Als Ökonom, Professor und Wissenschafter sind Sie bekannt - etwa als Direktor des Instituts für Finanzmanagement (IFM) der Universität Bern sowie als Vizepräsident des Rochester-Bern Executive MBA Program. Folgt jetzt mit der Übernahme der Leitung des Swiss Finance Institutes (SFI) noch eine Karriere als Manager?
Claudio Loderer: Bereits als Leiter des IFM habe ich mit Personalführung, rund zehn Stellen, Budget und dem Betrieb zu tun und dazu natürlich der Weiterentwicklung und Positionierung des Institutes. Ähnlich viele Personen gilt es in der virtuellen Organisation zu führen, welche den Rochester-Bern Executive MBA – gleichzeitig mit einem Abschluss an der Universität Bern – in der Schweiz ermöglicht. Jetzt kommen mit dem SFI weitere Aufgaben und deutlich mehr Personen dazu. Verbindend ist, dass vor allem anderen die Qualität der Angebote stimmen muss. Da der Rochester-Bern Executive MBA nie Gelder von Bund oder Kanton erhalten hat, weiss ich auch bestens Bescheid über private Finanzierungswege. Das SFI ist eine gemischtwirtschaftliche Partnerschaft mehrerer Universitäten, Behörden und Banken. Um Zeit für die neue Aufgabe zu haben, reduziere ich mein Pensum an der Universität Bern auf 50 Prozent.
Wie unterschiedlich sind die drei Aufgaben unter Ihrem Hut?
Loderer: Die drei Ausbildungswege sind komplementär. Das bedeutet unterschiedliche Aufgaben. Am IFM gilt es die Qualität der Ausbildung sicherzustellen, die Studierenden zu motivieren und die Assistentinnen zu begeistern und beiden Teilen relevante Forschungsarbeiten zu ermöglichen. Das wichtigste Ziel des Rochester-Bern Executive MBA bleibt, die richtigen Leute zu finden, damit alles rund läuft. Für Dozierende besteht dafür heute ein Markt an Top-Lehrkräften. Dieser reicht von London über Belgien bis nach Israel – oder Rochester in den USA. Die in einem aufwendigen Verfahren ausgewählten Studierenden wohnen hingegen vorwiegend in der Schweiz. Am SFI gilt es zu koordinieren und die richtigen Impulse zu geben.
Und wo fliesst am meisten Herzblut?
Loderer: Beim gemeinsamen Ziel, Leute für eine Aufgabe zu begeistern. Freude macht mir, wenn gute Arbeit geleistet wird und motivierte Leute eine wichtige Rolle und Verantwortung übernehmen.
Drei Institute, alle auf die Finanzbranche ausgerichtet: Ist das Konkurrenz oder Gleiches in unterschiedlicher Form?
Loderer: Es gibt kaum Konkurrenzierung, aber viel Ergänzung. Das IFM ist ein Institut der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern. Entsprechend unterschiedlich ist die Zielsetzung der 80 bis 100 Studierenden. Sie schliessen als Finanzspezialisten ab, die ihr breites Wissen über Finanzmanagement, Bewerten, Risikoanalyse oder internationales Finanzmanagement in den verschiedensten Branchen und auch der öffentlichen Verwaltung anwenden können. Der Rochester-Bern Executive MBA richtet sich an Generalisten. Jedes Jahr starten etwa 35 Studierenden aus den unterschiedlichsten Branchen. Das SFI hingegen ist auf die Welt der Banken ausgerichtet. Dort überlegen wir uns aber, wie die Versicherungsbranche einbezogen werden kann. Ein weiterer Aspekt ist, dass das praxisbezogene SFI zwar in der Forschung eng mit mehreren Universitäten zusammenarbeitet, aber nicht zu einem Universitätsabschluss führt. Ein Bachelor oder Master via das Swiss Finance Institute dürfte sinnvoll sein.
Also gewisse Synergien, aber eher kein Zusammenschluss zu einem gesamtschweizerischen Finanzinstitut?
Loderer: Eine engere Kooperation der zwei gut eingeführten Marken IFM und SFI – nein. Oberstes Ziel des SFI ist übrigens, sicherzustellen, dass die Schweiz in Forschung, Wissenstransfer und Lehre an den entscheidenden Orten ganz vorne positioniert ist. Als Ausbildungsstätten für Finanzfragen stehen wir in einem internationalen Wettbewerb. Beim neu geschaffenen Executive MBA in Asset and Wealth Management wird es letzten Endes um das beste Programm, den hervorragenden Ruf, weniger um den Kampf um Studierende gehen. «Wer hat Einfluss auf den Gang der Gesellschaft, wer kann Entscheide beeinflussen» – das ist der Massstab dieses Vergleichs. Dank unserer Ausbildung sollten Leute entscheidende Stellen der Gesellschaft erreichen. Ein guter Ruf als Ausbildungsstätte stärkt zugleich den Finanzplatz Schweiz.
Einen guten Ruf hat auch das 1968 gegründete Schweizerische Institut für Banken und Finanzen (IBF) der Universität St. Gallen, das Wissenszentrum für Bankwirtschaft, Finanzierung sowie Kapitalmarktforschung.
Loderer: Ja, aber auch da sehe ich kaum Konkurrenz. Das SFI nimmt dem IBF keine Studierenden weg – und umgekehrt. Mit der Universität St. Gallen möchte das Swiss Finance Institute übrigens kooperieren.
Drei Hüte tragen sie, damit verkörpern Sie ideal den Dreiklang von Lehre, Forschung und Dienstleistung, wie er in der Schweiz insbesondere für die Hochschulen und die Fachhochschulen gilt.
Loderer: Nein, im Gegenteil. Ich glaube, man sollte von dieser Vermischung unterschiedlicher Fähigkeiten wegkommen. Spezialisierung ist auch zwischen Ausbildung und Forschung notwendig. Man sollte niemanden zu einer Tätigkeit zwingen, die ihm nicht liegt. An einer Universität gehört zudem immer Verwalten mit dazu. Ich selber bin mit der Mehrfachfunktion gross geworden. Mit meiner Dreifachfunktion als Dozent, Forscher und Leiter von Instituten mit mehreren Dutzend Mitarbeitenden bin ich aber vermutlich ein Auslaufmodell. Es ist besser, die Leute konzentrieren sich auf das, was sie am besten können. So lassen sich zudem einfacher Praktiker für Lehraufträge gewinnen, die den Bezug zum Alltag einbringen. Spezialisierung gilt umso mehr, weil mit den heutigen Möglichkeiten von Podcast oder Webcast die Studierenden sich weltweit bei den besten Lehrkräften einklinken können.
Noch drückt die Finanzkrise die Banken und prägt das öffentliche Denken. Ändert das auch die Lehrinhalte?
Loderer: Generell hat die Krise keine neuen Themen aufgezeigt. Aber es gilt Gewichtungen zu verschieben. Darum müssen gewisse Inhalte angepasst werden. Risikomanagement, Governance, die gute Unternehmensführung und Compliance, die Kontrolle der Einhaltung von Grundregeln, müssen stärker betont werden. Auch haben die Banken das Bedürfnis, dass die Beschäftigten ein gemeinsames, einheitlich definiertes Rüstzeug mitbringen. Risikomanagement als Beispiel hat einen ganz anderen Stellenwert erhalten. Sowohl Verwaltungsräte wie Geschäftsleitungen sollten beispielsweise über die Risiken des finanziellen Hebels zwischen Verschuldung zu tiefen Zinsen und Investitionen mit viel Rendite, aber auch hohem Risiko Bescheid wissen. Dass gilt umso mehr, wenn das Management am so erzielten Erfolg partizipiert. Entsprechende Aus- und Weiterbildung ist gefragt – und nötig.
... und welche Auswirkungen hat die zunehmende Computerisierung und Mathematisierung der Finanzbranche?
Loderer: Natürlich spüren wir das. Doch jede Branche hat ihre Spezialisten, ob Biotechnik oder Ingenieurskunst. Sie entwickeln Produkte, die andere auf den Markt bringen. Gute Finanzfachleute müssen darum nicht Mathematiker sein. Aber sie müssen gut kommunizieren können. Generell wird Kommunikationsfähigkeit immer wichtiger. Dabei hilft aber immer ein gesunder Menschenverstand: Er erlaubt, die richtigen Fragen zu stellen und die notwendigen Antworten einzufordern.
Zur Person
Name: Claudio Loderer (60)
Funktion: Direktor des Instituts für Finanzmanagement und Vizepräsident Rochester-Bern Executive MBA an der Universität Bern; Managing Director Swiss Finance Institute, Zürich
Ausbildung: Wirtschaftsstudium in Bern; Master und Ph.D. in New York (University of Rochester, NY)
Karriere: Seit 1990 ist Loderer Wirtschaftsprofessor an der Universität Bern und Direktor des Instituts für Finanzmanagement (IFM). 1995 war er Mitbegründer sowie Direktor des als Kooperation zwischen den gleichnamigen Universitäten geschaffenen Rochester-Bern Executive MBA Program. Seit 1. Februar 2011 ist Loderer zudem Managing Director des Swiss Finance Institute (SFI) mit Sitz in Zürich. Deshalb hat er sein Pensum in Bern auf 50 Prozent reduziert.
IFM Das Institut für Finanzmanagement (IFM) der Universität Bern befasst sich mit Ausbildung, Forschung und Beratung in den Bereichen Corporate Finance, Corporate Governance, Risk Management, Performance-Messung, leistungsabhängige Entlohnung.
MBA Der Rochester-Bern Executive MBA ist ein berufsbegleitendes Programm in General Management. Beim Abschluss erhalten die Absolventen den MBA der University of Rochester und den EMBA der Universität Bern.
SFI Das Swiss Finance Institute (SFI) ist eine privaten Stiftung der Schweizer Banken- und Finanzbranche, das 2006 in Zusammenarbeit mit Schweizer Universitäten gegründet wurde. Es unterstützt Forschung und Ausbildung im Gebiet der Finanzwissenschaft.