Das Alter von fünfzig Jahren ist für mich ungefähr gleich fern wie Ostern im Oktober. Oder Weihnachtsmusik im Sommer. Und doch ist es ein Thema, das uns alle angeht. Denn es ist offensichtlich: Wir Menschen altern. Das ist nichts Neues. Neu ist, dass aufgrund der aktuellen demografischen Entwicklung ein Drittel der Schweizer Erwerbsbevölkerung fünfzig Jahre und älter ist. Das durchschnittliche Erwerbsalter hat sich seit den 1990ern von 39 auf 42 Jahre erhöht. Bis 2050 wird nicht nur die Generation der Babyboomer, sondern auch die Generation X, die bis 1979 geboren ist, vom Arbeitsmarkt verschwinden.

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Das reisst ein Loch in viele Firmen, denn das damit abwandernde Wissen ist enorm. Was aber machen Firmen? Statt diesen Fakt anzuerkennen, klagen sie über Fachkräftemangel und schwierige Zeiten, um Stellen zu besetzen. Gleichzeitig entlassen sie Personen über fünfzig Jahren mit der Begründung, dass sie zu teuer und zu unflexibel seien. Auch ohne Entlassung findet oft ein schrittweiser Abbau der Arbeitskraft durch Teilzeitarbeit oder Frühpensionierung statt. 

Abbau statt Aufbau der Arbeitskraft

Was offenbar keine Option ist, sind Investitionen in die älteren Semester. Abbau statt Aufbau der Arbeitskraft – das klingt wie ein schlechter Witz. Es würde viel mehr Sinn machen, auch älteren Beschäftigten Talent- und Karriereentwicklungen zur Verfügung zu stellen und damit zu versuchen, sie so lange wie möglich zu halten.

Dass ihnen diese Möglichkeiten nicht geboten werden, ist schade und zeugt von herrschenden Vorurteilen: Personen über fünfzig sind nicht digital fit. Sie lernen langsam, haben hohe Lohnvorstellungen und sind unflexibel. Dabei widerlegen Studien, dass ältere Mitarbeitende weniger veränderungsbereit seien als jüngere. Ü50er sind weder alt noch zwangsläufig grauhaarig, noch kompliziert. Klar gibt es Ausnahmen. Aber zum Grossteil sind sie es, die eine Firma tragen und diese mitunter seit Jahren mitgestalten. Sie kennen den Ablauf, haben Erfahrung und wissen, wann etwas läuft – oder eben nicht. Ausserdem sind sie oft treue Seelen; dankbar für den Job und motiviert für die Arbeit.

Die Gelassenheit der älteren Semester

Fünfzigjährige haben noch eine Karriere von 15 oder gar mehr Jahren vor sich. Heute sind wir länger fit, und eine zunehmende Anzahl Leute ist bereit, auch über das Rentenalter hinaus zu arbeiten. Sie haben so manche Krise und Veränderung bereits erlebt und sind daher oft in stressigen Situationen gelassener. Von dieser Gelassenheit und Erfahrung profitieren nicht nur Firmen, sondern auch junge Arbeitnehmende. 

Statt also nur junge Arbeitskräfte mit Angeboten zu sich zu locken und sich um die Alten zu foutieren, sollten Firmen alle Generationen im Unternehmen pflegen. Denn laut einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) steigt die Produktivität aller Mitarbeitenden, wenn sich die Teams aus älteren und jüngeren Menschen zusammensetzen. Dank Mentoringprogrammen lernt Jung von Alt – und dank dem Austausch auch Alt von Jung. Und wer zusätzlich den Ü50ern eine Ausbildung ermöglicht, darf sich über eine treue Seele in der Belegschaft freuen, die bis zum Rentenalter – oder gar darüber hinaus – gute Arbeit leistet.

Tina Fischer
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