Viele Menschen in der Schweiz mussten im Corona-Jahr Lohneinbussen hinnehmen. Wie hat die Pandemie die Schweizer Kaderlöhne beeinflusst?
Jörg Scholten: Der Einfluss der Covid-19 Pandemie hat sich abhängig von der Branche auf Vergütungen und Vergütungsentscheidungen ausgewirkt. Die Vergütungserhöhungen fallen dieses Jahr mit einem Mittelwert von 0.4 Prozent deutlich niedriger aus als noch im letzten Jahren mit 0.8 Prozent. Auch verzichten einige Unternehmen aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie gänzlich auf Gehaltserhöhungen. Von der Covid-19 Pandemie stark betroffene Branchen haben im Vergleich zu den letzten Jahren auch tiefere variable Vergütungen ausbezahlt. Dies zeigt sich in abgeschwächter Form bei Fachkräften, Spezialisten sowie dem unteren Kader. Beim höheren Kader und dem Top Management sind die Reduktionen deutlich ausgeprägter.

Ganz konkret: Gab es Lohnkürzungen?
Der unmittelbare Einfluss beschränkt sich auf Branchen, welche von der Pandemie betroffen sind. Aber auch da stellen Lohnkürzungen die Ausnahme dar. Nebst den bereits angesprochenen tieferen variablen Bezügen gab es regelmässig Lohnverzichte, welche vom Kader freiwillig gemacht oder zumindest akzeptiert wurden.

Gibt es eine Branche mit einem auffällig positiven Trend bei den Salären?
Die Branchen IT und Telekommunikation, Erbringung von Dienstleistungen der Informationstechnologie und Herstellung von chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen, Biotechnologie und Kunststoff zeigen in den Salärstudien die auffälligsten Vergütungserhöhungen. Diese und andere Branchen lassen ihre Belegschaft einerseits am Geschäftserfolg partizipieren, andererseits senden sie so klare Signale in Richtung Arbeitnehmermarkt. Der «war for talents» besteht nach wie vor. Dies lässt sich auch aus den Vergütungsdaten lesen.

Inwiefern?
Viele Unternehmen verfügen über Vergütungssysteme, bei welchen die Ausschüttung der variablen Vergütung zumindest teilweise an Unternehmensziele geknüpft ist. So gibt es Unternehmen die für das Jahr 2020 theoretisch nicht verpflichtet gewesen wären variable Vergütungen zu entrichten. Diverse Firmen übersteuerten jedoch aus Respekt vor ungewollter Fluktuation den festgelegten Mechanismus zu Gunsten der Arbeitnehmenden.

Welche Trends haben Sie in den letzten Krisenmonaten beim Thema Compensation in Schweizer Unternehmen beobachtet?
Die Corona-Krise hat vielen Unternehmen die Grenzen klassischer Vergütungssysteme aufgezeigt. Da die Vergütungssysteme meist von einer einjährigen Performance-Periode ausgehen, welche keine unterjährigen Anpassungen vorsieht, haben diese Zielvereinbarungssysteme bereits Mitte des vergangenen Jahres ihre Anreizwirkung verloren. Die Überarbeitung solcher Vergütungssysteme anhand von passenden Performance-Management-Systemen – beispielsweise generische Leistungsdefinitionen, Verwendung von Personalkonferenzen zwecks Leistungsmessung, OKR, Feedforward, Spot Awards, non-monetäre Anreize zur Leistungshonorierung und Anerkennung – erweist sich auch in besonderen Lagen als flexibel und zweckmässig und ist im Markt auf dem Vormarsch. Dementsprechend ist ein Trend in Richtung von adaptiven Vergütungs- und Performance Management Systemen zu erkennen.

Werden die Löhne in Schweizer Firmen transparenter?
Es zeigt sich der Wunsch nach höherer Transparenz in Vergütungsfragen. 71 Prozent der Befragten Arbeitnehmenden unserer Kienbaum Transparenzstudie, welche im Rahmen der Salärstudie erscheint, geben an, dass sie sich einen transparenteren Umgang mit Vergütungsentscheidungen wünschen. Daher empfiehlt es sich klar definierte Regeln zu kommunizieren. Dies stellt sicher, dass Vergütungserhöhungen und Bonuszahlungen einerseits zielgerichtet erfolgen, andererseits aber auch nachvollziehbar sind.

Welche Rolle spielen Lohnnebenleistungen?
Da ein geeignetes – und insbesondere gut kommuniziertes – Benefitsportfolio eine gute Möglichkeit ist, eine hohe Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen, zeigt sich der Trend, Nebenleistungen und Arbeitsbedingungen stärker in den Vordergrund zu stellen. Diese Form der Wertschätzung ist in Jahren von tiefen Vergütungsrunden und tiefen Boni besonders gefragt.

 

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Stefan Mair
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