Seit Tagen herrscht in der Schweizer Wirtschaftswelt und darüber hinaus Ausnahmezustand. Ganze Abteilungen arbeiten von zu Hause aus. Viele Firmensitze wirken wie ausgestorben.

Intensiviert haben sich hingegen die Kommunikation über digitale Tools. Für viele eine ganz neue Erfahrung – genauso wie für Chefs und Chefinnen der Umgang mit der Viruskrise. Das wirft auch völlig neue arbeitsrechtliche Fragen auf. Ein Überblick.

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Was passiert, wenn mein Mitarbeiter aus Angst vor dem Virus zu Hause bleibt, aber nicht im Homeoffice arbeitet?

Ohne Arbeit kein Lohn. Ein Mitarbeiter, der allein aus Angst vor dem Virus zu Hause bleibt, befindet sich in Leistungsverzug und er verliert damit seinen Lohnanspruch; er kann sich nicht auf die gesetzlichen Verhinderungsgründe von Art. 324a OR berufen, wie der renommierte Rechtsanwalt Tobias Herren von der Berner Kanzlei Bratschi erläutert.

In meiner Firma ist Homeoffice angeordnet, aber einzelne Mitarbeitende weigern sich, von zu Hause aus zu arbeiten. Was nun?

Mitarbeitende, die dieser Aufforderung nicht Folge leisten, befinden sich, genauso, wie wenn sie im Homeoffice gar nicht arbeiten, im Leistungsverzug und verlieren damit ihren Lohnanspruch.

Was soll ich tun, wenn eine Mitarbeiterin offensichtlich krank ist und dennoch ins Büro kommt?

Die Firma hat in diesem Fall die Möglichkeit, die Mitarbeiterin nach Hause zu schicken respektive von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung zeitweise zu entbinden. Die Lohnzahlungspflicht bleibt aber weiter bestehen.

Kann ich einem offensichtlich kranken Mitarbeiter Hausverbot erteilen?

Ja. Eine befristete Freistellung kann einseitig angeordnet und zum Beispiel mit einem Hausverbot verbunden werden.

Eine Mitarbeiterin tritt eine Geschäftsreise trotz explizitem Verbot an. Wie kann sie sanktioniert werden?

Der Arbeitgeber kann der Mitarbeiterin den Zutritt zur Firma verwehren (zum Beispiel durch Hausverbot). Falls die Mitarbeiterin nach ihrer Reise, beispielsweise ins Sperrgebiet von Mailand, in Quarantäne muss, dann entfällt ihr Lohnanspruch (falls sie von der Quarantäne aus nicht arbeiten kann), weil sie freiwillig dorthin gereist ist und damit das Risiko der Quarantäne geschaffen hat, so Rechtsexperte Herren.

«Erkrankt sie hingegen am Covid-19-Virus und wird sie deswegen arbeitsunfähig, dann hat sie weiterhin Anspruch auf Lohn, was bei dieser Konstellation im Ergebnis stossend scheint.»

Meine Firma erleidet einen Betriebsunterbruch, weil ein Mitarbeiter trotz Infektion in den Betrieb kam und daraufhin eine Räumung nötig war. Kann ich Schadensersatz verlangen?

Grundsätzlich sind die Mitarbeitenden für den Schaden verantwortlich, den sie dem Arbeitgeber absichtlich oder fahrlässig zufügen.

Der Fall eines Produktionsausfalls wegen einer Grippeerkrankung zum Beispiel wird jedoch dem normalen Betriebsrisiko zugerechnet, welches der Arbeitgeber zu tragen hat.

In meinem Betrieb arbeiten viele Freelancer. Sie fordern die gleichen Schutzmassnahmen wie unsere angestellten Mitarbeitenden. Haben sie darauf Anspruch?

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gilt nur für Angestellte und temporär Angestellte, weil diese in einem Arbeitsverhältnis stehen. 

Für Freischaffende beziehungsweise Freelancer gilt diese Fürsorgepflicht nicht, weil diese ihre Leistungen im Rahmen eines Auftragsverhältnisses erbringen und nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.

Sind Freelancer im Betrieb daher rechtlich wie normale Besucherinnen und Besucher zu behandeln?

Ja. Halten sich Freelancer in den Räumen ihres Auftraggebers auf, haben sie keinen anderen Anspruch auf Massnahmen als jeder andere Besucher.

Für wen im Betrieb sind unbedingt Fürsorgeleistungen zu erbringen – und welche sind angemessen?

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gilt nur für Angestellte und temporär Angestellte, weil diese in einem Arbeitsverhältnis stehen.

Gemäss dieser Bestimmung hat der Arbeitgeber zum Schutze von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Massnahmen zu treffen, die nach Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebs angemessen sind, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und auf die Natur der Arbeitsleistung den Arbeitnehmenden billigerweise zugemutet werden kann.

Darunter falle etwa die Zurverfügungstellung von Desinfektionssprays, so Herren.

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Stefan Mair
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