Costa Rica deckt den Grossteil seines Strombedarfs mit erneuerbarer Energie. Ein neues Wasserkraftwerk kann fast die Hälfte der Haushalte versorgen. Bis 2021 will das mittelamerikanische Land bei der Energieerzeugung ganz ohne fossile Brennstoffe auskommen.

Wenn die Turbinen des Wasserkraftwerks Reventazón anlaufen, geht in halb Costa Rica das Licht an. Mit einer Kapazität von 305,5 Megawatt kann der Staudamm über eine halbe Million Haushalte mit Strom versorgen. «Das ist das grösste und leistungsstärkste Wasserkraftwerk Mittelamerikas», sagt der Geschäftsführer des staatlichen Energieversorgers ICE, Carlos Obregón.

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Ein weiterer Baustein

Nach dem Ausbau des Panamakanals ist Reventazón das grösste Infrastrukturprojekt der vergangenen Jahre in der Region. Der Stausee in der Provinz Limón im Osten des Landes misst 700 Hektar, die Staumauer ist einen halben Kilometer lang und ragt 130 Meter in die Höhe. 1,34 Milliarden US-Dollar hat das Grossprojekt gekostet.

Das Wasserkraftwerk ist ein weiterer Baustein der grünen Revolution in Costa Rica. Innerhalb von fünf Jahren will sich das Land unabhängig von fossilen Energien machen. Bereits jetzt deckt Costa Rica den Grossteil seines Bedarfs aus erneuerbaren Energien.

Wenig Widerstand

In diesem Jahr hat das Land bereits 161 Tage ausschliesslich regenerative Energie genutzt, davon zuletzt 87 Tage am Stück. «Diese Zahlen werden durch Reventazón noch mal weiter in die Höhe getrieben», sagt ICE-Chef Obregón.

Anders als in Nachbarländern wie beispielsweise in Honduras, wo Indigene und Bauern immer wieder heftig gegen Wasserkraftprojekte protestieren, gab es gegen das Mega-Projekt in Costa Rica kaum Widerstand. Ein Beraterteam der Interamerikanischen Entwicklungsbank bescheinigte der ICE, die Auswirkungen auf Umwelt und Sozialwesen möglichst gering zu halten.

Wissenschaftler warnen allerdings vor Erdrutschen und der Zerstörung des natürlichen Ökosystems. Der Staudamm zerschneide den natürlichen Korridor zwischen zwei Schutzgebieten, schreiben die Professoren Jorge Lobo und Mauricio Álvarez von der Universität von Costa Rica.

In den Strassen der Hauptstadt San José brannte schon 1884 elektrisches Licht - als dritte Stadt nach den Weltmetropolen New York und Paris. Man versteht sich als Trendsetter. Jetzt will Costa Rica als erstes Land der Welt ganz ohne fossile Brennstoffe auskommen.

Stark vom Klima abhängig

Kritiker mahnen allerdings einen ausgewogeneren Energiemix an. Derzeit stammt 80 Prozent der Energie aus der Wasserkraft, 13 Prozent aus der Geothermie und sieben Prozent aus der Windkraft. Die Wasserkraft ist jedoch stark vom Klima abhängig. Regnet es wenig, sinken die Wasserstände in den Stauseen, die Energieausbeute fällt.

«Unsere Flüsse sind am Limit und wegen des Klimawandels gibt es hier kaum noch neue Möglichkeiten», sagen die Professoren Lobo und Álvarez. «Die Entwicklung alternativer Energiequellen wie Windkraft und Solarenergie sollte die Energiepolitik dieses Landes in den kommenden Jahren bestimmen.»

Kein Vorbild

Als Vorbild für grosse Industrienationen kann Costa Rica ohnehin nicht dienen. In dem kleinen Land gibt es kaum energieintensive Schwerindustrie, die Wirtschaft wird von Tourismus und Landwirtschaft geprägt.

Angesichts der hehren Klimaziele der Weltgemeinschaft zeigt Costa Rica aber immerhin, was möglich ist. «Für alle, die weltweit für den Klimaschutz arbeiten, ist das Beispiel Costa Rica ermutigend», sagt Mónica Araya vom Forschungsinstitut «Costa Rica Limpia». «Es geht auch ohne fossile Brennstoffe, daher kommt der Enthusiasmus.»

(sda/ccr)