Eine Nachricht auf dem Handy, ein neues E-Mail im Postfach, ein Kommentar auf Linkedin – schon ist sie dahin, unsere Konzentration. Es fällt uns zunehmend schwer, ungestört und ohne Ablenkung über längere Zeit fokussiert an etwas zu arbeiten.

Die Welt ist voller Ablenkungen, und das ist das grösste Hindernis für konzentriertes Lernen oder Arbeiten. Grossraumbüros, ständige Erreichbarkeit und viele unterschiedliche Kommunikationskanäle tragen alle dazu bei, dass fokussiertes Arbeiten heute zu einer raren, aber sehr kostbaren Fähigkeit geworden ist.

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Dabei stellte das fokussierte Arbeiten bereits vor der Digitalisierung eine Herausforderung dar. Der Schweizer Psychiater Carl Jung hatte sich bereits 1922 ein eigenes Büro für die fokussierte Arbeit eingerichtet. Nur er hatte Zugang zum Turm in seinem Anwesen in Bollingen am Zürichsee.

Auch die Autorin der Harry-Potter-Serie, J. K. Rowling, konnte sich nicht immer voll und ganz dem Schreiben widmen. Beim Finalisieren des letzten Bandes wurde sie häufig gestört. Sie startete einen Versuch und buchte sich für einen Tag in einem Luxushotel in Edinburgh ein. So setzte sie sich selber unter Druck; einerseits, weil sie das Zimmer nur für eine Nacht gebucht hatte, anderseits, weil es wahnsinnig teuer war. Der Trick funktionierte. Und aus dem einen Tag wurde gar ein sechsmonatiger Arbeitsaufenthalt im Balmoral-Hotel.

Wochen voller Meetings

Nicht nur ständige Ablenkungen, auch die Entwicklung zu immer mehr Meetings erschweren konzentriertes Arbeiten. Gemäss einer Studie des Managementmagazins «Harvard Business Review» steigerte sich die in Meetings verbrachte Arbeitszeit von Angestellten seit der Pandemie um über 60 Prozent.

Das entspricht rund fünf bis acht zusätzlichen Terminen pro Woche und Mitarbeiter oder Mitarbeiterin. Covid und Homeoffice trugen zur Entwicklung bei, nach der Pandemie scheinen jetzt viele Organisationen Schwierigkeiten zu haben, diese Meetingflut wieder einzugrenzen.

Gleichzeitig haben die Angestellten während der meetingfreien Zeit oft zu wenig Selbstdisziplin und zu viele andere Aufgaben, als dass sie ihre To-dos abarbeiten könnten. Dabei gilt es, zu unterscheiden zwischen Aufgaben, die erledigt werden müssen, und denjenigen, die wichtig sind und eine Person beruflich weiterbringen. Während das Beantworten einiger Mails in der Regel weniger Kapazität benötigt, braucht es viel Hirnschmalz, um eine komplexe Präsentation zu konzipieren oder eine wichtige Rede vorzubereiten.

«Shallow Work» versus «Deep Work»

Cal Newport, Sachbuchautor und Professor für Informatik, unterscheidet deshalb zwischen «Shallow Work» und «Deep Work». Im Gegensatz zu Shallow Work – hier gehören weniger komplexe Aufgaben hinzu – bezeichnet er mit Deep Work den Zustand völlig konzentrierter und fokussierter Arbeit.

Cal Newport begann die Regeln und Denkweisen zu erforschen, die individuelles, fokussiertes Arbeiten fördern – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber firmenweite Massnahmen ergreift, um dies zu unterstützen. Für ihn ist die klare Erkenntnis seiner Forschung: «Wer in unserer schnelllebigen und sprunghaften Zeit nicht untergehen will, für den ist das Konzept ‹Deep Work› unerlässlich.»

Einige Unternehmen berücksichtigen Deep Work bereits mit bewusst gesetzten «No Meeting Days», die firmenweit gelten. Ein andere Option ist das «Hersteller-versus-Manager-Konzept»: An sogenannten Manager-Tagen dürfen die Vorgesetzten mitreden, an den Hersteller-Tagen können Mitarbeitende unterbrechungsfrei an konkreten Projekten arbeiten.

Mittlerweile gibt es aber weitere Erkenntnisse aus der Forschung, die sich im Arbeitsalltag einbauen lassen. Diese einfachen Übungen können die eigene Konzentration stärken und Deep Work im Alltag ermöglichen:

Alltagsmethoden für die fokussierte Arbeit

Multitasking eingrenzen: Deep Work ist das Gegenteil von Multitasking. Wer versucht, mehrere Arbeiten gleichzeitig zu erledigen, dem fällt es schwer, gleichzeitig komplexe Aufgaben zu lösen. Versuchen Sie, Ihre Aufgaben klar zu priorisieren und sie nacheinander anzugehen. Vielleicht gibt es auch Aufgaben oder Projekte, die Sie ganz bewusst auf einer «Nicht heute»-Liste eintragen können. So bleibt der Fokus auf der aktuell wichtigsten Aufgabe.

Ablenkungen minimieren: Schaffen Sie sich den mentalen Raum, den Sie für fokussiertes Arbeiten benötigen. Dazu schalten Sie am besten für einige Zeit Ihr Handy aus oder legen es in einen anderen Raum. Auch das E-Mail-Programm kann für einige Stunden ruhen, sodass neu eintreffende E-Mails nicht die Arbeit unterbrechen. Eine Möglichkeit sind fix eingeplante E-Mail-Zeiten. So können Sie in der restlichen Zeit auf andere, komplexere Aufgaben fokussieren. Auch ablenkende Programme wie Google Chat, Slack oder Teams können temporär pausiert werden.

Die Pomodoro-Technik

Wer sein Zeitmanagement umstellen möchte, kann mit der Pomodoro-Technik erste Versuche starten. Die Technik hilft, regelmässig vertieft und fokussiert zu arbeiten oder zu lernen. Die Technik basiert auf zeitlich definierten Arbeitsblöcken: Phasen von hoch konzentrierter Arbeit (meist 25 Minuten lang) wechseln sich mit Pausen (5 Minuten lang) ab.

In der konzentrierten Phase widmet man sich einer Aufgabe, einem Kapitel oder einem anderen klar abtrennbaren Thema. Die Aufgabe sollte genug klein sein, dass man sich gut dafür motivieren kann. Nach vier Zeitfenstern à 25 Minuten mit 5-minütigen Pausen folgt eine längere Pause. Dann beginnt der Block wieder von vorne.

Der Vorteil der Pomodoro-Technik ist, dass sie Pausen mitintegriert, um die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Ausserdem benötigt die Methode nur einen Timer und eine Aufgabe. Es finden sich praktisch in jedem Webbrowser Add-ons, die mit einem Klick installiert werden können. 

Räumliche Ruhe schaffen: Es gibt Orte, an denen arbeitet man besser als an anderen. Überlegen Sie sich, wo Sie welche Arbeit am effizientesten erledigen. Haben Sie im Homeoffice oder im Büro mehr Ruhe? Stören die Mitarbeitenden oder die Familienmitglieder mehr? Wo fällt es Ihnen leichter, sich zu konzentrieren? Diese Orte gilt es, gezielt aufzusuchen, mit den dafür ausgewählten Arbeiten.

Realistische Ziele setzen: Legen Sie klare Ziele für Ihre Arbeit fest. Wenn Sie wissen, was Sie erreichen möchten, können Sie Ihre Zeit effektiver nutzen. Eine Hilfestellung ist, wenn sich das Ziel in Unterziele aufteilen lässt. Zwischenerfolge motivieren, und das Ziel rückt sichtbar näher.

Routine aufbauen: Prüfen Sie, ob Sie jede Woche feste Zeiten für fokussiertes Arbeiten reservieren können. Finden in Ihrem Unternehmen beispielsweise am Freitagnachmittag selten Meetings statt? Dann könnte der Freitagnachmittag zu Ihrem fixen Zeitfenster für ungestörtes Arbeiten werden. Planen Sie die regelmässigen Zeitfenster fest ein, bis sich eine Routine einstellt. So kostet es Sie mit der Gewohnheit weniger Überwindung, den Plan auch durchzuziehen.

Pausen einbauen: Niemand kann über Stunden fokussiert arbeiten. Pausen sind unabdingbar, gerade nach einer längeren Fokussession. Nur dank einer Pause mit frischer Luft oder einem Snack kann man sich über längere Zeit konzentrieren.

Mithilfe dieser Tricks können anspruchsvolle Ziele im Businessalltag oder auch im Lernalltag schneller erreicht werden. Deep Work lässt auch innovative Ideen entstehen, die sonst im hektischen Alltag während des Multitaskings untergehen. Konzentriertes Arbeiten soll aber gelernt sein. Die Erfolge stellen sich erst mit der Zeit ein, zu Beginn ist Durchhaltewillen und Geduld gefragt. Doch der Erfolg zahlt sich aus durch volle Konzentration und besseres Arbeiten.