Von Annegret Funke
Wenn die Gänge leer werden und die Vorlesungsräume verwaisen, dann sind Semesterferien. Wenn sich dazu jeden Morgen ab viertel vor acht Kommilitonen vor den Türen der Bibliothek drängeln, dann ist zudem Lernphase. Denn nachdem die letzten Vorlesungen, Übungen, Tutorien und Gruppenleistungen über die Bühne gegangen sind, gibt es im Studentenleben diese berüchtigten freien Wochen, in denen man sich vollkommen und mit ganzer Kraft der Prüfungsvorbereitung widmen sollte.
In rund einem Monat Lernzeit legen die Studenten ganz unterschiedliche Taktiken an den Tag: Die einen sind in universitären oder städtischen Bibliotheken anzutreffen und finden die nötige Ruhe in dieser Schicksalsgemeinschaft, die im Hochsommer friedlich unter den Glaskuppeln der Wissensanstalten vor sich hin transpiriert und unter Arbeit und Anspannung leidet. Gott sei Dank ist hier der Weg zum nächsten Kollegen, bei dem man sich bei einem Kaffee über die Strapazen der Lernphase ausheulen kann, nicht weit. Auch Ratschläge der höheren Semester lauern hier an jeder Ecke. Und doch, diese Tipps und Tricks sind wohl ebenso wenig hilfreich wie die zahllosen Kommentare der Hobbytrainer während der Fussball-WM.
Andere Studenten bevorzugen die heimischen Gefilde, ziehen sich sogar bis ins Hotel Mama mit Vollpension zurück und negieren den realen Kontakt zur Aussenwelt – digitale Netzwerke ausgeschlossen. Denn zu keinem anderen Zeitpunkt im Jahr finden sich auf den Online-Netzwerken mehr unibezogene Statusmeldungen oder Links zu Videos und Internetseiten, die man unter normalen Bedingungen wahrscheinlich nur mässig unterhaltsam fände. Zwischen Lernkarten, Zusammenfassungen und stundenlangem Lesen und Wiederholen gewinnt Ablenkung per se aber einen unschätzbaren Wert.
Wer in jener Phase für sich selber sorgen muss, der tut dies meist schon im Voraus und erledigt planvoll Hamstereinkäufe. Auf einmal scheinen auch die Gesetze und Vorsätze der gesunden Ernährung nicht mehr zu gelten. So landen auf den Warenbändern der Grossisten Konservennahrung, Pasta, nochmals Pasta, Schokolade und natürlich Energy Drinks, welche den schwachen Studiergeist wieder beflügeln sollen. Wem selbst die Opportunitätskosten dieser Nahrungszubereitung zu hoch sind, der verlässt sich in der Lernphase auch schon einmal gänzlich auf Fast-Food-Ketten und Pizza-Lieferanten – es herrscht ja Ausnahmezustand.
Nach drei Wochen Vegetieren zwischen Skripten, Büchern und Mangelernährung nimmt die Lernphase mit den zentralen Prüfungen ein jähes Ende. Danach gilt es für die meisten Prüflinge, nur noch mit der lästigen Studierzimmerblässe fertig zu werden. Ein Klacks nach dem Überleben des alljährlichen Ausnahmezustandes.