Club am Rennweg, HSG-Alumni-Verein, Rotarier. Clubs zur Karriereförderung gibt es viele. Die meisten haben einen klaren Fokus: netzwerken, damit es so schnell wie möglich nach oben geht. Persönliche Ausgeglichenheit, spirituelles Wachstum oder Nachdenken über den Sinn des eigenen Lebens spielen da eher eine Nebenrolle. 

Zentral sollen diese Themen hingegen beim Zürcher Managerclub Urban Gurus sein. Zugelassen sind Manager auf C-Level-Ebene, die daran interessiert sind, als «Vorbild und Lehrer» und «aus ihrem höchsten Bewusstsein heraus zu agieren». 
Was nach Sektenslang klingt, soll in den nächsten Monaten viele Entscheider und Entscheiderinnen in der Schweiz anlocken. Einer der Mitgründer ist Christian Haas, Inhaber von Haas Associates, einer Executive Search Boutique, spezialisiert auf die Assetmanagement-Branche. Er erklärt dazu, es gehe im Club darum, zu entdecken, was einem wirklich Befriedigung gibt. Die eigenen Werte, Überzeugungen und Antriebe sollen seziert werden. «Erst diese Klarheit gibt die Werkzeuge, das Leben nach eigenen Überzeugungen und Intentionen zu leben.»
 

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Inneres der Teilnehmer erforschen

Und was passiert dann konkret im Club, wenn nicht nur reflexartig Visitenkarten ausgetauscht werden? Bei den Treffen werde intensiv die «Legacy» der Mitglieder diskutiert und analysiert, so Haas. Also, welche Spuren sie im privaten und beruflichen Umfeld durch ihr Tun hinterlassen. Er verspricht nicht ganz unbescheiden, dass die Energien, die bei Urban Gurus erzeugt werden, für den Rest des Lebens der Mitglieder ausreichen.

Der Weg in den Club funktioniert aber nicht mit einem klassischen Beitrittsantrag. Rein darf nur, wer von einem bereits aufgenommenen Mitglied empfohlen wird. Weiteres Aufnahmekriterium ist die Teilnahme an einem Retreat im Engadin. Dort soll das Innere der Teilnehmer erforscht und «tiefe und persönliche Beziehungen zu ähnlich denkenden und handelnden Menschen» aufgebaut werden. Wer beim Seelenstriptease nicht mitmachen kann oder will, muss sich wieder verabschieden. 
Auch wenn die Mitglieder vom Club-Leben erzählen, verschwindet der Eindruck einer Geheimgesellschaft mit ungewöhnlichen Ansichten nicht ganz. So sagt etwa Désirée von Michaelis, Chefin des Blockchain- Unternehmens Hypoterra in Zug: «Dank dem Urban-Guru-Netzwerk habe ich – auch zurück im Tagesgeschäft – Zugang zu einer Gruppe von inspirierenden ‹real-life Gurus› und Gleichgesinnten, mit denen ich mich sehr offen und konstruktiv über Herausforderungen und Lösungsansätze austauschen kann.» Der Retreat sei eine wertvolle Gelegenheit, sich für ein paar Tage systematisch grundsätzlichen Fragen zu widmen. Real-life Gurus sind Managerinnen und Manager, die «weise Weisheit» erworben haben – und die nach Visionen leben, die sie aus ihren Erfahrungen «destilliert» haben, wie es im Clubfolder heisst.
 

Nicht nur Normkarrieren

Für Mitglied Oliver Banz, der eine Karriere bei UBS, McKinsey und der Kanzlei Homburger hinter sich hat, sind Mitglieder des Clubs schlicht Menschen, «die sich mit sich und ihrer Umwelt intensiv auseinandersetzen, um in ihrem Job noch effizienter zu sein, die aber auch darüber hinaus ein erfülltes Leben anstreben». 
Christina Kuenzle, auch sie eine Mitgründerin des Clubs, heute als Coach tätig und früher unter anderem in der Konzernleitung bei Sulzer, sieht Urban Guru nur teilweise als elitäre Organisation. «Es ist ein ausgewählter Kreis, welcher die Signifikanz der eigenen Identifikation erkannt hat», ergänzt Christian Haas. Beide sind überzeugt, dass das Bedürfnis nach ihrem Angebot gross ist und noch steigen wird. 
 

Karma in Anzügen

Platz für ein paar neue Impulse im Bereich der Karrierenetzwerke gibt es in der Schweiz durchaus. Viele vor allem kleinere Clubs haben den Sprung in die Digitalisierung nicht geschafft und werden von Netzwerken wie Xing unter Druck gesetzt. Bei anderen spielen persönliches Wachstum oder Selbstanalyse kaum eine Rolle. 

Urban Gurus setzt zwar ebenfalls ganz auf analoge Formate, sieht seine Chance aber wohl auch darin, sinnorientierte Millennials und jüngere Managerinnen und Manager aufzufangen, wenn diese sich vernetzen wollen und dabei auf eine Art Sinnhaftigkeitszertifikat nicht verzichten wollen. Karen J. Huebscher, Chefin von Solvias und früher bei Novartis, und ebenfalls Urban Guru, mag, dass es dort nicht nur um Aufstieg geht: «Der Retreat war ein offener und herzlicher Austausch zwischen speziellen Menschen, die ihren eigenen Weg gehen, der nicht unbedingt der Normkarriere entspricht. Beim Netzwerken ist nicht die Frage, was es mir bringt, sondern was ich als Person selber dazu beitragen kann. Was ich reinbringe, kommt an Offenheit von den anderen auch zurück.» Karma in Anzügen eben.

Stefan Mair
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