Verwaltungsräte und Verwaltungsrätinnen stehen zurzeit im Fokus wie noch nie zuvor. Bei Generalversammlungen werden ihre Anträge kritisch hinterfragt oder gar von den Aktionärinnen und Aktionären abgelehnt. Wahlergebnisse fallen nicht mehr einstimmig aus, und heute muss so mancher Verwaltungsrat um sein Amt bangen. Und das ist gut so!

Lange war man sich etwas zu sicher auf seinem Posten. Blindes Vertrauen der Aktionärinnen gehörte zur Tagesordnung, was zu einer gewissen Bequemlichkeit innerhalb des Verwaltungsrates führte. Auch bei der Rekrutierung von neuen Verwaltungsräten wurde der einfache Weg über den «Best Buddy» gewählt; also lieber ein gemütlicher Kollege statt eines ungestümen Neulings. Denn es ist bequemer, den Kollegen mit ins Boot zu holen und sich für die gleichen Ideen zu begeistern, als sich mit einer neuen Person auseinanderzusetzen, die die Firma hinterfragt und Kontroversen einbringt.

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Darunter leiden zwei Dinge: die Sozialkompetenz und die Innovationskraft. Doch genau diese beiden Elemente braucht ein Verwaltungsrat, damit eine Firma überlebensfähig bleibt. Nur weil jemand die oberste Treppe der Firmenleiter erklettert hat, heisst das nicht, dass man sich jetzt ausruhen und die Firma von oben herab betrachten kann. An Verwaltungsratssitzungen soll diskutiert und gestritten werden – aber stets auf einem professionellen Level. Das ist nicht schwierig: ein respektvoller Umgang miteinander, die freie Meinungsäusserung, Transparenz sowie gegenseitiges Vertrauen. Diese «menschlichen Faktoren» gehören genauso zu einem professionellen Verwaltungsratsprofil wie die fachliche Expertise.

Jedes einzelne Mitglied muss Vertrauen in die Fähigkeiten der anderen haben und sich bewusst sein, dass alle nur das Beste für die Unternehmung wollen. Deshalb müssen Verwaltungsratsmitglieder zwingend die Unternehmenskultur leben und mittragen. Geschäftsleitung und Verwaltungsrat haben Vorbildfunktion. Da nützt es nicht viel, wenn eine Firma eine gute Corporate Governance definiert, sie aber in der Teppichetage nicht gelebt wird. Schlussendlich gilt: Wer ein Vorbild ist, hat es einfacher, Anträge durchzubringen oder wiedergewählt zu werden. Und obendrauf profitiert die Firma von einer innovativen und freundlichen Kultur, die sie auch nach aussen tragen kann.

Alexia Hungerbühler ist Mitgründerin von Women for the Board, einem Netzwerk von Frauen, die sich für Verwaltungsrats- und Stiftungsratsmandate interessieren.