In der Schweiz tobt hinter den Kulissen der Kampf um die künftige Regulierung des Bankensektors. Der Staat und die Nationalbank wollen nicht wieder als Retter in der Not einspringen. Die Banken wollen sich nicht durch neue Vorschriften in ihrer Wettbewerbsfähigkeit einschränken lassen. Beide Seiten sollten das gleiche Ziel vor Augen haben: agile Stabilität.

Dichtes Netz von Banken

In modernen Volkswirtschaften leisten die Banken einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit und zum Wachstum von Ländern und Volkswirtschaften. Die Schweiz ist ein hervorragendes Beispiel dafür: Die Dichte des Schweizer Bankensystems ist ein wesentlicher Bestandteil der Schweizer Wirtschaft und der Grund für die anhaltende Stärke der Schweizer Währung. 

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Lebenselixier der Wirtschaft

Banken haben drei besondere Eigenschaften: Erstens sind sie die ultimative virtuelle Ware oder Dienstleistung. Beim Bankgeschäft geht es im Wesentlichen um die Manipulation von Zahlen auf Konten, ein Vorgang, der völlig entmaterialisiert ist. Zweitens sind die Banken das Lebenselixier der Wirtschaft. Kredite ermöglichen Investitionen, die wiederum die Produktion und letztlich den Konsum ankurbeln.  Das Wirtschaftswachstum wird durch das reibungslose und effektive Funktionieren der Finanzaktivitäten in allen Wirtschaftssektoren angekurbelt.  Drittens sorgen sie für Vertrauen. Ein effizientes Bankensystem gewährleistet die Allokation von Kapital, indem es Investitionen in Schlüsselsektoren lenkt, die Wertschöpfung sicherstellt und die ordnungsgemäße Rückzahlung von Krediten ermöglicht.

Diese drei Funktionen sind für die Gesundheit des Wirtschaftssystems als Ganzes unerlässlich. Und damit von eminenter Bedeutung für jede Regierung. In der Schweiz ist das dichte Bankennetz ein Schlüsselfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes. Die Krise und schliesslich der Untergang der Credit Suisse ist ein negatives Beispiel für diese Tatsache – nicht nur für diese ikonische Schweizer Bank, sondern auch für den negativen Einfluss auf das Schweizer Bankensystem und das Land.

Konvergierende Interessen?

Auf den ersten Blick haben staatliche Regulierung und Corporate Governance unterschiedliche Ziele. Die verschiedenen Aufsichtsbehörden, die die Standards für die Einhaltung der Vorschriften und das Risikomanagement festlegen, und die Regierung, die über die wirtschaftlichen Beiträge und die Stabilität wacht, scheinen nicht unbedingt von denselben Interessen geleitet zu sein wie die leitenden Organe einer Bank.

Bei der Governance im Bankwesen selbst geht es jedoch um mehr als nur operative Effizienz. Das Ziel einer Bankführung sollte wie bei der Regierung vielfältig sein: die kontinuierliche Bereitstellung von Krediten zu gewährleisten, die Stabilität des Finanzsystems zu erhalten und das Vertrauen in die Finanzdienstleistungs-Branche zu sichern. Dies liegt im Interesse jeder einzelnen Bank. Die Auswirkungen von Governance-Fehlern im Bankensektor können enorm sein und gehen weit über das einzelne Institut hinaus. Man denke an die Finanzkrise von 2008.

Unterschiede zwischen der Schweiz und den USA

Die Diskussion um eine zu lasche oder zu strenge Regulierung betrifft übrigens nicht nur die Schweiz. Der gesamte europäische Bankenmarkt bewegt sich in unsicherem Fahrwasser, insbesondere im Vergleich zum amerikanischen Bankenmarkt:

  • Europäische Banken haben im Vergleich zu ihren amerikanischen Konkurrentinnen einen erheblichen Bewertungsabschlag. Um diese Situation zu verbessern, müssten die Banken sowohl operative als auch strategische Änderungen an ihren Geschäftsmodellen vornehmen.
  • Die Komplexität der internen Risikobewertungsprozesse, mit denen die Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung und die Einhaltung der Bankvorschriften ermittelt werden, macht es für Aussenstehende (und in einigen Fällen auch innerhalb der Banken) sehr schwierig, Mängel rechtzeitig zu erkennen. Diese Intransparenz führt zu einem Teufelskreis, in dem die Bankenaufsichtsbehörden unter Druck stehen und sich zu sehr auf sie verlassen, was zu einer Überregulierung oder einem Mikromanagement der Banken führen kann.
  • Die Schaffung einer stärker integrierten Bankenunion innerhalb der EU hätte das Potenzial, die Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz des Sektors zu steigern und weitere positive Effekte in der gesamten EU zu erzeugen.
  • Obwohl die Regulierung für die Aufrechterhaltung von Vertrauen und Stabilität unerlässlich ist, muss ein Gleichgewicht gefunden werden. Der EU-Bankensektor ist überreguliert und liegt daher in Bezug auf Innovation und Wettbewerbsfähigkeit hinter den US-Banken zurück.

Vor allem der letzte Punkt sorgt in allen Gesellschaften für kontroverse Diskussionen. Bei der Governance im Bankwesen geht es um die Gewährleistung der Stabilität und Integrität des Finanzsystems genauso wie um Wettbewerbsvorteile. Die Regulierung sollte die Innovation fördern und gleichzeitig das Risiko managen und das komplexe Zusammenspiel zwischen Rentabilität und dem allgemeinen öffentlichen Interesse wirksam steuern. 

Gleichgewicht anstreben

Aber auch der Verwaltungsrat einer Bank verfolgt – wenn er seine Verantwortung wahrnimmt – ähnliche Ziele wie der Staat: Er will ein wettbewerbsfähiges Unternehmen, das nicht zu viele Risiken eingeht oder die Organisation durch übermäßige Bürokratie erstickt. Sie will ein Unternehmen, das agil ist, sich neuen Herausforderungen wie der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz stellt, innovativ ist und sich weiterentwickelt. Geführt von einem Verwaltungsrat, der sich seiner Verantwortung gegenüber den Aktionärinnen und Aktionären, dem Sektor und der Gesellschaft im Allgemeinen bewusst ist.

Bei der Regulierung müssen sowohl der Staat als auch die Banken ein Gleichgewicht – wenn nicht sogar eine Partnerschaft auf Branchenebene – zwischen diesen oft widersprüchlichen Zielen finden. Diese Aussage gilt aber auch für den Wettbewerb: Es braucht mindestens zwei, hoffentlich aber drei Unternehmen, um einen Markt wettbewerbsfähig zu machen.

Aus diesem Grund sollte die Diskussion über die Bankenregulierung – insbesondere im Hinblick auf die UBS in der Schweiz – nicht als Kampf, sondern als Tanz zwischen zwei Organen betrachtet werden, die sich gegenseitig im Gleichgewicht halten und das Publikum bei Laune halten: It takes two to tango – es braucht zwei, um Tango zu tanzen.

* Zu den Autoren dieses Gastbeitrags: Salvatore Cantale ist Professor für Finance IMD, Peter Nathanial ist IMD-Executive in Residence, früherer Group Chief Risk Officer und Mitglied der Geschäftsleitung der The Royal Bank of Scotland Group, er war auch der frühere globale Chef Risk Oversight bei der Citigroup. Ludo Van der Heyden ist IMD Distinguished Scholar, Insead-Professor Emeritus für Corporate Governance. 
 

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