Krisen wird es immer geben, vor allem unerwartete. Daran hat sich die Öffentlichkeit leider gewöhnen müssen. Im Zeitpunkt der Krise entsteht ein erhöhter Informationsbedarf. Die Leute wollen stets das Gleiche wissen, nämlich: Was ist geschehen? Warum ist es geschehen? Wer ist dafür verantwortlich? Was wird getan, damit sich die Krise nicht wiederholt?

Ob Tunnelbrand, Swissair-Grounding, Anthrax-Bedrohung oder Massenentlassungen – diese vier Fragen stehen immer im Vordergrund. Versagt hier die Kommunikation, so vergrössert sich die Wahrnehmung der Krise. Die Erfahrung lehrt, dass Krisen verziehen werden, nicht aber eine schlechte Krisenkommunikation. Die letzten Ereignisse in der Schweiz haben dies nur allzu deutlich gezeigt.

Welche Elemente sind deshalb bei der Kommunikation in der Krise besonders zu berücksichtigen? Insbesondere: Welche Fehler gilt es zu vermeiden?

Fehler 1
Mangelnde kommunikatorische Bereitschaftsplanung

Viele Unternehmen habe eine natürliche Tendenz zur Verneinung von Krisen. «Eine solche Krise kann uns nicht passieren», «wir sind zu gross dafür», «wenn es dann so weit kommen sollte, werden wir die Krise schon meistern» – dies hört man in der Krisenberatung nur allzu oft. Vielleicht weniger nach dem 11. September 2001. Der Umgang mit Krisen muss jedoch in jedem Fall sinnvoll vorbereitet werden. Besser noch sind Krisenübungen mit möglichst viel virtueller Realität. Nur sie zeigen auf, wo die eigentlichen Schwachstellen liegen.

Während physische Vorbereitungen wie etwa der Einsatz von Feuerwehr und Notfallorganisationen oder Evakuationen übungsmässig durchgeführt werden, fehlen ähnliche Übungsanlagen im Bereich der Krisenkommunikation meist völlig. Dabei hängt die Wahrnehmung des Ausmasses jeder Krise letztlich davon ab, wie gut und professionell sie kommuniziert wurde:
  • Wie müssen sich Manager oder Behörden im Falle der Krise vor der betroffenen Öffentlichkeit verhalten?
  • Wie geht man mit dem Ansturm der Medien um?
  • Wie stellt man die Einheitlichkeit der Information sicher?
  • Wann und wie soll im Krisenfall informiert werden?
  • Wer sind die Hauptadressaten?
  • Sind deren Koordinaten gespeichert und à jour?
Nur im konkreten Übungsfall zeigt sich, ob die Krisenkommunikation klappt.

Empfehlung
  • Bereiten Sie sich nicht nur mit physischen Massnahmen auf Krisen vor, sondern üben Sie den krisenkommunikatorischen Ernstfall.
  • Geben Sie Interviews, schreiben Sie Medienmitteilungen, üben Sie vor der Kamera, und machen Sie sich vertraut mit dem Druck der veröffentlichten Meinung, der in einer Krise unweigerlich entsteht.
Nur so können Sie in der Folge die richtigen Massnahmen der Bereitschaftsplanung treffen.

Fehler 2
Blosse Informationsvermittlung statt empathischer Kommunikation

Gute Krisenkommunikation muss auch zuhören können. Es gilt vorerst abzuklären, welche Fragen, Ängste, Missverständnisse vorhanden sind, bevor über vermutete oder tatsächliche Bedrohungen und Risiken gesprochen werden soll.

Krisenkommunikation beruht auf einem Austausch von Informationen und darf keine Einbahnstrasse darstellen. Allzu oft wird Information über Risiken vermittelt, die gar niemanden interessiert, weil die Informationsbedürfnisse des Publikums vorher nur vermutet, nicht aber richtig gedeutet wurden.

Von grosser Bedeutung ist deshalb, dass den Medien und den betroffenen Personen genügend Gelegenheit geboten wird, Fragen zu stellen. Immer wieder erstaunt es, dass viele Risikofragen, die gestellt werden, überhaupt nicht mit jenen Informationsinhalten übereinstimmen, die zu einem bestimmten Risikothema abgegeben wurden.

Empfehlung
  • Die betroffene Öffentlichkeit durch Fragen in die Risikothematik involvieren, um spezifische Interessenlagen zu ergründen, bevor blosse Informationen vermittelt werden.
  • Klären Sie die spezifischen Interessen des Zielpublikums ab, bevor Sie Risikokommunikation betreiben.
  • Hören Sie auch zu, und fragen Sie, damit eine empfängergerechte Information abgeben werden kann.
Fehler 3
Mangelnde Glaubwürdigkeit des Absenders

Eine wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit von Krisenkommunikation besteht in der Glaubwürdigkeit des Informanten. Die Information muss aus erster Hand erfolgen. Leute, die für das Entstehen oder die Bewältigung von Risiken direkt verantwortlich sind, müssen an die Kommunikationsfront. Nur sie können jenes grundsätzliche Vertrauensklima generieren, das die essenzielle Basis jeder Krisenkommunikation darstellt.

Externe Experten können nützlich sein, wenn ihre Unabhängigkeit über jeden Zweifel erhaben ist. Man hüte sich allerdings vor Expertenstreiten, denn bei Uneinigkeit von Experten glaubt der unbedarfte Zuhörer immer jenem, der das grössere Risiko bejaht. Auch entsteht begreiflicherweise Unsicherheit auf der Basis «Wenn nicht einmal die wissen, wie schwer wiegend ein Risiko ist, dann ist ja wohl einiges zu befürchten».

Empfehlung
  • Hüten Sie sich vor Personen, die wegen ihrer mangelnden direkten Beziehung zur Sache keine eigene Glaubwürdigkeit aufweisen können, wenn sie in der Krisenkommunikation eingesetzt werden.
  • Wählen Sie als Sprecher nur jene sachverständigen Personen, die selbst Beziehungsnähe zur oder Verantwortung für die zur Diskussion stehende Situation besitzen.
Fehler 4
Technische Ausdrucksweise

Es liegt in der Natur der Sache, dass wissenschaftlich und technisch ausgebildete Leute, die als Risikoverantwortliche plötzlich über Krisen kommunizieren sollten, geneigt sind, dies auch in der ihnen eigenen technischen Ausdrucksweise zu tun.

Damit wird für den Zuhörer das Risiko zu einer statistischen Wahrscheinlichkeit, zu einem Prozentsatz, zu einem kalten und fremden Sachverhalt, der in keiner Weise mit seiner Vorstellungswelt korrespondiert. Er versteht die Ausführungen nicht, lehnt sie gar als Ausflüchte ab und sieht in erster Linie die technische Ausdrucksweise als eine Verschleierungstaktik, mit der man ihm die wirklichen Probleme vorenthalten will. Was tun?

Auch Techniker und Wissenschaftler können lernen, in der Sprache der allgemeinen Öffentlichkeit zu sprechen. Dazu brauchen sie aber Training und Ausbildung, da natürliche Talente in dieser Hinsicht meist recht selten sind. Dazu kommt, dass diese Personen stets in einem Spannungsfeld zwischen den Erwartungen des Publikums und jenen ihrer fachspezifischen Zugehörigkeitsgruppe stehen.

Empfehlung
  • Wählen Sie die für Risikokommunikation zuständigen Personen sorgfältig auf Grund von Verantwortung und Eignung aus.
  • Schulen Sie die Kommunikationsbeauftragten in einfacher und verständlicher Sprache.
  • Belohnen Sie alle Anstrengungen in diese Richtung, und schützen Sie die Informanten nachher vor der Kritik der Besserwisser.
Fehler 5
Verniedlichung in der Risikokommunikation

Über Risiken zu sprechen, ist für viele unangenehm. Es besteht deshalb allzu oft die Tendenz zur Verniedlichung. Eine Risikokommunikation, die damit beginnt, dass schon die alten Römer oder gar die Ägypter dies oder jenes getan hätten, löst in der Regel beim Zuhörer instinktiv Abwehrprozesse aus, welche die notwendige Glaubwürdigkeitsbasis untergraben.

Es mag zwar sein, dass viele Leute beim Bau der Pyramiden gestorben sind oder dass das Bierbrauen ein seit Jahrhunderten bekannter Prozess biotechnologischer Natur ist. Aber damit lässt sich weder die heutige Sicherheit am Arbeitsplatz noch das Nutzen-Risiko-Verhältnis moderner Biotechnologie erklären.

Vorsicht ist auch mit der Wahl der vergleichenden Beispiele am Platz. Der Leser oder Zuhörer fühlt sich auf den Arm genommen, wenn ihm zum wiederholten Mal erklärt wird, dass das Risiko eines Blitzschlages auf offenem Feld oder das Risiko von Flugunfällen grösser sei als jenes einer Explosion des in der Nachbarschaft befindlichen Chemiewerkes.

Er will wissen, was geschieht, wenn das Risiko eintritt, mit welcher Wahrscheinlichkeit dies der Fall sein kann und was getan wird, um das Risiko zu verhindern respektive den Schaden in Grenzen zu halten. Offenheit und Ehrlichkeit sind gefragt, nicht Vergleiche, die beruhigend wirken sollten.

Empfehlung
  • Vermeiden Sie alle Arten des Herunterspielens von möglichen Risiken durch Vergleiche, die den Eindruck erwecken könnten, Sie würden weder das Risiko noch Ihre Leser- oder Zuhörerschaft ernst nehmen.
Fehler 6
«Alles im Griff»-Mentalität

Eine Krisenkommunikation, die den Anschein erweckt, alles im Griff zu haben, ist von vornherein auf verlorenem Posten. Allzu oft wurde diese Botschaft schon verwendet, um nachher durch die tatsächlichen Ereignisse Lügen gestraft zu werden. Zwar soll und muss geschildert werden, was alles Erdenkliche vorgekehrt wurde, um einen eingetretenen Schaden zu minimieren.

Der Begriff Krise an sich enthält jedoch die Wahrheit, dass nie mit Sicherheit die effektiven Auswirkungen des negativen Ereignisses ausgeschlossen werden können. Es soll jedoch dargestellt werden, welche Massnahmen getroffen worden sind, um den Schaden möglichst in Grenzen zu halten. Sachkompetenz und ehrliches Bemühen um Risiko- und Schadenminimierung sind hier gefragt, nicht hochtrabendes Omnipotenzgehabe. Dabei darf auch ruhig auf Nichtwissen und Grenzen der eigenen Möglichkeiten hingewiesen werden. Die Glaubwürdigkeit wird erhöht durch eine natürliche Bescheidung auf das Menschenmögliche, dem stets auch die Möglichkeit des Versagens anhaftet.

Empfehlung
  • Obere Grenzen des Schadenausmasses bei Kriseneintritt schildern, um zuerst die schlimmstmögliche Situation darzustellen.
  • Erst dann aufzeigen, was getan wird, um es nicht zu dieser Situation kommen zu lassen.
  • Bescheidenheit schafft Glaubwürdigkeit.
Wirksame Krisenkommunikation
Von der Krisenkommunikation kann keine bedingungslose Akzeptanz der Krise an sich erwartet werden. Wohl aber ein Vertrauen in die Informanten, dass diese sich aktiv für grösstmögliche Schadenbegrenzung einsetzen.

ZUR PERSON:
Walter P. von Wartburg, Dr. jur., ist Professor für Gesundheitspolitik an der Universität St. Gallen und Gründer der Corporate Reputation Management AG, Zürich/Basel. Er war bis 1999 Mitglied der Geschäftsleitung Novartis als Head Corporate Communications. Von Wartburg ist Mitglied des Advisory Council des BolognaCenter of the Paul H. Nitze School of Advanced International Studies (Sais), Bologna, und Member of the Bioethics Committee der Johns Hopkins University, Baltimore.
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