Jemand, der eine Ware nicht hat und nicht haben will, verkauft sie an jemanden, der sie auch nicht haben will und sie gar nicht bekommt. Eine schöne Beschreibung der Futures-Märkte, die der Literaturwissenschaftler Joseph Vogl zum Besten gibt. Es werden nicht Waren, sondern Ansprüche auf eine Idee von Waren gehandelt. Das ist keine heillose Überspitzung. Die letzte Finanzkrise entstand durch verbriefte Hypothekar-Schuldverschreibungen auf Häusern, welche die Händler nicht nur nicht haben wollten – sie wussten nicht einmal davon.
Die Absurdität solcher Vorgänge ist für klassisch geschulte Ökonomen kaum zu erkennen. Sie sind in der Komplexität ihrer Modelle gefangen, betört von der Schönheit zwingender mathematischer Herleitungen. Um zu erkennen, dass Adam Smiths «unsichtbare Hand», welche die Märkte automatisch zu rationalen Endergebnissen führt, eine Metapher und keine Tatsache ist – dazu braucht es wohl einen Literaturwissenschaftler wie Joseph Vogl. Er liest ökonomische Texte eben als Texte, als Erzählungen, und versteht vielleicht gerade deshalb die Ökonomie viel besser. Vielleicht sollten Ökonomen ein bisschen mehr Philosophie studieren, Romane lesen und ins Theater gehen. Das wäre womöglich hilfreicher als die reine Imagination der wirtschaftlichen «Kennziffern».
Joseph Vogl - Das Gespenst des Kapitals
Diaphanes Verlag, Zürich, 234 Seiten, Fr. 23.50