Auf die Frage, woher sie ihre Energie nehme, um neben vier Kindern im Alter zwischen zwei und sieben Jahren ein Unternehmen mit zehn Mitarbeiterinnen führen zu können, antwortet Carole Waizenegger: «Diese finde ich im täglichen Abenteuer und im Kreieren von immer wieder neuen Ideen.» An Ideen habe es ihr noch nie gemangelt, und sie habe schon früh realisiert, dass sie sich selbst helfen müsse, um diese zu verwirklichen. «Daher machte ich 1992 den Schritt in die Selbstständigkeit.»

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Bereits während der Schulzeit war für die heute 34-Jährige klar, dass sie Unternehmerin werden möchte. «Ich verfügte eben schon immer über einen sehr unabhängigen Geist», sagt sie. Bereits damals habe sie in jeder freien Minute versucht, Geld zu verdienen.

Nach einer Lehre auf der Post arbeitete Carole Waizenegger bei Edipresse in der Zeitungs- und Zeitschriftendistribution und entdeckte die Faszination der Printprodukte. Als ihr damaliger Freund und heutiger Mann ihr eine Annonce aus der Regionalzeitung vorlas, in der eine unabhängige Kioskbesitzerin einen Nachfolger suchte, war es um die junge Frau geschehen. «Ich kratzte alles verfügbare Geld zusammen und kaufte mir den kleinen Kiosk in Lausanne.» Sie beantragte eine Lizenz für den Tabakverkauf und startete ihre neue Karriere. Nicht nur der Zeitschriftenverkauf hat sie an der neuen Aufgabe fasziniert, sondern vor allem auch die vielfältige Kundschaft und die inspirierenden Kontakte, die daraus resultieren.

Trotz den extrem langen Arbeitszeiten von morgens um sechs bis abends um zehn und einem eher harzigen Geschäftsgang kaufte sie in Renens ein zweites kleines Kiosklokal dazu. Damals entschloss sich auch ihr Mann, ein gelernter Zahntechniker, ins Geschäft einzusteigen. «Irgendwie habe ich ihn mit dem Unternehmervirus infiziert.»

Er war es auch, der im Jahr 1996 wieder eine wegbestimmende Annonce entdeckte. Die Migros suchte für eine im Neubau befindliche Filiale in Echallens einen Mieter für den im Gebäude integrierten 25 Quadratmeter grossen Kiosk. Aus ungefähr 60 Bewerbungen wurden die Waizeneggers ausgewählt. «Wir verkauften die beiden kleinen Kioske in Lausanne und Renens, denn wir brauchten all unsere Kräfte für den Aufbau des nun deutlich grösseren Ladens.»

Die Kräfte brauchten sie auch, um sich mit der Kioskkette Naville auseinander zu setzen, die analog zur Kiosk AG in der Deutschschweiz die mächtigste Marktkraft darstellt. Zum ersten Mal stand Carole Waizenegger im direkten Wettbewerb mit der grossen Mitbewerberin. Trotz entmutigenden Situationen liess sich die energische Frau nicht unterkriegen. «Anfangs wollte Naville uns nicht beliefern, doch das ist nun vorbei. Inzwischen ist das Unternehmen für uns ein ganz normaler Lieferant für Zeitschriften», sagt sie sibyllinisch.

Der Vorteil des Migros-Standortes war klar: gute Frequenzen und geregelte Arbeitszeiten. «Anfangs war die Grösse des Ladens ein Problem; wir wussten ja nicht so genau, was wir im Sortiment führen sollten und wie viel wir einkaufen mussten. Dank ihrem Elan und ihrer Freude an der Arbeit wirtschaftete das Ehepaar Waizenegger stets Gewinn bringend, und als sich 2001 in Oron-la-Ville erneut eine Gelegenheit für die Übernahme eines unabhängigen Kiosks in einem Migros-Gebäude ergab, griffen sie wieder zu.

Dieser Schritt führte dazu, dass sie Personal einstellen und Strukturen einführen mussten. Während sich Carole Waizenegger vor allem um die administrativen Belange kümmerte, war ihr Ehemann in beiden Geschäften an der Front tätig. «Einerseits mussten wir unsere Kompetenzen klar verteilen, und andererseits konnte ich die Administration von zu Hause aus erledigen und mich so auch um unsere Kinder kümmern.»

Die beiden Kioske liefen gut, und im Frühling des vergangenen Jahres konnten die Waizeneggers in Cossonay ein drittes Geschäft in einer Migros-Filiale eröffnen. Inzwischen ist die Anzahl Mitarbeiterinnen auf zehn angestiegen. Ihr Ziel für die Zukunft liegt denn auch ganz klar in den Einkaufszentren. «Um zu wachsen, spezialisieren wir uns auf diese Standorte.»

Carole Waizenegger ist sich durchaus bewusst, dass sie für den wirtschaftlichen Erfolg nicht nur auf die guten Standorte setzen darf, denn damit kann sich Le Kiosque nur bedingt differenzieren. Daher hat sie im Frühling vergangenen Jahres mit dem neuen Kiosk in Cossonay eine ihrer zahlreichen Ideen umgesetzt: einen Grossbildschirm, auf dem täglich Pferderennen übertragen werden.

Pferdewetten sind in Frankreich und auch in der Westschweiz ein Renner, ähnlich wie in anderen Regionen Lotto und Totto. Bereits hat sich das neue Angebot herumgesprochen, und mitunter gleicht das Kiosklokal einem Bienenhaus. Auf Grund der guten Resonanz soll nun im ersten Quartal 2005 in Oron der zweite Grossbildschirm installiert werden.

Trotz dem Wachstum ist Le Kiosque noch immer eine Einzelfirma. «Ich bin mir des Risikos dieser Struktur durchaus bewusst, doch sie entspricht einfach meinem unabhängigen Geist», erklärt Waizenegger. Allerdings hat sie für 2005 geplant, entweder eine GmbH oder eine AG daraus zu machen. Über den Umsatz schweigt sich die rührige Unternehmerin aus. «Wir haben aber keinen Franken Fremdkapital im Unternehmen, und unseren Mitarbeiterinnen zahlen wir höhere Löhne als der Branchendurchschnitt», betont sie.

Das sei auch der Grund, warum sie immer wieder Anfragen von Naville-Mitarbeiterinnen bekomme. «Solche einzustellen, ist allerdings schwierig, da sie aus einer komplett anderen Kultur kommen.» Denn die Unternehmenskultur ist für Carole Waizenegger das A und O des Erfolgs. «Unsere Mitarbeiterinnen müssen ehrlich und unternehmerisch denkend sein und sehr eigenverantwortlich arbeiten. Dafür bieten wir ihnen ein familiäres Umfeld und faire Arbeitsbedingungen.» Viermal pro Jahr gehe das gesamte Team miteinander essen, und die Verkäuferinnen helfen sich gegenseitig, sowohl was den Austausch von Erfahrungen anbelangt wie auch bei der Organisation der Arbeitszeiten. Alle zehn Mitarbeiterinnen arbeiten in unterschiedlichen Teilzeitpensen. «Wir bieten flexible Arbeitszeitmodelle, sodass sich jede von ihnen die Arbeitszeit ihren Lebensumständen anpassen kann. Gerechte Arbeitsplätze zu schaffen, wo sich alle wohl fühlen, ist einer der unternehmerischen Grundsätze der 34-Jährigen.

Leider wissen diese Werte nicht alle Angestellten zu schätzen. «Nicht alle können mit den grossen Freiheiten, die wir bieten, umgehen. Ich musste schon einige Mitarbeiterinnen entlassen, weil sie gestohlen haben», konstatiert Carole Waizenegger.

Dies hat auch zur Folge, dass die junge Unternehmerin heute kaum mehr jüngere Frauen beschäftigt. «Die beste Erfahrung machen wir mit Wiedereinsteigerinnen mittleren Alters, die alle einen unterschiedlichen Background mitbringen.» Um zu sehen, ob jemand ins Team passt, muss eine Bewerberin immer wieder mit jemand anderem zusammenarbeiten. «Wer dieses Prozedere übersteht, bleibt uns erhalten», ist Carole Waizenegger überzeugt.

Die Self-made-Unternehmerin hält nicht viel von Führungsseminaren. «Gesunder Menschenverstand ist besser als graue Theorie.» Jedesmal, wenn sie einen neuen Kiosk aufmache, lerne sie Neues dazu. So sei ihr bei der dritten Filiale klar geworden, dass sie nicht nur, was das Logo, sondern auch was die Ladeneinrichtung anbelange, einen einheitlichen Auftritt anstreben müsse.

Potenzielle Unternehmerinnen und Unternehmern einen Ratschlag zu erteilen, fällt Carole Waizenegger leicht: «Man muss sicher sein, dass man etwas wagen will. Die Risiken sollten zwar kalkuliert sein, doch diese dürfen nicht zu stark gewichtet werden, sonst fährt der Zug ab.» Leider herrsche in der Schweiz nicht die Kultur, die Leute dazu zu motivieren, etwas zu wagen. «Und zudem fehlt die Akzeptanz des Scheiterns», konstatiert sie.

Le Kiosque, Einzelfirma

Gegründet: 1992
Umsatz: wird nicht bekannt gegeben
Anzahl Mitarbeitende: zehn
Geschäftsleitung: Carole und Alexandre Waizenegger
Finanzierung: durch eigene Mittel
Geschäftsidee: unabhängige Kioske
Firmenphilosophie: Die Zufriedenheit der Kunden steht an erster Stelle. Diese erreichen wir aber nur, wenn auch alle Mitarbeitenden zufrieden sind.
Führungsgrundsätze: Eigenverantwortung fördern, offene Ohren, Dialogkultur.

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BILANZ präsentiert in jeder Ausgabe ein Beispiel von jungem Unternehmertum – in Zusammenarbeit mit der Junior Chamber Switzerland (JCS). Die Chamber ist das grösste Netzwerk von jungen Führungskräften und Unternehmern in der Schweiz. Weitere Infos und Angaben zu JCS-Veranstaltungen auf www.juniorchamber.ch