An den Swiss Skills, den Berufsmeisterschaften, zeigt sich jedes Jahr aufs Neue: Hier steht die Elite von morgen auf der Bühne. Junge Berufsleute, die mit Präzision, Können und Professionalität beeindrucken. Die unter Zeitdruck liefern, kreativ Probleme lösen und zeigen, was sie in der Praxis gelernt haben. Wer dort zuschaut, erlebt hautnah, wie Berufsbildung funktioniert: praxisnah, dynamisch, am Puls der Zeit.

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Die Berufsschule macht es vor: Bewerbungstrainings gehören zum Standard. Soft Skills werden gezielt geschult. Der Kontakt zur Arbeitswelt ist nicht theoretisches Beiwerk, sondern gelebte Praxis. Lehrlinge wissen, wie sie sich verkaufen müssen, wie ein professioneller Auftritt aussieht und was der Arbeitsmarkt von ihnen erwartet. Die Berufsbildung hat verstanden: Bildung muss sich an dem orientieren, was danach kommt.

Und das Gymnasium? Es bereitet auf die Universität vor – das ist sein Auftrag, und den erfüllt es. Doch die Frage ist: Tut es das noch zeitgemäss? Während Berufsschulen ihre Lehrpläne laufend anpassen und mit der Wirtschaft im Dialog stehen, scheint das Gymnasium in einer Zeitkapsel gefangen.

Musiktheorie mit Harmonielehre, Kontrapunkt und Rhythmus gehört noch immer dazu, obwohl die Wirtschaft kaum Musiktheoretiker sucht. Die Schüler interpretieren den «Panther» von Rilke und Goethes «Prometheus» – wichtige Werke, keine Frage, aber eben auch seit Jahrzehnten dieselben. Sie kennen den Verlauf der tektonischen Platten, aber sie wissen nicht, wie man eine Steuererklärung ausfüllt oder ein Bewerbungsgespräch führt.

Künstliche Intelligenz verändert auch die Lehre

KI macht alles noch deutlicher: Chat GPT schreibt Aufsätze, Gemini löst Matheaufgaben, und Claude übersetzt Texte. Die klassischen Gymnasialkompetenzen? Zunehmend obsolet. Was zählt, sind kritisches Denken, Anpassungsfähigkeit und unternehmerisches Handeln. Doch der Gipfel der Ironie: Ausgerechnet Wirtschaft und Recht, das einzige Fach mit echtem Praxisbezug, soll im Kanton Zürich gekürzt werden. Das Fach, in dem Jugendliche lernen, wie Verträge funktionieren, was Aktien sind und wie unsere Rechtsordnung aufgebaut ist.

Solche Entscheide bringen eine unangenehme Wahrheit zutage: Das Gymnasium bildet nicht für die Zukunft aus, sondern lehrt noch mit Blick auf die Vergangenheit. Es produziert junge Menschen, die zwar akademisch gebildet, aber lebenspraktisch unterversorgt sind. Die eloquent über Goethe sprechen, aber keinen Businessplan lesen können. Die komplexe Gedichte analysieren, aber in Excel scheitern.

Was es bräuchte: mehr Praxisbezug, mehr Zukunftsorientierung, mehr Mut. Das Gymnasium sollte endlich aufwachen – bevor es komplett den Anschluss verliert.