Der grosse Wirtschaftsprozess rund um Pierin Vincenz läuft seit Dienstag. Ihm drohen bis zu sechs Jahre im Gefängnis und Rückzahlungen in Millionenhöhe. Auch die Verfahrenskosten könnten ihm angelastet werden und das Honorar seines Star-Anwaltes Lorenz Erni, das Hunderte Stunden umfassen wird, wird Vincenz übernehmen müssen. Der Fall Vincenz ist ausserordentlich, seine visierten Spesenrechnungen suchen ihresgleichen, aber er wirft die Frage auf, inwiefern Manager und Managerinnen privat von ihren unternehmerischen Entscheidungen und deren weitreichenden Folgen geschützt sind.

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Genau für solche Fälle sollten Unternehmen eine Organhaftpflichtversicherung abschliessen. Diese auch D&O (Directors and Officers) genannte Versicherung schützt das Privatvermögen von Geschäftsleitung und Verwaltungsräten. Die Zurich Versicherung schreibt, dass ihre Versicherung «die Kosten für die Abwehr von Klagen und unbegründeten Forderungen sowie allfällige Entschädigungszahlungen» potenziell übernimmt. Entsprechend der Höhe der möglichen Zahlungen verfügen heute fast alle börsenkotierten Unternehmen über eine solche D&O-Versicherung. Selbstverständlich erfolgen keine Zahlungen in Fällen von vorsätzlichem Vergehen. Hingegen greift die Versicherung, wenn eine Entscheidung mit der besten Absicht getroffen wurde und sich im Nachhinein als verheerend entpuppt.

Haftungsrisiko und Prämien steigen

Die letzten Jahre hätte das Haftungsrisiko für Organe stark zugenommen, sagte Markus Haefeli, Managing Partner bei Haefeli & Schroeder Financial Lines gegenüber der HZ Insurance bereits im Oktober. «Neuartige Risiken wie die Pandemie, Cyberattacken, Digitalisierung, der Klimawandel oder der Datenschutz belasten das Top-Management zusätzlich.» Die Folge neuer Risiken ist, dass die Nachfrage nach Versicherungen, aber auch der Preis der Prämien steigt. In welchem Bereich sich die versicherte Summe und die Höhe der Prämien bewegen, wollte bis anhin aber keine Versicherung öffentlich preisgeben. Experten aus der Branche sprechen davon, dass die Spannweite der Prämien von unter 1000 Franken bis hin zu sechsstelligen Beträgen reicht. Durch die Zunahme der Klagen und der gleichzeitig steigenden Nachfrage, kann es auch passieren, dass die Prämien sprunghaft ansteigen.

Trotz steigender Prämien lohnt sich aber eine Versicherung nach wie vor. Die Axa beispielsweise inkludiert in ihrer Organhaftpflichtversicherung zusätzlich die Versicherung der Reputationskosten. «Wenn das Ansehen oder der gute Ruf einer versicherten Person im Zuge eines Schadenfalls in der Öffentlichkeit nachweislich geschädigt wird, zahlt die Axa die Kosten für die Wiederherstellung von Ansehen und gutem Ruf.» Zusätzlich übernehme sie auch die psychologischen Beratungskosten. Eine Organhaftpflichtversicherung geht folglich weiter als ein reiner Schutz des Privatvermögens.

Unabhängig von der Unternehmensgrösse

Eine Organhaftpflichtversicherung ist bei börsenkotierten Unternehmen bereits Standard. Doch Versicherungsfirmen werben damit, dass eine solche auch für KMU zu empfehlen sei. «Die gesetzlichen Grundlagen der Organhaftpflicht sind für kleine, mittlere und grosse Unternehmen die gleichen. Gerade Unternehmensorgane von KMU werden in den letzten Jahren immer häufiger mit Haftungsklagen konfrontiert», schreibt die Axa. Entsprechend sollten sich Unternehmen jeglicher Grösse Gedanken machen. 

Vor allem sollten sich Unternehmen bereits präventiv mit dem Thema auseinandersetzen. Structuul, eine Beratungsfirma, die sich auf Präventionsprogramme spezialisiert hat, schreibt auf ihrer Webseite, dass sie Verwaltungsrätinnen und -räte sowie Geschäftsleitungsmitglieder «in Fällen von Non-Compliance, Wirtschaftskriminalität und Cyberkriminalität sowie bei den Herausforderungen rund um den Faktor Mensch und Führungsthemen» unterstützen. Dazu arbeiten sie mit Kunden Fallbeispiele durch, um sie bestmöglich auf Fälle vorzubereiten und mit ihnen Strukturen und Werkzeuge zu implementieren, die helfen, fehlerhaftes Verhalten vorzubeugen. Mögliche Unregelmässigkeiten können so schneller entdeckt und Entscheidungen mit verheerenden Folgen frühzeitig verhindert werden.

Tina Fischer
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