Wird das neue Jahr ein schlimmes Jahr für die Schweizer Kaderlöhne? Wie stellen sich die Karrierenetzwerk-Giganten Xing und Linkedin künftig auf, um auf Erfolgskurs zu bleiben? Die Handelszeitung wagt einen Blick auf die nächsten Monate in neun Prognosen. 

Prognose 1: Xing wird regionaler
Das Karrierenetzwerk Xing tut alles, um sich vom globalen Riesen Linkedin zu unterscheiden. Dafür wird das Netzwerk im Jahr 2019 wahrscheinlich noch regionaler, analoger und exklusiver. Je tiefer die Nische, desto eher glaubt Xing, einen Bereich konkurrenzlos bearbeiten zu können. Für Xing heisst das Events in Regionen und weitere Rekrutierung von Nobel-Mitgliedern, die viele tausend Franken zahlen und sich im realen Leben regelmässig treffen. In Bern, Basel und St. Gallen bekommen analoge Karriereclubs damit wohl neue Konkurrenz – oder gleich den Todesstoss durch Xing.

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Prognose 2: Gefahren für Linkedin 
Während sich Facebook von einem Image-Skandal zum nächsten hangelt, war Linkedin lange Zeit frei von Problemen. Der zweite, etwas kleinere blaue Riese segelte von Erfolg zu Erfolg und wurde in der Öffentlichkeit nie kritisch wahrgenommen. Das Karrierenetzwerk wird seine aggressive Nutzer-Akquise und den Umgang mit den Nutzerdaten 2019 aber zurückhaltender angehen müssen. Erst im November wurde bekannt, dass das Netzwerk 18 Millionen E-Mail-Adressen von Nichtmitgliedern für Werbeschaltungen missbrauchte. Wenn Linkedin nicht aufpasst, wird es zum zweiten Facebook

Prognose 3: Kluge Talent-Pools
Alle reden von Big-Data – Personaler aber eher leise. Im Jahr 2019 werden globale Konzerne intelligenter umgehen mit ihren endlosen Datenmengen aus Rekrutierungs- und Karrierepfaden. Zwar gilt es mit höchster Umsicht und Vorsicht zu agieren, Bewerber haben viele Rechte, aber de facto sitzen Firmen auf einem ungenutzten Datenschatz, aus dem sie mehr machen können. Es wäre etwa sehr aufschlussreich, wenn ein Weltkonzern wie Nestlé die Karrierepfade all seiner Mitarbeitenden intelligenter analysierte oder wenn alle Bewerber weltweit in gut bewirtschafteten Talent-Pools eingespeist würden. 

Prognose 4: Boom für HR-Tech 
Regtech, Fintech – jede Branche hat inzwischen ein Tech-Affix, um die vielen Startups zu beschreiben, die versuchen, intelligente, effiziente und profitable Lösungen für etablierte Player anzubieten. Die Schweizer HR-Tech-Startup-Szene ist dabei noch lange nicht dort, wo sie sein könnte. In wenigen Ländern ist bei Personal, Talentmanagement und Rekrutierungsabteilungen so viel Geld zu holen wie in der Schweiz. Zudem bieten die globalen Player ein ideales Sprungbrett für den globalen Markt. Dieses Jahr wird daher (hoffentlich) mehr intelligente HR-Tech-Startups in der Schweiz bringen. 

Prognose 5: Bleierne Kaderlöhne
Seit einiger Zeit fragen sich Ökonomen, wann der Höhepunkt der Konjunktur in der Schweiz erreicht ist. Während es in der letzten Zeit wirtschaftlich gut lief, blieb bei den Schweizer Kaderlöhnen aber erstaunlich wenig hängen. Lohnsteigerungen dümpelten zwischen 0,5 und 0,8 Prozent. Und das seit Jahren. Sollte es 2019 zu einer wirtschaftlichen Abkühlung kommen, dürften die Lohnsteigerungen gegen null gehen, auch Korrekturen nach unten sind dann nicht mehr ausgeschlossen. 2019 könnte zu einem «annus horribilis» für die Schweizer Kaderlöhne werden. 

Prognose 6: Was digital wird
In diesem Jahr werden einzelne Bereiche des HR stärker digitalisiert als andere. Im Bereich Personal- und Schichtplanung, Vertragsmanagement, Mitarbeiterkommunikation, Anfragenbearbeitung, Zeit- und Urlaubsmanagement oder bei Gehaltsabrechnungen gibt es keinen Grund mehr, mit einer Komplett-Digitalisierung und teilweise auch Automatisierung zu warten. Nur wenn Personalabteilungen prioritäre Bereiche für ihre Digitalisierungsstrategie definieren, kann sie langfristig zu einem Erfolg werden und wird nicht zum totalen Chaos für Mitarbeitende und HR-Verantwortliche. 

Prognose 7: HR spaltet sich weiter
Ein Trend im Schweizer Arbeitsmarkt von 2018 wird sich auch 2019 weiter akzentuieren: Die Spaltung von gut ausgestatteten und innovativ arbeitenden HR-Abteilungen auf der einen Seite (meist in Grosskonzernen und Startups) und in die Nische gedrängte Minimaldienstleister auf der anderen Seite, für die die Buzzwords der Personalarbeit – wie Analytics, HR-Bots und Social Recruiting – wie ein Märchen aus einer anderen Welt klingen. Das ist vor allem für Bewerber unbefriedigend. Während die einen Firmen Recruiting im Sowjet-Stil bieten, haben die anderen Silicon-Valley-Spirit. 

Prognose 8: Wenig Angst vor Google
Vor einem Jahr zitterten alle vor dem Markteintritt von Google for Jobs und der Facebook-Jobsuche in Europa und der Schweiz. Nach dem Start in mehreren Ländern lässt sich sagen: Die grosse Revolution und das Ende der klassischen Jobportale sind noch nicht eingetreten. 2019 wird daher ein entscheidendes Jahr für die grossen Player; ob sie es schaffen, in den offenbar von den bestehenden Anbietern gut bewirtschafteten Markt weiter vorzudringen? Bleibt die Facebook-Jobsuche ein Grabbeltisch für Billigjobs, dürften die Chancen in der Schweiz gering bleiben. 

Prognose 9: Was nicht digital wird
Genauso wie es prioritäre Bereiche für Digitalisierungsprojekte im HR gibt, gibt es Felder, bei denen ein Digitalprojekt nichts bringt, entweder weil die Prozesshäufigkeit zu gering ist oder weil das Optimierungspotenzial schlicht nicht gross ist. Etwa beim Thema Definition und Richtlinien für Karrierewege, Führungskräfteentwicklung, Prämien, Branding, Beförderungs- und Talentmanagement oder bei der Mitarbeiterbetreuung etwa durch Gesundheitsprogramme gibt es kaum Potenzial, dass durch ein Digitalprojekt irgendetwas besser wird. Diese Bereiche bleiben 2019 also so, wie sie sind.

Stefan Mair
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