dem Sparkonto – momentan bei uns 0,8 Prozent bei 100’000 Franken Einlage – aufmerksam zu machen.

Wie beurteilen Sie die Konkurrenz durch Fintechs und Banking as a Service (BaaS)?

In gewissen Bereichen wie dem Zahlungsverkehr zum Beispiel gibt es eine Konkurrenz. Hier entsteht ein gewisser Druck. Doch eine Bank, die reguliert wird, verfügt als umfassender Dienstleister über mehr Reputation und Vertrauen.

Bedrohen Onlinebanken, die Payment-Service, aber eigentlich keine Banklizenz haben, Ihr Geschäftsmodell resp. Ihre Substanz?

Nein. Unser Geschäftsmodell liegt im Finanzieren und im Anlagegeschäft. In diesen Bereichen sehe ich in den kommenden fünf Jahren keine fundamentalen Veränderungen auf uns zukommen.

Planen Sie, in neue Geschäftsfelder resp. Marktsegmente zu expandieren?

Unser Anlagegeschäft soll neben allen anderen Bereichen weiter wachsen. In unserem Verbreitungsgebiet wollen wir noch stärker werden. Aus diesem Grund bauen wir unsere Präsenz auf Social Media und auch mittels klassischer Werbemethoden wie Plakataktionen, Inseraten in Lokalzeitungen usw. aus. Doch über unsere Kernregion gehen wir nicht hinaus.

Was heisst das?

Finanzierungen im Glarnerland oder in der Stadt Zürich wird die Leihkasse Stammheim nicht machen. Ein Einstieg in einen ausländischen Markt ist auch kein Thema. Die Kundinnen und Kunden sollen uns kennen. Und wir müssen auch das Geschäft unserer Kundschaft verstehen und kennen. 

Ihr Vorsatz für das angelaufene Jahr: Welche Ziele streben Sie als CEO an?

Wir haben 2023 unsere Strategie für die kommenden vier Jahre festgelegt. Bis 2027 wollen wir jährlich 3 Prozent im Jahr wachsen. Unser Auftritt und Bekanntheitsgrad soll gestärkt werden. Die Leihkasse Stammheim macht viel für das Stammertal und die Region. Das wollen wir der Bevölkerung näherbringen.

Zur Person Michael Tanner:
  • Seit wann sind Sie CEO Ihrer Bank? 1. Mai 2015
  • Höchste/letzte Ausbildung? BSc Banking & Finance, ZHAW
  • Alter: 43
  • Persönliche Info: verheiratet, wohnhaft in Oberstammheim, 4 Kinder

 

Die Leihkasse Stammheim in Zahlen

 

  • Gründungsjahr: 1863
  • Bilanzsumme in Millionen Franken: CHF 532 Mio.
  • Kunden in Tsd.: 6
  • Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region: Region Weinland und angrenzende Gemeinden (Dreieck: Schaffhausen, Winterthur, Frauenfeld)
  • Genossenschaft oder Aktiengesellschaft? AG
  • Besonderes: Was ist im Vergleich zu anderen Banken bei Ihnen speziell? Qualität sowie Kontinuität in der Beratung. Bodenständigkeit. Geschwindigkeit. Verantwortungsvolles Engagement für die Region.
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