Es schreit von allen Seiten: Künstliche Intelligenz killt unsere Jobs! Goldman Sachs deklariert: Sieben von zehn Jobs werden in den USA von KI geklaut. Die «Financial Times» ist so nett und rechnet uns diese Ziffer hoch – und kommt so auf eine Summe von 300 Millionen Jobs, die von der künstlichen Intelligenz (KI) weltweit vernichtet werden sollen.

Doch machen wir erst mal halblang, denn: Das ist Panikmache par excellence – da überhaupt nicht differenziert wird.

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Zur Auffrischung: Es besteht ein Unterschied zwischen starken und schwachen KI. Schwache KI sind einfache Konstrukte, die für einzelne, spezifische Aufgaben eingesetzt werden. Ein Beispiel ist der Schachroboter: Er löst knifflige Schachaufgaben, kann aber weder eine Bewerbung schreiben noch ein Bild illustrieren. Starke KI hingegen entwickeln menschenähnliche Intelligenz; sie lernen, den richtigen Schachzug zu berechnen, können eine Bewerbung schreiben und liefern ein gewünschtes Bild. Die starken KI, die nun unsere Jobs gefährden sollen, gibt es effektiv noch gar nicht.

Beispiel: Chat GPT. Die Text-KI ist in der Lage, auf Anfrage perfekte Business-Reports, Mails und Programm-Codes zu erstellen. Sie wandelt den Input der Nutzerin direkt um, das Endprodukt überzeugt oft. Auch wenn beim Gebrauch der Gedanke aufkommen mag, dass das Programm mitdenkt: Chat GPT selbst weiss aber nichts. Es ist ein Modell, das mittels einer riesigen Sprachdatenbank gelernt hat, wie die menschliche Sprache syntaktisch funktioniert.

Um Chat GPT und Co. vollumfänglich zu nutzen, braucht es teilweise mehr Zeit, als den Bericht selbst zu verfassen. Denn es geht noch weiter: Was Chat GPT ausspuckt, muss in fast allen Fällen noch nachbearbeitet werden. Wer die Zeit investiert und lernt, mit passenden Eingaben überzeugende Ergebnisse zu erhalten, der ist nach wie vor überrascht von deren hoher Qualität. Dass jetzt aber Chat GPT Journalistinnen, Berater und Kommunikationsexpertinnen überflüssig macht, ist realitätsfern. KI bedroht nicht, sie optimiert. Der Mensch bleibt im Zentrum. Die Mitarbeitenden erhalten mehr Freiraum, da die KI Standardaufgaben einfach lösen kann, und können sich so ihren Soft Skills widmen: Teamfähigkeit, kreatives Denken, Zeitmanagement und Networking. Solche Skills kann eine KI (noch) nicht übernehmen. Auch Goldman Sachs betont in ihrem Bericht: Wenn KI korrekt eingesetzt werde, führe das zu positiven Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum.

Natürlich kann keine und keiner sagen, was in zehn Jahren sein wird: Fakt ist, künstliche Intelligenz wird uns heute und morgen noch nicht den Job wegnehmen. Schon zu den Zeiten, als die maschinellen Fertigung aufkam, ging eine Schockwelle durch die Arbeitswelt. Und trotzdem hat die Welt auch diese Revolution überlebt; es entstanden sogar neue Jobs. Was es braucht, ist Zeit – und keine Panik.

Olivia Ruffiner
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