Gewinn sei das Motiv unternehmerischer Tätigkeit schlechthin. Ein zwar unbewiesenes Postulat, das aber so einleuchtend ist, dass man darob andere Möglichkeiten übersieht, sogar jene, einmal zu untersuchen, ob es stimmt.

Was die Motive von Unternehmern und Managern wirklich sind, wissen diese meistens nicht einmal selbst. Darum sagen sie im Interview «Gewinn», denn so genau haben sie darüber noch gar nie nachgedacht. Ausserdem haben Sie keine Zeit für Fragebögen, denn sie wollen sich um ihre Kunden kümmern.

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Es gibt aber Unternehmer, die tatsächlich gewinnmotiviert sind und auch so handeln. Nicht wenige von ihnen sind nach kurzer Zeit bankrott, weil das Gewinnstreben sie in eine wirtschaftliche Sackgasse treibt, was in der Logik des Gewinnmotivs liegt. Es gibt andere, die zwar behaupten, gewinnmotiviert zu sein, im konkreten Fall aber anders handeln, anscheinend kennen sie ihre eigenen Interessen nicht.

Zwei Motive kommen in der Diskussion aber so gut wie nicht vor, die man aber leicht erkennen kann, wenn man lange genug mit realen Menschen in realen Situationen real zu tun hat und nicht auf Fragebögen angewiesen ist.

Das erste Motiv ist der Wille zur Unabhängigkeit: Niemals einen Chef haben! – Das ist ein so starker Antrieb, dass KMU-Unternehmer enorme Opfer und Risiken auf sich nehmen. Und es ist ihnen weitgehend egal, ob sich das im ökonomischen Sinne sogenannt «rechnet», denn sie rechnen anders. Für die zahllosen Familienbetriebe in der Gastronomie und im Gewerbe oder für die Freaks in der Web- und Modewelt sind ihre Beiz, ihr Shop und ihr Computer ihr Leben.

Das zweite Motiv ist die tiefe Überzeugung, etwas besser zu können als andere – und der unbeugsame Wille, das zu beweisen. Man sieht das sogar bei erzkapitalistischen, scheinbar ausschliesslich gewinnmaximierenden Unternehmern, wie etwa John D.
Rockefeller, wenn man genau genug hinschaut.

Rockefeller war überzeugt, vom Ölgeschäft mehr zu verstehen als jeder andere. Und er war besessen davon, ihnen dies zu beweisen, was ihm zu seiner Zeit auch glanzvoll gelang.

Für die meisten Innovatoren ist das mit Abstand die stärkste Triebkraft. Sie machen Pleite und fangen wieder an und machen wieder Pleite und machen gerade deshalb weiter. Beispiele dafür gibt es zuhauf, von früher und von heute.

Carl Benz ist eines von vielen. Eindrucksvoll auch deshalb, weil es zeigt, welchen Anteil die Frauen oft am Erfolg haben. Benz war ein mittelloser, besessener Träumer. Er hatte das Wissen, aber kein Geld. Seine Frau Bertha beschaffte Geld, liess sich ihr Erbe vorzeitig auszahlen, half ihm über seine Depressionen hinweg und machte Public Communication, indem sie mit ihrer 106 Kilometer langen Jungfernfahrt von Mannheim nach Pforzheim dem Automobil und ihrem Mann zu Weltruhm verhalf, obwohl sie damit im Jahr 1888 gegen Sitte und Anstand verstiess. Gewinn? Ja, auch, aber später. Steven Jobs ist ein anderes Beispiel, auch J.P. Morgan und Gottlieb Duttweiler.

Nach fast 40 Jahren Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit Unternehmern stelle ich zur Abwechslung die These zur Diskussion, dass die meisten erfolgreichen Unternehmer und Unternehmensführer im Dienst einer Sache und einer Überzeugung handeln – und für ihre Unabhängigkeit. Gerade deshalb machen sie oft grössere Gewinne als die gewinnorientierten – was dann zur Legende führt, sie seien gewinngetrieben.

Fredmund Malik, Management-Experte, ist Unternehmer, habilitierter Professor, Gründer und Chef von Malik Management sowie Autor mehrerer Fachbücher-Bestseller.